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Keine Jungs auf Mädchenzimmern

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Nach kurzer Einweisung und einigen Terminabsprachen an der Rezeption konnten die Zimmer bezogen werden. Wir hatten ein ganzes Haus für uns allein. Zwei Appartements für die Jungs, zwei weitere im Stockwerk darüber für die Mädchen. Jeweils mit einem eigenen Bad, Teeküche mit Kühlschrank und Mikrowelle auf der Etage. Ein Traum.

Ich sperrte die obere Etage für die Jungs. Ich hatte keine Ambitionen, mich später mit muslimischen Eltern, Brüdern oder Cousins auseinander setzen zu müssen, weil selbige mit gegenseitigen Besuchen der verschiedenen Geschlechter nicht einverstanden waren. Zu gut erinnerte ich mich an einen noch nicht langen zurück liegenden Zwischenfall auf dem Schulhof. In einer großen Pause war ein nicht sehr großer Knabe auf den Schulhof marschiert, hatte sich vor einem meiner Schüler aufgebaut, der ihn an Breite und Höhe deutlich überragte und ehe jemand wusste, was geschah oder wie es dazu kam, hatte das Rumpelstilzchen angefangen auf ihn einzuprügeln. Und noch bevor die aufsichtsführende Kollegin am Ort des Geschehens war, hatte sich der Junge wieder verzogen. Aber er hatte, wie man so schön sagt, Eindruck hinterlassen. Und ganz offensichtlich war bekannt, mit wem man sich da eingelassen hatte.

Kadir wurde ins Sekretariat begleitet, Eispads wurden auf sein anschwellendes Auge gelegt, die Polizei verständigt und eine erste Befragung eingeleitet. Inzwischen wurde ich als Klassenlehrerin verständigt und traf kurz danach auch im Sekretariat ein. Aus Kadir war nichts heraus zu bekommen. Er kennt niemanden, er weiß nichts, es ist nichts passiert. Die Polizei wusste inzwischen mehr. Sie kannte den prügelnden Knaben. Woher weiß ich nicht. Wahrscheinlich kannten ihn Schüler. Und trotz allem blieb Kadir bei: „Ich kenne niemanden, ich weiß nichts, es ist nichts passiert.“

Sein Auge schwoll beeindruckend an, verfärbte sich zusehends in ein optimistisches Dunkelblau, aber es war nichts passiert.

Die Schwester des Prügelknaben geht in meine Klasse. Ein sehr stilles, fleißiges und ausgesprochen sympathisches arabisches Mädchen, den Blick meist gesenkt, bildschön. Der große Bruder, eine Klasse höher, hat einen Namen in der Schule. Sein stetiger Begleiter heißt ÄRGER. Nicht sehr groß, nicht sehr breit, hat aber seine Schleppenträger gut im Griff. Und genug Leute, die er per Anruf vor die Schule bestellen kann. Ich hatte ihn einmal bei einem Schulfest in Aktion erlebt. Binnen Minuten hatte er an die 25 Leute zusammengetrommelt. Seine Eltern bringen ihn regelmäßig als Dolmetscher zu den Lernentwicklungsgesprächen ihrer Tochter Elaha mit. Regelmäßig sorge ich für arabisch sprechenden Ersatz und setze ihn solange vor die Tür.

Nachmittags rief mich Kadirs Mutter an. Sie konnte nach langer und eindringlicher Befragung ihres Sohnes die Geschehnisse aufklären. Kadir hatte einige Tage zuvor mit Elaha, der Schwester des Prügelknaben telefoniert, weil er Fragen zu Hausaufgaben hatte. Und das musste geahndet werden. Also war der kleine Bruder in einer ausreichend großen Pause von seiner eigenen Schule losmarschiert, um an Kadir ein eindeutiges Exempel zu statuieren. Kadirs Mutter bat die Familie daraufhin um ein klärendes Gespräch. Die Familie hatte keine Zeit.

Aus diesem Grund hatten die Jungs im oberen Stockwerk striktes Zutrittsverbot.


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