Читать книгу Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Sammelband 1 - Frank Hille - Страница 37

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Ostsee, September 1939

Das Boot glitt in 35 Meter Tiefe mithilfe seiner E-Maschinen durch die See, die Männer versuchten keine Geräusche zu verursachen denn an der Oberfläche suchte ein Schiff nach ihnen. Haberkorn versuchte sich vorzustellen wie die Männer an ihren Ortungsgeräten saßen und ihr Boot aufspüren wollten. Vor zehn Minuten waren sie getaucht und die Diesel dunsteten noch Wärme aus, er stand am Fahrstand und rieb mechanisch an den Temperaturanzeigen, obwohl dort nichts zu putzen war, Rau hatte wieder den Platz auf seinem Hocker eingenommen. In der Mitte ihres Bootes saß der Horcher vor seinen Geräten und war bemüht, das Schiff über ihnen zu orten. Haberkorn wusste, dass jetzt ein Katz-Maus-Spiel begann und er keinerlei Möglichkeiten hatte, etwas zu tun. Nur zwei Männer an Bord führten jetzt den Scheinkampf: der Horcher und der Kapitän. Sie hier im Heck des Bootes waren den Entscheidungen des Kaleun besonders ausgeliefert, irrte er sich bei der Einschätzung der Manöver des Gegners würde das später in der Realität bedeuten, dass ihr Boot mit Wasserbomben eingedeckt und vernichtet werden könnte und der Weg bis zur Zentrale war für sie weit. Aus einem Lehrbuch konnte man diese Art der Kriegsführung sicher nicht lernen, hier war es erforderlich die Maßnahmen des Gegners zu erahnen, ihnen zu begegnen oder zuvor zu kommen. Trotz seiner Jugend kam ihm der Kaleun abgeklärt vor und sie wussten, dass er schon einige Zeit in der U-Boot Waffe diente. Nicht umsonst hatte er das Kommando über das Boot bekommen, sein Ruf in der Flottille war hervorragend.

Das Boot ging tiefer und in eine Steuerbordkurve, sie hatten 55 Meter erreicht. Hätte Haberkorn im Gang neben dem Schapp des Horchers gestanden wäre ihm die Veränderung dessen Gesichtsausdruckes aufgefallen: der Mann zuckte zusammen und rief dem Kapitän leise etwas zu, dieser gab sofort einen Kursbefehl. So merkte er nur, dass das Boot einen Satz nach vorwärts machte und noch tiefer tauchte. Vollkommen unerwartet krachte es furchtbar und sein Herz blieb einen Moment stehen, der Jäger hatte Übungswasserbomben geworfen. Auch Raus Blick hatte sich verändert, die Gelassenheit die er sonst ausstrahlte war einen angespannten Starren gewichen. Beiden war bewusst, dass die Bomben keinen Sprengstoff trugen und sie an die Detonationen gewöhnen sollten, trotzdem setzte der Lärm ihren Nerven zu. Das Boot war etwas höher gekommen und der Kaleun ließ mittschiffs steuern. Haberkorn hatte keinerlei Vorstellung mehr welchen Kurs sie liefen, wo der Jäger war konnte er ohnehin nicht wissen. Die Geschwindigkeit ging deutlich zurück, der Kaleun hatte Schleichfahrt befohlen und gleichzeitig senkte sich der Bug wieder, jetzt ging es auf 70 Meter aber diesmal in einer Backbordkurve. Er stellte sich vor, wie der Kommandant den von ihm gewählten Kurs mit dem vermuteten des Gegners im Kopf berechnete und daraus seine Entschlüsse für weitere Maßnahmen ableitete. Ohne jegliche weiteren Hilfsmittel als die Peilungen des Horchers schien es ihm nahezu unmöglich eine eindeutig richtig Entscheidung treffen zu können, vielmehr kam es auf Erfahrung und Intuition an, das war erst aus realen Situationen zu lernen.

Er merkte, dass die Ruder jetzt wieder mittschiffs lagen und das Boot noch tiefer ging. Achteraus dröhnten die Explosionen der Übungswasserbomben und es kam Hoffnung auf, dass der Jäger ihre Spur verloren hatte. Die E-Maschinen gingen jetzt auf große Fahrt und der Boden neigte sich merklich, der Kaleun ließ schnell höher steuern und Haberkorn ahnte, dass er die Situation ausnutzen wollte dass der Jäger an der falschen Stelle suchte, um selbst in Schussposition zu kommen. Nach seinem Empfinden führte der Kurs weiter weg vom Gegner aber während dieses Gedankens ging das Boot in eine Backbordkurve und stieg immer noch schnell, jetzt waren 20 Meter erreicht. Der LI hatte jetzt Schwerarbeit, er musste das Boot auf ebenem Kiel steuern damit der Kommandant das Sehrohr kurz ausfahren konnte. Der Papenberg in der Zentrale erlaubte das Feinsteuern, aber auch hier war viel Erfahrung von Nöten um das Sehrohr nicht zu weit herausragen zu lassen. Die Aufwärtsbewegung setzte sich sachte fort und bei 12 Metern blieb der Zeiger des Tiefenmessers stehen. Einige Minuten setzte das Boot seinen Kurs fort, dann sprangen die Maschinentelegraphen an den Dieseln auf große Fahrt und die Maschinen begannen zu arbeiten. Die Motoren saugten die Luft aus dem Raum, die Pressluftleitungen knatterten, es wurde angeblasen. Mit großer Fahrt schoss das Boot aus dem Wasser und Rau und er öffneten die Zuluftventile und die Abgasklappen. Sie konnten nicht sehen, dass der Fischkutter genau in Linie mit ihrem Boot in einer Entfernung von drei Kilometern lag, der Kaleun hatte den Scheinangriff erfolgreich durchgeführt. Im Ernstfall wären die Torpedos abgefeuert worden und hätten, wenn sie richtig eingeregelt gewesen wären, das Ziel getroffen.

Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Sammelband 1

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