Читать книгу Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Sammelband 1 - Frank Hille - Страница 23
ОглавлениеFred Beyer, Polen, September 1939
Es gab ein widerliches Krachen, als die Granate den Turm des Panzers II durchschlug. Fred Beyer wurde augenblicklich von einer Blutfontäne überschüttet, Frankes schon schlaffer Körper fiel über ihn, die Granate hatte ihn im Rücken getroffen. Beyer fühlte einen stechenden Schmerz im rechten Arm. Großmann, der Funker, der mit dem Rücken zu ihm hinter ihm saß brüllte auf, auch er musste getroffen worden sein, darum konnte er sich jetzt nicht kümmern. Den Körper des Toten auf seinen Schultern hatte er Mühe die Bedienelemente zu erreichen, irgendwie schaffte er es aber noch das Fahrzeug zu beschleunigen, das war seine einzige Chance. Mit vierzig Km/h schepperte der Panzer die Straße entlang, er musste es bis zur nächsten Kreuzung schaffen um der PAK im Rücken zu entkommen, verzweifelt steuerte er den Panzer von einer Seite zur anderen, um dem Gegner das Zielen zu erschweren. Die Polen mussten den Panzer abgewartet und dann die Kanone in Stellung gebracht haben. Ein Schlag schmetterte gegen das Heck, abrupt blieb das Fahrzeug quer auf der Straße stehen, Beyer wuchtete die Luke auf, wälzte Franke von sich herunter und kam mit letzter Anstrengung frei, mit einem Sprung erreichte er den Boden und warf sich nach wenigen Schritten hinter einem Baum in Deckung. Die Luke des Funkers flog auf, Großmann versuchte auszubooten und Beyer sah, wie sein Körper von Kugeln durchschlagen wurde und er mit dem Körper auf die Panzerung schlug. Aus dem Motorraum des Panzers züngelten Flammen, mit einem knatternden Geräusch explodierte die Munition eine Minute später, der Kommandantendeckel krachte auf und der Panzer stand komplett im Flammen. Schwarzer Rauch quoll aus der Fahrerluke, der Kuppel und der Funkerluke, und bei einer weiteren Explosion wurde der Turm aus seiner Verankerung gehoben und hing dann schief auf der Wanne. Beyer lag eng an den Boden gepresst und spürte jetzt, wie ihm das Blut am Arm herunterlief, der Schmerz raubte ihm fast den Verstand. Die sie begleitende Infanterie nahm inzwischen das Geschütz unter Feuer, zwei Polen brachen getroffen zusammen, die anderen ergriffen die Flucht. Plötzlich war ein Sanitäter bei Beyer, mit geübten Händen riss er die Kombination auf und sah sich die Wunde an.
„Daran gehst du nicht kaputt“ rief er ihm beruhigend zu.
„Es sind nur Splitter, in zwei Wochen bist du wieder gesund“ sagte er ihm noch, dann verlor Beyer das Bewusstsein.
Als er aufwachte lag er auf einer schaukelnden Trage in einem Sankra, ihm gegenüber stöhnte ein Mann seinen Schmerz heraus, er sah, dass dessen linker Arm in einem Stumpf endete der mit Mullbinden umwickelt war die sich mit Blut vollgesogen hatten und den Strom des Lebenssaftes nicht aufhalten konnten, unablässig tropfte Blut auf den Boden des Fahrzeuges. Der Sanitäter der zwischen Ihnen stand versuchte dem Mann eine Blutkonserve zu verabreichen, mit einem Mal zuckte er mit den Schultern, der andere war tot. Beyer schloss die Augen und das Grauen, das er erlebt hatte, kroch in seinen Kopf. Mit Franke hatte er die Vergangenheit geteilt, ab heute würden sie keine gemeinsame Zukunft mehr haben. Sein Kommandant war ein ruhiger Mann gewesen, mit dem ihn bald eine Freundschaft verband, er war umsichtig, niemals draufgängerisch und überlegt im Gefecht. Er hatte ihm vor dem Einmarsch in die Stadt noch gesagt, dass Panzer in so einem Gebiet verwundbar wären und er den Einsatzbefehl missbillige aber selbstverständlich nicht in Frage stellte. Seiner Meinung nach hätte die Infanterie sondieren sollen und dann Unterstützung anfordern. In seinem eigenen Fall hatte er Recht behalten, seine Frau würde nicht einmal einem Sarg mit seinen Überresten folgen können, nur Asche war von ihm übriggeblieben.
Großmann kannte Beyer wenig, der Funker war ihnen erst von drei Tagen zugeteilt worden. Nach außen hin gab er den Spaßvogel doch Beyer merkte deutlich, dass sich Anspannung in ihm breit machte wenn er in den Kampfwagen stieg, dann meldete er sich nur noch knapp über das Bordnetz. Als Panzermann musste man täglich mit der grausamen Vorstellung leben, verwundet und nicht in der Lage zu sein auszubooten oder durch verklemmte Luken wie in einem Grab eingeschlossen zu verbrennen.
Das Auto hielt, seine Trage wurde von kräftigen Händen gepackt und ins Lazarett gebracht, in einem offenen Raum wurde er auf den Boden gelegt. Nach kurzer Zeit erschien eine Krankenschwester, drückte ihm zwei Tabletten in den Mund und ließ ihn Wasser nachtrinken. Beyer fühlte, dass die Anspannung langsam von ihm abfiel und er wurde schläfrig, er registrierte noch, dass er wieder angehoben, ein Stück getragen und auf einen Tisch gehoben wurde. Jemand machte sich an seiner Panzerkombination zu schaffen, er spürte den Einstich einer Spritze und dann dämmerte er weg.
Von der ins Zimmer scheinenden Sonne, die sein Gesicht direkt traf, wurde er munter. Sein Arm schmerzte schwach, er genoss die frische und kühle Bettwäsche, das erste Mal seit Tagen lag er wieder in einem Bett. Eine Schwester trat an sein Bett und führte auf einem kleinen Wagen Verbandsmaterial, Spritzen und anderes mit.
„Verbandswechsel“ sagte sie knapp, zog ihm die Schlafanzugjacke vom Oberkörper und machte sich an seinem Arm zu schaffen.
Mit einem Ruck zog sie die durchbluteten Mullbinden ab, er schrie vor Schmerz und Überraschung auf und sie blickte ihn spöttisch an.
„Geht das nicht ein bisschen vorsichtiger“ fragte er sie, noch pochte der Schmerz in seinem Arm.
„Nein“ kam die Antwort „das überlassen Sie mal mir, wie man das richtig macht. Und stellen Sie sich nicht so an, anderen geht es viel schlechter.“
Erst jetzt kam er dazu, sie genau anzusehen.
Sie war geschätzt Mitte Dreißig, mittelgroß, unter ihrer Bluse zeichneten sich große Brüste ab, ihre Beine waren schlank und das blonde Haar war unter der Schwesternhaube fast völlig verborgen, an ihrer Brust hing ein kleines Schild: „Schwester Rita“. Grüne Augen sahen ihn offen an, sie lächelte immer noch ein wenig spöttisch, erneuerte den Verband und ging wortlos weiter zum nächsten Bett.
Nachts konnte er nicht schlafen, am nächsten Tag wollte er die Zähne zusammenbeißen, schon um ihr zu imponieren. Die Visite wurde von einem müde aussehenden Arzt angeführt, im Tross folgten die Schwestern.
„Beyer, Fred, Splitterverletzungen am rechten Oberarm, 7 Splitter wurden entfernt, Wunde eitert noch“ las die Oberschwester vor.
„Nun Gefreiter Beyer“ sprach ihn der Arzt an, „wie geht es Ihnen?“
„Gut, Herr Stabsarzt“ erwiderte Fred, in der hinteren Reihe des Pulks sah er Rita.
„So, das kann ich eigentlich nicht glauben, die Wunde sondert Sekret ab, wahrscheinlich sind noch Splitter oder andere Fremdkörper darin, Sie kommen noch mal auf den Tisch.“
Die Wolke der weißgekleideten Gestalten zog zum nächsten Patienten weiter, Schwester Rita bildete den Abschluss und sah ihn wieder mit ihrem spöttischen Lächeln an. Später kam sie mit ihrem Wagen zurück, entkleidete seinen Oberkörper und wechselte den Verband, diesmal zeigte er keine Regung.
„Ein deutscher Held zeigt keinen Schmerz, stimmt´s“ meinte sie und zeigte auf das EK 1, das auf dem Nachttisch lag.
Am Tag zuvor war der Kompaniechef vorbeigekommen und hatte ihm die Auszeichnung in die Hand gedrückt.
„Schlimme Sache, Beyer“ fing er an, „Franke und Großmann sind gefallen, die Briefe an ihre Familien habe ich heute Nacht geschrieben, es ist mir sehr schwer gefallen, Großmann war gerade mal 18 Jahre alt. Aber wir haben Krieg. Kurieren Sie sich schnell aus, noch leisten die Polen Widerstand.“
Schnell ging er wieder, Beyer verstand, dass er wenig Zeit hatte.
„Was werden die Ärzte mit mir machen“ fragte er Schwester Rita nervös.
„Ach, das ist eine Kleinigkeit, die gehen mit einer Sonde in die Wunde und suchen nach weiteren Splittern. Ist nicht schlimm, dürfte aber sehr schmerzhaft sein“ informierte sie ihn wie beiläufig und fuhr dann fort „ich assistiere, das ist nur eine kleine Sache ohne Narkose, nur ein bisschen örtliche Betäubung wird vorgenommen. Sie stehen 16 Uhr auf dem OP-Plan.“
Sie sah, wie der Junge, wie sie ihn nannte, zusammen zuckte und seine Augen flackerten. Im Bett wirkte er noch kleiner als sonst, aber sein offenes Gesicht gefiel ihr und provozierend beugte sie sich über ihn, um scheinbar das Bett zurichten. Sie wusste, dass er einen Teil ihrer Brüste, die sich vor seiner Nase befanden, sehen konnte, Gott hatte sie mit einer üppigen Oberweite gesegnet, die auch die Schwesterntracht nicht vollständig bändigen konnte. Dann drehte sie ihm den Rücken zu und tat so, als würde sie auf der unteren Ebene ihres Wagens etwa suchen, so dass er ihr direkt auf den Hintern blicken konnte. Als sie sich ihm wieder zuwandte sah sie, dass sich seine Erektion deutlich unter der Bettdecke abzeichnete, er wurde rot. Sie fand ihn einfach süß.
Auf dem OP-Tisch erhielt Beyer eine örtliche Betäubung, der Arzt begann mit der Sonde in der Wunde herumzustochern, der Schmerz war höllisch aber Beyer biss die Zähne zusammen, der Schweiß stand ihm auf der Stirn, er schaute Rita an und die nickte ihm ermutigend zu. Nach 5 Minuten hatte der Arzt 3 weitere Splitter entfernt, er ging abschließend noch einmal in die Wunde und Beyer nahm alle Kraft zusammen, um nicht los zu brüllen. Rita säuberte die Wunde, legte einen Verband an und auf sie gestützt wankte er zum Bett zurück, sie drückte ihre Brüste unabsichtlich gegen ihn und merkte, wie schmal er war.
„Danke, Schwester Rita“ sagte er noch blass, als er wieder im Bett lag.
Er merkte, dass sich ihr Blick verändert hatte, jetzt war er nicht mehr spöttisch, eher warmherzig.