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Günther Weber, SS-Kompanie, Polen, September 1939

Weber kam langsam zur Besinnung, vor seinen Augen waren Panzersoldaten und eigene Kameraden gefallen, der erste Kampfeinsatz stand unter keinem guten Zeichen. Seine romantische Vorstellung von einem Gefecht war wie eine Seifenblase zerplatzt und die Wirklichkeit bewies ihm, dass Krieg schlimmer war als das heldenhafte Sterben in den Groschenromanen, in denen sich der Held furchtlos opferte. Vor seinen Augen stand das Bild des toten Panzersoldaten, den die Kugeln des polnischen MG ein zweites Mal getötet hatten. Dieser junge Mann war möglicherweise mit dem Gedanken in den Kampf gezogen, Mut zu zeigen und mit Auszeichnungen nach Hause zurück zu kehren. Vielleicht wartete ein Mädchen auf ihn, in jedem Falle die Eltern und die gesamte Familie und sie würden ihn entweder als Held feiern oder den Tag verfluchen, als er die Uniform anziehen musste. Weber verdrängte diese Überlegungen, er würde mit den Schrecken des Krieges klarkommen müssen.

Das Brummen von Flugzeugmotoren riss ihn aus dem Grübeln. Zwei Stuka begannen spiralenförmig an Höhe zu verlieren, dann gingen sie in den Sturzflug. Kurz darauf zerrissen Explosionen die angespannte Stille aber er sah die zweite Maschine wieder aufsteigen, die andere drehte ab. Als der Zugführer eine Leuchtkugel in die angenommene Richtung der polnischen PAK abfeuerte verstand er, der Pilot hatte das kleine Ziel nicht erkannt und jetzt gab es wenigstens eine Orientierungshilfe für ihn. Schnell verlor der Stuka an Höhe und wenig später schlugen die Bomben vielleicht 200 Meter von ihnen entfernt ein. Im gleichen Moment deutete der Zugführer mit schräg erhobenem Arm und geballter Faust auf die Böschung, die Männer mühten sich die Steigung hoch und als sie oben ankamen warfen sie sich Deckung suchend zu Boden. Weber hob vorsichtig den Kopf, über den MG Stellungen stand eine Wolke aus aufgewirbeltem Staub, rechts von ihm hörte er Schreie.

„Sprung auf, marsch“ rief der Zugführer, die Männer arbeiteten sich in zwei Gruppen an die Stellungen heran, immer wieder nach ein paar Schritten Deckung suchend. Weber gehörte zu denen, die sich der PAK Stellung näherten, jetzt konnte er den Bombenkrater sehen und als sie kein Abwehrfeuer empfing ging er mit dem Gewehr im Anschlag vorsichtig darauf zu. Das Rohr der PAK ragte gen Himmel, der Schutzschild war von den Splittern der Bomben zerrissen, er sah wie ein überdimensionales Sieb aus. Der Blick in die Stellung ließ sein Blut gefrieren, in einem einzigen Brei aus Körperteilen, Knochen und Blut lagen die Leichen der polnischen Soldaten, nichts, gar nichts mehr erinnerte daran, dass diese Masse vor wenigen Augenblicken Menschen gewesen waren, die wie er die Hoffnung gehabt hatten, diesen Kampf zu überleben. Er konnte den Brechreiz nicht unterdrücken und sein Mageninhalt entleerte sich spontan, anderen ging es genauso.

Plötzlich knatterte ein MG los und er ließ sich instinktiv zu Boden fallen. Die Gruppe, die sich auf die MG Stellung zu bewegte lag schon flach, die Salve war jedoch schlecht gezielt. Jetzt zahlte sich der Drill aus, während die Männer in der Mitte das Feuer mit ihren Gewehren erwiderten krochen jeweils zwei links und rechts aus dem Schussfeld, als sie sicher waren sprangen sie auf, stürmten ein Stück vorwärts und warfen Handgranaten in die Stellung. Zwei schwache, dumpfe Explosionen ertönten, dann war es still. Mit vorgehaltenen Waffen gingen die beiden auf die Stellung zu, dann gaben sie Winkzeichen. Die Männer kamen heran und sahen mehrere tote polnische Soldaten hinter den MG liegen. Einer lebte noch, er saß an die Grabenwand gelehnt und schaute sie mit geweiteten Augen an, sein Bein war an der Hüfte fast vollständig abgetrennt worden und das Blut schoss pulsierend aus der riesigen Wunde heraus.

„Haut ab“ blaffte der Zugführer, sie wandten sich zur Brücke ab und kurz danach peitschten Pistolenschüsse.

Der Zugführer holte sie ein, sein Gesicht war leichenblass. Weber wusste nicht, wie er gehandelt hätte. Das Leben des Mannes war verloren gewesen, sein Tod unausweichlich, vielleicht dämmerte er unter dem Schock langsam dahin solange das Blut aus ihm herausströmte, gut möglich, dass er furchtbar litt aber keine Kraft mehr hatte, das in Schmerzenslaute umzusetzen. So oder so, der Zugführer hatte eine Entscheidung getroffen, zu der er selbst nicht in der Lage gewesen wäre.

Vor ihnen standen die Panzer auf der Brücke und sein Blick blieb an den toten deutschen Soldaten hängen. Sanitäter waren herangekommen und versuchten die Männer aus den Panzern zu ziehen, aber die Hitze die von den Wracks ausging trieb sie zurück.

„Dalli, Zugmaschine vor, die Brücke muss frei werden“ schrie der Kompaniechef und rückwärts fahrend kam ein dreiachsiger LKW näher. Er stoppte vor den Panzern und Männer schlugen Stahlseile in die Abschleppösen des noch immer brennenden Panzers ein, der LKW fuhr an und Weber sah, dass der Körper des toten Kommandanten schon verkohlt am Turm festgebacken war. Ein Stück hinter der Brücke wurde der Panzer abgestellt, die Zugmaschine nahm den zweiten in Schlepp. Sie fuhr mit einem Ruck an und der tote Funker glitt in den Kampfraum zurück, der leblose Körper des Kommandanten, der aus dem Luk hing, pendelte bei jedem Gangwechsel der Zugmaschine wie eine Marionette mit, die man vom Führungsstab des Puppenspielers abgeschnitten hatte. Als die beiden Maschinen die Brücke verlassen hatten rollten Panzer auf die andere Seite, seitlich von ihnen bewegten sich die Infanteristen vorwärts Richtung Osten.

Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Sammelband 1

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