Читать книгу Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Sammelband 1 - Frank Hille - Страница 33

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Fred Beyer, Polen, September 1939

Die Nacht verging ereignislos, die Männer schlangen ihr Frühstück herunter und wuschen sie flüchtig an den im Dorf vorhandenen Brunnen, dann stiegen sie wieder in die Panzer ein. Der Geschützdonner hatte in der Nacht ausgesetzt, jetzt war er wieder deutlich zu hören und mit jedem Kilometer den sie näherkamen wurde es lauter. Bomber vom Typ He 111 flogen Richtung Front, schnelle Me 109 umkreisten sie wie Hütehunde. Die Kommandanten ragten aus den Türmen, ab und an ließ der Kompaniechef Halt machen und die Männer schauten angespannt durch ihre Ferngläser. Sie mussten jetzt schätzungsweise fünf Kilometer vor ihrem Angriffsziel sein, sofern sich die Lage in der Nacht nicht geändert hatte. Nach einiger Zeit gab der Kompaniechef den Befehl zur Entfaltung, die Reihe der Panzer löste sich auf und die Fahrzeuge fuhren jetzt in der Tiefe gestaffelt nebeneinander, ihre seitlichen Abstände betrugen jetzt ungefähr 30 Meter. Rechts und links neben ihnen stand Infanterie welche ebenfalls von Panzern und Sturmgeschützen unterstützt wurde. 7 Uhr 15 sollte der Angriff beginnen, sie hatten ihre Position pünktlich erreicht.

Der Himmel war frei für die Deutschen, es gab keinen Grund Panzer und Infanterie unvorbereitet gegen die polnischen Stellungen zu schicken, erst sollten die Bomber und Stukas ihre Arbeit tun. Ein anschwellendes Dröhnen kündigte die Bomber an, Schwärme von Heinkel und Junkers Flugzeugen schütteten ihre Bombenlast über den Stellungen aus, dort musste jetzt die Hölle los sein. Als die Bomber abflogen stürzten sich Rotten von Ju 87 auf die Polen, kein Abwehrfeuer störte ihre Angriffe. Nach einem kurzen Moment der Ruhe kam der Befehl von Hartmann: „Panzer marsch“.

In diesem Moment war Beyer angespannt aber ruhig, er beschleunigte das Fahrzeug und durch die Winkelspiegel sah er die Gräben der Polen näherkommen, die Maschinengewehrkugeln, die gegen die Panzerung schlugen erschreckten ihn kurz, aber dann war er wieder ganz konzentriert und folgte den Anweisungen von Hartmann.

„Zwei Uhr, dann rüber über den Graben und weiter durch“ brüllte Hartmann, der Panzer fuhr im fünften Gang, erreichte den Graben und überwand ihn. Die zweite Reihe der Panzer deckte die vorstürmenden, aus dem Schießhalt feuerten die 2 cm Kanonen und die MG. Polen sprangen aus den Deckungen und schleuderten Handgranaten auf die Fahrzeuge, als eine auf der Motorabdeckung explodierte schepperten die Panzerbleche aber die Maschine lief weiter. Hartmann schrie in das Mikrophon:

„Erste Reihe schneller, zweite kümmert sich um die Infanterie, keine PAK zu erkennen, vorwärts.“

Das MG des Panzers ratterte ununterbrochen und Beyer sah aus den Augenwinkeln Männer fallen, als er den zweiten Graben überwinden wollte flog eine Benzinflasche gegen den Panzer aber sie richtete keinen Schaden an, der Kommandant schrie ihm zu: „Halt“. Er schwenkte den Turm und feuerte mit dem MG direkt in den Graben hinein, die Soldaten darin brachen zusammen. „Weiter, schnell“ war der nächste Befehl und nach einem Moment hatten sie die erste Verteidigungslinie durchbrochen.

Vor ihnen lag freie Fläche und sie erkannten ein Dorf mit wenigen Häusern, der Panzer rollte weiter und Beyer begriff, dass sie nicht halten konnten, ihr Fahrzeug wäre ein allzu leichtes Ziel.

„Das war noch gar nichts, Beyer“ rief ihm Hartmann zu „jetzt kommen bald die PAK und Panzer, das war nur das Kanonenfutter, aber warum die keine Geschütze vorn hatten verstehe ich nicht.“

Der Panzer kurvte langsam zwischen Bombenkratern herum die der Luftangriff gerissen hatte, die anderen Fahrzeuge folgten, hinter ihnen war noch Geratter von MG und Kanonen zu hören, die anderen Panzer und die Infanterie säuberten die Einbruchsstelle. Beyer schaute konzentriert durch seinen Sehschlitz, neben einem Haus glaubte er etwas Metallisches zu sehen, vielleicht 150 Meter entfernt, er meldete es Hartmann und der drehte den Turm in die angegebene Richtung.

„PAK“ brüllte Hartmann, richtete an und schoss, das Geschütz stand aber zu gut gedeckt und Hartmann konnte es nicht treffen. Als die erste Granate des polnischen Geschützes an der Bugplatte des Panzers abrutschte gab Beyer instinktiv Vollgas und ohne einen Befehl von Hartmann abzuwarten fuhr er mit Höchstgeschwindigkeit auf die PAK zu. Er steuerte den Panzer im Zickzackkurs in der Hoffnung, den Polen das Zielen zu erschweren, Als sie noch 40 Meter entfernt waren knallte ein Treffer gegen den Turm, der Auftreffwinkel der Granate war ungünstig und sie stieg jaulend in den Himmel. Beyer war nur auf das Geschütz konzentriert, selbst wenn Hartmann einen Befehl gegeben hätte, er würde es nicht wahrgenommen haben denn er wusste, dass er die PAK unter die Ketten nehmen musste bevor diese den nächsten Schuss abfeuern konnte. Vollkommen unbewusst rechnete er die Geschwindigkeit des Panzers in Meter um: 40 Kilometer pro Stunde legte das Fahrzeug jetzt zurück, durch 60 waren ungefähr 660 Meter in der Minute und etwa 10 Meter in der Sekunde. Nach drei Sekunden prallte der Panzer gegen das Schutzschild des Geschützes, drückte es rückwärts und schob sich rasselnd auf die Waffe, die sich unter dem Gewicht des Fahrzeuges verformte. Beyer riss an den Lenkhebeln und die Maschine kam frei, Hartmann schwenkte den Turm und feuerte mit dem MG der Besatzung hinterher, die die Flucht ergriff. Das Heck des Panzers zeigte in die Angriffsrichtung und Beyer versuchte dem Gegner wieder den stärker gepanzerten Bug zuzudrehen, da schlug die Granate eines anderen Geschützes in die Kette, diese lief ab, mit einem letzten Schwung drehte sich der Panzer noch etwas und die Männer sprangen sofort aus den Luken, neben dem Haus fanden sie Deckung.

Die anderen deutschen Panzer nahmen die polnischen Pak unter Beschuss, einer blieb ruckartig stehen und die Luken des Kommandanten und des Funkers gingen auf und die Männer booteten aus. Dicht hinter den Panzern folgte die Infanterie, die sich immer wieder Deckung suchend hinwarf und dann weiter vorrückte. Beyer, Hartmann und ihr Funker pressten sich neben dem Haus auf die Erde, wenn die Deutschen weiter vordrangen sollte ihnen nichts geschehen. Gefahr ging jetzt von den eigenen Leuten aus, hoffentlich hielt sie keiner für Polen. Als die Schützenketten an ihnen vorbeigezogen waren erhoben sich die drei Männer vorsichtig, nach einer Weile des Zögerns standen sie auf. Sie konnten nichts mehr ausrichten, schnell entfernten sie sich aus der Kampfzone und in der Nähe der ersten polnischen Stellungen stießen sie auf Trosseinheiten. MG sicherten das gewonnene Gelände und sie ließen sich nieder.

„Das war ein Husarenstück Beyer, alle Achtung„ sprach ihn Hartmann an.

Erst jetzt wurde Beyer bewusst, wie knapp es ausgegangen war und dass er die einzige richtige Entscheidung getroffen hatte. Die Granaten der 45 mm Pak der Polen wären durch die Panzerung durchgeschlagen wenn es der Besatzung gelungen wäre, sie besser zu treffen. Wäre ihnen dazu noch Zeit geblieben einen dritten Schuss abzugeben, hätte sich die Wahrscheinlichkeit eines vernichtenden Treffers auf diese geringen Entfernung erhöht, genau das hatte er verhindert. Mit leicht zitternden Händen steckte er sich eine Zigarette an, Hartmann rauchte auch. Sanitäter kamen mit den ersten Verwundeten zurück, diese wurden schnell in Krankenwagen umgeladen.

Obwohl die Deutschen wieder und wieder bestimmte Situationen geübt hatten herrschte anfangs in der Einbruchsstelle Chaos. Männer aus abgeschossenen Panzern irrten ziellos umher, Soldaten mit geringeren Verwundungen strömten rückwärts, niemand ordnete das Geschehen, bis ein Major Hartmann heran rief und gleichzeitig einen Oberleutnant, dem das Blut aus einer oberflächlichen Kopfwunde über das Gesicht lief, winkte, zu ihm zu kommen.

„Sie kümmern sich um die Panzermänner, Sie um die Infanterie. In einer halben Stunde ist der Verbandsplatz fertig, sammeln sie ihre Leute und handeln sie je nach Lage. Die Instandsetzungseinheit ist im Anmarsch, auf den beiden LKW finden Sie Zeltbahnen, Lebensmittel und Wasser. Ich muss nach vorn.“

Nach einiger Zeit stellte sich Ordnung ein, und die Räder der deutschen Kriegsmaschine griffen wieder ineinander, Hartmann wurde nicht mehr gebraucht. Seit dem Angriffsbeginn waren drei Stunden vergangen und um Hartmann hatten sich ungefähr 15 Männer gesammelt, alles Leute seiner Kompanie. Bislang war sicher, dass vier Panzer zerstört worden waren, eine unbekannte Anzahl war ausgefallen. Die ersten Zugmaschinen krochen durch das Gelände und kamen mit Panzern im Schlepp wieder zurück, auch ihre Maschine war mit dabei. Die Fahrzeuge wurden nebeneinander abgestellt, Männer in Werkstattkombis machten sich an ihnen zu schaffen. Hartmann und Beyer gingen zu ihrer Maschine und schauten sie näher an. Auf der Bugplatte zog sich eine Einkerbung über das Panzerblech und am Turm war ein Stück Stahl herausgesprengt worden, feine Risse zogen sich an der Seitenwand entlang. Der Turm war hinüber, seine beschädigte Struktur würde keinem Treffer mehr standhalten können. Zwei Mechaniker waren bereits dabei, eine neue Kette aufzuziehen und Hartmann sprach sie an.

„Was soll das, mit dem Panzer können wir nicht mehr ins Gefecht, der Turm ist beschädigt.“

„Wissen wir“ antwortete einer „das Fahrzeug muss zur Instandhaltung, der Turm kommt runter, ein neuer drauf. Macht ihr euch eine gemütliche Tour Richtung in die große Werkstatt.“

„Ich bin der Kompaniechef, ich kann nicht nach Hause zuckeln und meine Männer kämpfen hier. Was ist mit den anderen Fahrzeugen?“

„Der da hatte einen leichten Motorbrand, wenn der Vergaser in Ordnung ist kann er fahren. Die Männer sind ausgebootet und wurden von einem MG erwischt.“

Beyer war hin- und hergerissen, einerseits war der Gedanke daran, die nächsten Tage in einer Kaserne zu verbringen verlockend, zum anderen hatte ihn das Gefecht auch erregt. Er wusste genau, dass Hartmann mit ihm und dem Funker bald wieder auf dem Gefechtsfeld sein würde. Zwei Stunden später steuerte Beyer den Panzer über das Gelände, schwarz aufsteigende Rußwolken deuteten auf abgeschossene Panzer hin, allein auf den ersten drei Kilometern zählte er sieben, alles Fahrzeuge ihrer Kompanie. Das Gefechtsfeld war mit den Leichen Gefallener bedeckt, deutsche Trupps waren dabei ihre zu bergen und nach hinten zu bringen. Der Gefechtslärm nahm zu und Hartmann hatte über Funk ein Bild von der Lage erhalten.

„Der Angriff steckt fest, unsere Leute liegen vor einem dichten Abwehrgürtel und kommen nicht weiter. Die Luftwaffe ist angefordert.“

Langsam rollte der Panzer vorwärts, sie hörten bereits den Abschussknall der Kanonen. Ungefähr 200 Meter vor ihnen erkannte Beyer die Fahrzeuge ihrer Kompanie, gedeckt und breit aufgefächert standen sie vor einem schützenden Hang.

„Chef ist wieder im Gefecht, nicht mit seinem Fahrzeug“ ließ Hartmann funken.

„Wie hoch sind die Verluste“ wollte er noch von seinem Stellvertreter wissen.

„8 Panzer vernichtet, 17 Männer gefallen, Anzahl der Verwundeten nicht bekannt, ebenfalls nicht die der beschädigten Fahrzeuge“ war die Antwort.

Hartmann biss sich auf die Lippen. Innerhalb einiger Stunden war ein großer Teil seiner Kompanie ausgefallen. Es schmerzte ihn, dass die Männer, die ihm vertraut waren bald irgendwo in der Nähe begraben werden würden. Natürlich war ihm auch bewusst, dass er den Familien Briefe schreiben und vom Tod der Söhne oder Ehemänner berichten musste. Als Panzersoldat lebte er ständig in der Gefahr, in einem brennenden Panzer zu sterben oder durch die Explosion des Fahrzeuges zerrissen zu werden. Dabei ging es nicht darum dass er sonderliche Angst davor verspürte, er hatte jedoch noch keine Vorstellung, wie er einer Ehefrau beibringen sollte, dass ihr Mann zu einem nicht mehr erkennbaren Klumpen verbrannten Fleisches zusammen gebacken war. Oder wie sollte er einer Mutter erklären, dass ihrem Sohn durch die Explosion im Inneren des Panzers die Arme abgerissen worden waren und er mit unvorstellbaren Schmerzen verblutete. Im Moment konzentrierte er sich aber darauf, einen Plan für den weiteren Angriff zu entwickeln. Dass ihren schwach gepanzerten Panzern durch die Panzerabwehrkanonen der Polen hohe Gefahr drohte wusste er genau, er verdrängte diesen Gedanken aber.

Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Sammelband 1

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