Читать книгу Eine Klassenfahrt und andere Desaster - Franka Abel - Страница 14
Geteiltes Leid ist halbes Leid
Оглавление„Oh, da kommt ja die dritte Klasse ihrer Schule. Wie war ihre Fahrt?“ Die Schwester lächelte mich an. Ich war irritiert. Die dritte Klasse unserer Schule? Ich hatte auf der Dienstberatung, auf der mehrere Kollegen der Oberstufe, genau wie ich kurz vor Fahrtantritt noch verzweifelt Begleitung suchten, am Rande mitbekommen, dass zwei 11. Klassen ihre Kursfahrt auch in die Sächsische Schweiz gebucht hatten. Sollten die tatsächlich im selben Objekt gelandet sein? Ja, tatsächlich. Ich sah es Schwarz auf Weiß. Also auch nicht im Ausland. Tatsächlich gab es auch in meinem eigenen Jahrgang und wir sind immerhin sechszügig, genau eine Klasse, die nach Italien an den Gardasee gefahren ist. Der Rest war, genau wie wir, in Deutschland unterwegs. Aber egal, welche Klasse man befragte, es hieß immer: “Alle anderen fahren ins Ausland. Nur wir nicht!“
An unserer Schule leisten wir uns den Luxus, zwei Klassenleiter pro Klasse zu haben. Geteilte Arbeit ist halbe Arbeit. Vier Augen sehen besser, als zwei... Soweit die Theorie. Mein Kollege hatte mir auf nachdrückliches Nachfragen nach den großen Ferien, also drei Wochen vor Fahrtantritt mitgeteilt, dass er nicht mitkommt. Kann man ihn ja auch nicht zu zwingen. Leider hatte er aber für sich auch keinen Ersatzspieler gesucht und jetzt wurde es eng, da alle 8. und alle 10. Klassen, sowie diverse Oberstufenkurse gleichzeitig auf Fahrt gehen würden. Demzufolge war die verfügbare Personaldecke bedenklich ausgedünnt. Man könnte sagen: Hauchzart. Ich inspizierte insgeheim die anwesenden männlichen Kollegen.
Ich brauchte dringend einen männlichen Begleiter. Das war mir klar, denn ich kannte meine pubertierenden, halbstarken türkischen und arabischen Jungs. Moment. Ich möchte schon auf Vollständigkeit achten. Es gibt auch einen deutschen und einen bulgarischen Jungen. Zwei meiner Jungs bezeichnen ihre Herkunft als libanesische Kurden aus der Türkei. Mit einer jungen, blonden Referendarin, frisch von der Uni, die gerne erst einmal als gute Freundin starten möchte, hätte ich schwere Bedenken gehabt und ich wollte, falls es zu größeren Zwischenfällen kam, als Frau auch nicht des Nächtens in ihre Zimmer stürmen müssen. Referendare, Quereinsteiger, neue und bekannte Kollegen, wer würde mich begleiten können und wollen? Und mit wem wollte ich fünf 24-Stunden-Schichten schieben? Mit wem würde ich mir nicht nach drei Tagen die Augen auskratzen, weil jeder etwas anderes sagt? Bei 160 Kollegen kennt man nur wenige gut genug.
Mein Blick fiel auf Falk. Vollständig: Falk Neumann. Zumindest kannten wir uns aus dem Unterricht in seiner Klasse. Da war ich eine Zeit lang als Zweitlehrer eingesetzt. Ruhiger, konsequenter Typ, sportlich, ziemlich entspannt und ich wusste, dass er begeisterter Kletterer war. Perfekte Besetzung. Nach einigem Hin und Her und diversen Überredungs- und Bestechungsversuchen meinerseits, entschied er sich tatsächlich mitzukommen, wenn wir seine dreijährige Tochter mitnehmen können. Die hätte sonst nicht betreut werden können. Also buchten wir Unterkunft und Verpflegung für sie nach und fuhren zusammen auf Klassenfahrt. Ich wusste, dass das alles andere als eine optimale Lösung war, aber es war die einzige Lösung, die ich so schnell noch aus dem Hut zaubern konnte.