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Ostsee, September 1939

In der Morgenstunde zogen diesige Nebel über das Wasser und die auf dem Vorschiff angetretenen Männer fröstelten. Der I WO meldete die Besatzung vollständig angetreten und der Kaleun baute sich mürrisch vor der Reihe auf, der LI stand hinter ihm.

„Herhören, wir laufen heute zum ersten Mal aus. Das ganze Programm steht an, Test der Diesel, Prüfungstauchen und Fahrt mit E-Maschinen. Ich hoffe ihr seid gut vorbereitet, der Tommy tummelt sich im Kanal und ich hätte Lust, denen ein paar Aale zu spendieren. Na ja, geht noch nicht, erst wenn wir das Boot eingefahren haben geht es raus. Gebt euch Mühe, draußen wartet fette Beute. I WO, alle auf Stationen wegtreten lassen.“

Die Männer stiegen schnell durch den Turm und das Kombüseluk ein und eilten an ihre Plätze. Haberkorn ging mit Rau Schicht und wartete gespannt auf Anweisungen. Fern ab von der Zentrale und in einer Stahlröhre eingesperrt kämpfte er noch ab und an mit der Angst, bei einer Störung nicht schnell genug aus dem Boot herauskommen zu können. Dass der Druckkörper gerade einmal einen Zentimeter dick war schien ihm unwirklich, das Boot war für eine Tauchtiefe von 90 Metern vorgesehen. Plötzlich schrillte die Klingel und die Fahrtanzeiger ruckten auf kleine Fahrt. Rau spürte seine Aufgeregtheit und grinste ihm zu, beide starteten die Maschinen und als die Diesel losratterten und auf die Wellen geschaltet wurden setzte sich das Boot langsam in Bewegung. Haberkorn fühlte sich wie ein Maulwurf, denn von dem Geschehen außerhalb des Bootes bekam er nichts mit. Er wusste, dass der Kaleun, der Obersteuermann und die Ausgucks auf dem Turm waren und der Rudergänger Kursanweisungen erhielt, das Boot drehte sich und er ahnte, dass der Bug jetzt auf die Hafenausfahrt gerichtet war. Die Motoren liefen auf langsamer Fahrt und als große Fahrt angefordert wurde war ihm klar, dass sie die offene See erreicht hatten.

„Hier hinten musst du mit dem Körper fühlen“ brüllte ihm Rau ins Ohr „was die da vorn anstellen merken wir zuletzt, nur die Jungs von der E-Maschine sind noch weiter von der Zentrale weg. Bleib ruhig, du weißt was du zu tun hast.“

Haberkorn sah ihn dankbar an, es war nur eine Übung. Die Diesel ratterten zuverlässig und er kontrollierte die Abgastemperaturen der einzelnen Zylinder, beobachtete das Zucken der Ventilhebel und konnte keine Störungen erkennen. Rau hatte sich auf einem kleinen Hocker neben der Werkbank niedergelassen und schaute entspannt vor sich hin denn er wusste, dass der Kommandant gerade die Meile laufen ließ um die Geschwindigkeit zu bestimmen. Als volle Fahrt verlangt wurde pflügte das Boot noch schneller durch die See und Haberkorn spürte deutlich, wie der Bug auf den Wellen emporglitt und dann wieder in die See krachte. Eine Drehung nach Steuerbord beunruhigte ihn aber Rau brüllte ihm zu „jetzt wird Vollkreis gefahren, danach ist sicher Tauchen an der Reihe“ und er stellte sich darauf ein, den Motor zu stoppen. Die Arbeitsschritte waren ihm in Fleisch und Blut übergegangen, zumindest in der Theorie, jetzt kam es darauf an, alles richtig zu machen. Die Alarmklingel schrillte und er und Rau schlossen mit wirbelnden Bewegungen die Zuluftventile an der Decke, noch liefen die Diesel und das Boot neigte sich schon mit 20 Prozent Lastigkeit, die Tiefenrudergänger hatten ihre Druckknopfsteuerung für die vorderen und hinteren Tiefenruder betätigt. Der Raum kam immer mehr aus der Horizontalen und Haberkorn hielt sich an einem Rohr fest, als der Befehl zum Stoppen kam führte er alle Tätigkeit schnell und sicher aus, auf die Dichtheit der Abgasklappen achtete er besonders. Die plötzliche Stille war ungewohnt, jetzt arbeiteten die E-Maschinen und er und Rau hatten Pause. Das Boot kam langsam auf ebenen Kiel und glitt lautlos durch die Tiefe. Unverhofft zeigte der Bug stark abwärts und er fragte sich, ob dies zum normalen Prüfungstauchen gehörte, sein Herz schlug schneller und leichte Panik kam in ihm auf. Das Knistern des Rumpfes nahm zu und Rau schaute ihn spöttisch an, seine Hand deutete auf den Tiefenmesser, dieser zeigte 40 Meter an.

„Ich kenne den Alten“ sagte er „bin mit ihm schon auf einem Einbaum, also einem Typ II Boot gefahren, der wird jetzt schön langsam runter gehen und schauen ob alles dicht ist und funktioniert. Mach dir nicht in die Hose, wenn wir über 100 hinausgehen. Übrigens ist der Kaleun ein überlegter Mann der nicht mit dem Kopf durch die Wand will. Guter Taktiker, der geht nicht auf Teufel komm raus ran.“

Langsam rückte die Nadel weiter und das Knistern nahm zu, eigenartige Geräusche drangen durch das Boot, so als ob jemand von außen mit einer Feile über den Rumpf schlug. Besorgt behielt Haberkorn den Tiefenmesser im Auge und als 90 Meter durchgingen und die Abwärtsbewegung nicht stoppte ergriff ihn Unruhe. Rau saß scheinbar gelassen auf seinem Hocker, ab und zu richtete sich sein Blick aber gegen die Decke des Raumes. Die Vorderlastigkeit nahm nicht ab und bei 120 Metern dröhnte die Stahlröhre erschreckend. Als das Boot 140 Meter erreicht hatte richtete es sich wieder langsam auf und Haberkorn merkte, dass er die ganze Zeit mit aller Kraft ein Rohr umklammert hatte. Über das Hörrohr kam der Befehl „Fertigmachen zum Auftauchen“ und die Spannung ließ nach. Die E-Maschinen summten leise und das Boot stieg jetzt schnell, bei 20 Metern gab ihm Rau ein Zeichen sich bereitzuhalten. Es war deutlich zu vernehmen, dass das Boot die Wasseroberfläche durchbrach und die Diesel gingen wieder in Betrieb. Haberkorn war das erste Mal in für ihn unvorstellbarer Tiefe gewesen und er hatte seine Aufgaben ordentlich erfüllt, etwas wie Stolz durchzog ihn einer von denen zu sein, die so eine mächtige Maschine in Gang setzen konnten. Das Lärmschott öffnete sich und der Kaleun stieg behände in den Dieselraum, haute ihm die Hand auf die Schulter und brüllte ihm „gut gemacht“ ins Ohr bevor er in den Hecktorpedoraum weiterging. Haberkorn grinste Rau an und der zeigte ihm einen erhobenen Daumen, alles gut gelaufen sollte das bedeuten. Der Kaleun kam zurück und fragte Rau im Vorbeigehen „alles klar“ und dieser nickte nur. Beide konzentrierten sich jetzt auf die Maschinen und als der Befehl langsame Fahrt kam wussten sie, dass das Boot wieder in den Hafen einlief. Mit einem spürbaren Dreh richtete sich das Boot aus und wurde wenig später vertäut. Die Männer verließen die Maschine und traten an Deck an.

„Fürs erste gar nicht schlecht“ meinte der Kaleun „aber Übung macht den Meister. Morgen erneutes Auslaufen und Tieftauchversuch. Außerdem wird uns ein Fischkutter mal zum Spaß bisschen jagen. Also meine Herren vom Funk, morgen wird es für euch interessant. Für heute ist ab jetzt dienstfrei. Wegtreten.“

Die Männer gingen an Land, formierten sich und marschierten zu ihren Unterkünften, am Boot zog eine Patrouille auf.

Für Haberkorn war das ein guter Tag gewesen.

Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Sammelband 1

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