Читать книгу Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Sammelband 1 - Frank Hille - Страница 31

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Fred Beyer, Polen, September 1939

Nach sieben Tagen verließ Beyer das Lazarett, von Rita hatte er sich verabschiedet und sie sah ihm traurig nach, sie würden sich nie wiedersehen. Seine Hoffnung auf Heimaturlaub war enttäuscht worden, er sollte sich am 14. September bei seiner Kompanie einfinden, die Schreibstube des Lazaretts hatte seine Marschpapiere ausgestellt. Mit einem Kübelwagen wurde er zum Bahnhof gefahren „besonderer Service für unseren EK 1 Helden“ versuchte der Fahrer, ein Gefreiter, zu witzeln aber Beyer ging nicht darauf ein und dachte schweigend an die Nacht mit Rita. Bald würde sein Leben wieder auf der Kippe stehen und der Gedanke daran, in den verwundbaren Panzer II zu steigen rief Unbehagen hervor. Der Zug schaukelte ihn Richtung Weichsel, seine Kompanie lag 60 Kilometer entfernt vom Lazarett zur Auffrischung. Am Bahnhof des Ortes sah er eine Anzahl von Militärpolizisten an den Ausgängen, die Kettenschilder waren nicht zu übersehen und respektvoll kam er ihnen näher. Ganz anders als erwartet wiesen sie ihm freundlich den Weg und am Nachmittag erreichte er seine Truppe. Die Begrüßung war herzlich aber einige bekannte Gesichter fehlten.

„Wenzel, Krause, Lang, Baumann und Stollberg sind gefallen, Reumer, Backmann, Frenzel und Großmann im Lazarett“ informierte man ihn.

Jetzt, am 15. September standen sie zwei Wochen im Feld, seine Kompanie hatte vier Panzer und 7 Männer verloren. Gemessen an dem was die Wehrmacht bisher erreicht hatte schien das wenig, aber jeder einzelne Gefallene hatte seine Geschichte gehabt, seine Familie und vor allem die Hoffnung, nicht im Krieg zu bleiben. Allen war bewusst gewesen, dass sie nicht mehr auf Scheiben schießen würden sondern dass ihnen Männer gegenüberstanden, die ihre Heimat zu verteidigen wussten und sich wehren würden. Die Polen schlugen sich tapfer, waren aber hoffnungslos unterlegen, die deutsche Militärmaschinerie hatte bereits weit vor dem Kriegsausbruch Schwung genommen, um alles unter ihre Räder zu nehmen. Ein Zeichen dafür war, dass der Raum Warschau/Modlin nun fast vollständig geschlossen war, rund 120.000 polnische Soldaten steckten in der Falle. Beyers Einheit stand nordöstlich von Warschau, der Einsatzbefehl sah vor an die Weichsel vorzurücken. Was Beyer nicht wissen konnte war der Plan der Führung, den Kessel in zwei aufzuspalten, um die Polen weiter zu schwächen. Für den nächsten Morgen war der Weitermarsch angekündigt, stärkere Kräfte dürften ihnen eigentlich nicht im Weg stehen.

Als Beyer auf den Fahrersitz rutschte fühlte er sich für einen Moment wie gefangen, der Motor sprang an, das Fahrzeug setzte sich mit den anderen zusammen in Bewegung, er konnte wieder frei atmen. Dennoch wusste er nun ganz genau um die Verwundbarkeit des kleinen Panzers, die Entscheidung wie sie vorgingen würde jedoch der Kommandant treffen, ihm blieb lediglich, die Befehle auszuführen und zu seiner Besorgnis fuhren sie Spitze. In einer Reihe rollte die Kolonne über die Landstraße, Kradmaschinen überholten sie und die Infanteristen bewegten sich in den Straßengräben vorwärts. Alles schien friedlich aber durch den Sehschlitz erkannte er nicht weit vor ihnen aufsteigenden Rauch, sie näherten sich rasch der Stelle und die Panzerkolonne stoppte.

„Die Straße ist verstopft“ informierte sie Leutnant Hartmann, der Kommandant und Kompaniechef, durch die Bordsprechanlage. „Wir weichen über das Feld aus, Beyer von der Straße runter und parallel vorbei.“

Der Panzer ruckte nach rechts, überquerte den Straßengraben und seine Ketten pflügten den Acker gut 10 Meter neben der Straße um. Im Wesentlichen war seine Sichtmöglichkeit frontal ausgerichtet, nur schmale Sehschlitze erlaubten den Blick nach links und rechts, faktisch war er nahezu blind und musste sich auf Hartmann verlassen.

„Panzer halt“ kam es aus dem Kopfhörer.

Hartmanns Luke ging hoch und der Kommandant sprang zu Boden, auch Weber klappte den Deckel auf. Hartmann winkte ihm ein „Mitkommen“ zu und er schloss sich ihm an, auch die Männer der anderen Panzer waren ausgestiegen und näherten sich der Straße, nur die Funker blieben an Bord. Bereits jetzt konnte Weber erkennen, dass vor ihnen die Reste einer polnischen Einheit lagen.

Mehrere LKW schwelten noch vor sich hin, die deutschen Jagdflugzeuge hatten sich beim Angriff auf die ersten und letzten Fahrzeuge konzentriert, so war die Marschkolonne wie in einer Zange gefangen gewesen. Zwischen den Fahrzeugtrümmern lagen tote Pferde deren Leiber von Splittern aufgerissen waren, so dass die Eingeweide blutig aus den Bäuchen quollen. Überall waren gefallene polnische Soldaten zu sehen, die in der chaotisch anzusehen Szenerie wie Komparsen wirkten, die sich nach dem Ende des Aktes wieder erheben würden. Sie wirkten von fern unversehrt aber beim Näherkommen bemerkte Weber, dass die Splitter von Fliegerbomben einigen von ihnen Gliedmaßen abgetrennt hatten. Erstaunt stellte er fest, dass ihn dieses Bild nicht mehr sonderlich erschreckte, vielmehr schaute er sich er sich eher interessiert um. Nach seiner Schätzung war die Kolonne gut 500 Meter lang gewesen und möglicherweise war hier ein ganzes Regiment vernichtet worden. Er bewegte sich sorglos durch die Ansammlung zerstörten Technik und toter Menschen und Tiere und das auf der anderen Seite der Straße wogende Getreide und der Anblick von totaler Vernichtung und kamen ihm nicht unwirklich vor, es war halt Krieg. Seine Sorglosigkeit lag auch darin begründet, dass kein einziges polnisches Flugzeug am Himmel zu sehen war, wenn einige der alten Maschinen versuchten den Deutschen das Leben schwer zu machen wurden sie schnell das Opfer der wespenflinken Me 109. Es war ein ungleicher Kampf und Weber wusste nicht, ob er die polnischen Piloten bedauern sollte, die mit ihren lahmen Mühlen kämpfen mussten oder ob er so etwas wie Anerkennung aufbringen sollte, denn die Männer mussten wissen, wie ihre Chancen standen. Irgendjemand hatte fünf tote Polen in den Straßengraben geschleift, zwei junge Männer, die kaum älter waren als er waren dabei, die anderen zählten vielleicht um die vierzig. Eine Gruppe deutscher Soldaten betrachtete sie neugierig und Beyer konnte hören, dass die Männer Witze über die abgerissene Bekleidung der Toten machten, das schien ihm nicht passend, schnell ging er zu seinem Panzer zurück.

Hartmann stapfte über den Acker heran und auch die anderen Besatzungen kamen zu den Fahrzeugen zurück. Der Kommandant sprach mit dem Funker, der verneinte Besonderheiten, der Marsch konnte planmäßig weitergehen. Als sie die zerstörte Kolonne passiert hatten lenkte Beyer den Panzer wieder auf die Straße, jetzt kamen sie wieder zügig voran. Er wusste, dass die Aufklärung vor ihnen war, diese hatte keine Feindberührung gemeldet. Dennoch mussten sie irgendwann auf den Gegner stoßen und für ihn ergab sich die Frage ob die Polen genug Zeit gehabt hätten eine Abwehrfront aufzubauen, und 120.000 Soldaten stellten noch eine Macht dar, wenngleich die Anzahl der Geschütze und gepanzerten Fahrzeuge weit unter der der Deutschen lag.

Sie mussten ein Waldstück durchqueren und Beyer erfasste wieder ein bedrückendes Gefühl, er fühlte sich an seinen Abschuss erinnert. Die Panzer vergrößerten die Abstände und die Kommandanten beobachteten die Gegend aufmerksam, alle Luken waren geschlossen. Ihnen folgten LKW mit Infanterie. Als sie den Wald verließen und auf freies Gelände kamen atmete Beyer auf, der Abend nahte und sie hatten Befehl bis zu einem noch 15 Kilometer entfernten Ort vorzurücken und dann zu pausieren. Die kleine Ansiedlung schien menschenleer, nur einige alte Frauen standen vor den Häusern und schauten die Deutschen unfreundlich an. Der Kompaniechef gruppierte die Panzer in Form eines Igels, die Infanteristen ließen Streifen aufziehen und die Männer schlugen ihre Zelte auf. Fern hörten sie den Donner von Geschützen, Beyer konnte nicht abschätzen wie weit entfernt der Feuerkampf war, am nächsten Tag würden sie auf den Feind stoßen.

Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Sammelband 1

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