Читать книгу Eine Klassenfahrt und andere Desaster - Franka Abel - Страница 10
Anträge, Anträge, Anträge
ОглавлениеZurück zur Kostenübernahme für Klassenfahrten in meiner Klasse. Damit dies so funktioniert, fülle ich den dafür vorgesehenen Antrag mit den entsprechenden Angaben inzwischen eigenhändig aus, kopiere das Ganze mehrere Dutzend Mal, stemple und unterschreibe ihn und gebe die Formulare mit nach Hause, damit dort die privaten Daten ergänzt werden können und sich niemand selbst den Weg ins Sekretariat oder aufs Amt machen muss, um das unerlässliche Antragsformular zu besorgen. Es fehlten also der eigene Name, Adresse, eine Unterschrift und die Rechnungsnummer. Allein das erwies sich häufig schon als Herausforderung, obwohl ich diese ominöse Nummer auf jeder einzelnen Rechnung des Reiseveranstalters, die ich den Eltern gegen Unterschrift ausgehändigt hatte, vorab farbig markiert habe.
Ich kopiere immer gleich zwei Dutzend Anträge mehr, weil so ein Zettel ja schnell mal verschwindet. Ist weg, verlegt, habe ich gar nicht bekommen, wurde mitgewaschen, hat der Hund gefressen, hat der kleine Bruder zerknüllt/ zerrissen/ vollgesabbert ... Was auch immer, der Gründe gibt es viele. Die Anträge sind weg und es bedarf eines Ersatzes.
Die Einzahlungen verliefen wie zähes Verkehrsaufkommen zur Feierabendzeit auf der Stadtautobahn. Und Stadtautobahnen im Berufsverkehr kennt irgendwie jeder. Es kam, wie es immer kommt: nach dem letzten Einzahlungstermin fehlte Geld. Selbst am allerletzten Arbeitstag vor unserer Abreise fehlte beim Veranstalter die Einzahlung für eine komplette Reise. Die hat dann erst einmal die Schule übernommen.
Und das war ein ganz besonderer Fall. So oder ähnlich erlebe ich ihn aber bei jeder Klassenfahrt. In den meisten Fällen läuft die Zahlung der öffentlichen Zuschüsse für Klassenfahrten reibungslos, wenn die notwenigen Anträge komplett ausgefüllt werden und den zuständigen Bearbeiter rechtzeitig (!) erreichen. Wenige Tage danach werden in der Regel von den zuständigen Stellen die ersten Gelder auf das Klassenfahrtkonto überwiesen. Wenn das nicht passiert, fange ich an, Eltern und Schüler zu erinnern. Erst mündlich, dann schriftlich.
Die Anträge hatte ich im November mit nach Hause gegeben, im März, auf dem Weg in den Osterurlaub, schrieb ich die ersten Erinnerungsmails, da bei etlichen sogar die Anzahlung von 50 Euro, die Ende Dezember fällig gewesen wäre, noch offen war. Alle reagierten, alle gelobten schnellst mögliche Überweisung, zwei taten es wirklich. Im Mai schrieb ich die nächsten Erinnerungen. Letzter Zahlungstermin war der 31. Juli, also noch immer genug Zeit. Bis dahin trudelten dann auch Gelder ein und die meisten hatten die erwartete Summe auch ziemlich genau getroffen. Mal 50 Euro mehr, mal 7,20 Euro weniger, oder irgendetwas dazwischen. Nur für Elaha fehlte die komplette Summe. Die Familie hüllte sich in Schweigen, obwohl ich in den Sommerferien aus Irland weitere Erinnerungsmails schrieb. Ich blieb am Ball und klärte jetzt unverhohlen über rechtliche Konsequenzen auf.
Am 20. August, es war bereits wieder Schule, erhielt ich gruß- und kommentarlos über eine allseits bekannte Kommunikationsplattform, an dieser Stelle mal ein Hoch auf die modernen Umgangsformen, das Foto eines amtlichen Schreibens, in dem Frau E., Elahas Mutter, vom Jobcenter mitgeteilt wurde, dass ihr Antrag nicht bearbeitet werden konnte, weil Kreuze an falscher Stelle gesetzt seien und Sie bitte bis zum 18.8. einen neuen Antrag einreichen möge. Das Schreiben war vom 01. August. Wohlgemerkt, die Anträge sind alle Kopien des Ur-Antrages, den ich ausfülle und ganze 15 davon waren vom selben Amt schon anstandslos bearbeitet worden. Rechtzeitig in einem Zeitraum von 9 Monaten, vor Ablauf der Einzahlungsfrist. Die Frage an Frau E., ob denn ein neuer Antrag abgegeben worden sei, blieb unbeantwortet, auch wenn ich es mir denken konnte, ich hatte ja keinen unterschrieben. Also griff ich mir die Ich-weiß-nicht-wie-vielte-Kopie meines Ur-Antrages, füllte ihn mit Elaha aus, stempelte und unterschrieb ihn, bat um Unterschrift der Mutter und sofortige Abgabe beim Amt.
Nichts passierte. Ich schrieb eine weitere Erinnerungsmail und schloss mit der Bitte, mir irgendetwas zu bringen, in dem das Amt bestätigte, dass der Antrag abgegeben wurde und bearbeitet werde.
Nichts passierte und es war bereits Ende August. Am 10. September wollten wir fahren. Der Reiseveranstalter wurde unwillig und drohte mit Nichtaushändigung der Unterlagen. Ich rief im Jobcenter an, weil ich hoffte, man könne mir zumindest bestätigen, dass der Antrag eingegangen sei. Aber erstens erreicht man telefonisch nur eine zentrale Stelle irgendwo im Berliner Ämter-Nirvana, die gar nichts weiß und nur allgemeine Auskünfte erteilen kann und zweitens könne man mir aus Datenschutzgründen gar nichts sagen. Zum Elternabend ersuchte ich die Mutter dringend, mir die erbetene Bestätigung zu bringen.
Nichts passierte. Der Reiseveranstalter schickte trotz allem die Unterlagen, ich versprach „dran zu bleiben.“ Versuche, die Mutter noch einmal telefonisch zu erreichen schlugen fehl. Am 7. September, am Freitag vor unserer Abreise, wandte ich mich an die Schulleitung und bat darum, dass die Reisekosten vorerst durch die Schule übernommen werden. Der Schulleiter willigte anstandslos ein und wies die Überweisung sofort an.
Am selben Tag, kurze Zeit später, erhielt ich, auch diesmal gruß- und kommentarlos, ein weiteres Foto von Frau E. Die Bestätigung des Amtes:
„Frau E. hat am Freitag, 7. September 2018 … um 12:33 Uhr in der Eingangszone vorgesprochen. Der Antrag auf Kostenübernahme für die Klassenfahrt von Elaha 10.09. 2018 - 14.09.2018 in die Sächsische Schweiz wird heute, den 07.09.18 bearbeitet. Die Kosten von 259,00 Euro werden dann direkt an die Schule überwiesen.“
Halleluja. Das nenne ich mal rasantes Arbeiten und vollen Einsatz aller Beteiligten.
Und ich hatte noch Glück. Ich habe Kollegen, da beliefen sich die Fehlbeträge kurz vor der Fahrt noch auf über tausend Euro. Trotz aller Unterschriften im Voraus, ausgefüllter Anträge und rechtzeitiger Buchung. Wir fangen, geprägt durch jahrelange Erfahrung, häufig schon über ein Jahr vorher an, eine Klassenfahrt zu organisieren, damit alle genug Zeit haben, ihre finanziellen Belastungen zu planen und die Möglichkeit kleiner Ratenzahlungen besteht. Natürlich alles nach Absprache mit den Eltern.
Und im Übrigen werden die Klassenfahrtzeiträume für die 8. und 10.Klassen schon zu den Anmeldungsgesprächen zur 7.Klasse bekannt gegeben. Spätestens aber zum allerersten Elternabend in der 7. Klasse. Und trotzdem kommen sie jedes Mal genau so überraschend wie Weihnachten oder der eigene Geburtstag.
Was erwarten Eltern noch? Die Kinder sollen Spaß haben, die Unterkunft soll topp sein, die Verpflegung wie zu Hause oder zumindest wie in einem guten Hotel und für den Großteil meiner Schüler ohne Schweinefleisch, aber auch vegetarisch, laktosefrei, ohne Gluten und nur mit Fruchtzucker haben wir im Angebot. Und es gibt doch hoffentlich in der Unterkunft abends warmes Essen. Nicht wie bei den Deutschen nur belegtes Brot. Das kann mein Kind nicht essen.
Die einen sind, wie ich, gegen Handys, die anderen wollen ihr Kind jederzeit erreichen können. Aber das gute Stück darf nicht wegkommen. Können Sie die Handys nicht einsammeln und bei sich lagern und dann nachmittags rausgeben? Das lehne ich ab, weil ich nicht Geräte im Wert von mehreren zehntausend Euro bei mir lagern möchte.