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Vorwort

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Als ich mich dafür entschied Lehrerin zu werden, stand ich gerade im Blau-Hemd auf dem Fahnenappell und erfuhr, welche Klasse die meisten Altstoffe gesammelt hatte. So, jetzt weiß auch jeder gleich, wo ich herkomme.

Damals hatten wir auch am Samstag Schule. Vier Stunden, dafür hatten wir in der Woche höchstens mal bis zur 7. Stunde, aber das war eher selten und dann hatten wir frei. Wenn einer geschwänzt hat, wurde im Betrieb der Eltern angerufen. Das war einfacher, weil zu Hause kaum jemand ein Telefon hatte. Und wenn man aus der Schule nach Hause kam, hatte man immer erst einmal sturmfrei, weil die Eltern noch arbeiten waren, es sei denn, sie haben Schicht gearbeitet. Die Mutter von Kathrin war Hausfrau, das fanden wir alle ungemein exotisch, außer Kathrin, die wiederum hat uns „Normale“ beneidet.

Dinge wie Internet, Google oder Privatfernsehen kannten wir nicht mal aus dem Westen. Gabs halt noch gar nicht. Dafür kannten wir noch Telefonbücher, Rechenschieber und Gummihopse.

In der Schule hatten wir Russisch und wenn man wollte, konnte man noch Englisch oder an manchen Schulen sogar Französisch dazu wählen.

Auf dem Zeugnis gab es die sogenannten Kopfnoten. Betragen, Fleiß, Mitarbeit und Ordnung. In Ordnung hatte ich nie eine Eins. In Betragen schon eher mal.

Die Bildungsministerin hieß Margot und hatte blaue Haare und da sie den Job 26 Jahre lang innehatte, kannte sie auch jeder. Gemeinsam mit ihrem Mann wohnte sie mit den anderen Politikern, die auch jeder kannte, in einer großen WG. Nicht, weil sie, wie viele Leute heute, Miete sparen wollten, sondern weil irgendwie sonst niemand mit ihnen zusammenleben wollte.

Das ist jetzt mehr als 35 Jahre her. Ich bin tatsächlich Lehrerin geworden. Inzwischen spreche ich mehr Türkisch als Russisch, kenne mich bestens mit Datenschutz aus und weiß, dass man den Begriff Hausaufgaben an Ganztagsschulen nicht mehr verwendet, die heißen bei uns jetzt Arbeits- und Übungsaufgaben und werden in der Schule gemacht. Oder oft auch gar nicht, aber das ist ein ganz anderes Problem. Lehrer heißen jetzt Lehrende und Schüler Lernende. Ich nenne sie trotzdem noch meine Schüler. Als meine Lernenden sind sie mir irgendwie zu weit weg. Und hier ein Wort an meine Schüler: Auch wenn ihr mich oft an meine Grenzen bringt: Ich habe Euch auch lieb!

Viele Dinge haben sich in diesen 35 Jahren geändert. Zum Beispiel stehen in meinem Arbeitsregal 14 verschiedene Mathematiklehrbücher für ein und dieselbe Klassenstufe. Alle aus demselben Bundesland. Es sind so viele Reformen über mich hinweg gerollt, dass ich manchmal gar nicht mehr aufstehen wollte, weil ich wusste, dass gleich die nächste Welle kommt.

Was daran gut oder schlecht war und ist, sieht jeder Einzelne anders. Schüler, Eltern, Lehrer, Politiker, Schulbuchverlage, Ausbilder…die Liste ist lang. Für niemanden möchte ich hier sprechen, außer für mich selbst.

Ich berichte von meinen Erfahrungen, meinen Erlebnissen, meinen Bedenken, Gefühlen, Ängsten und Erfolgen. Ich habe nichts erfunden, aber vielleicht, wenn auch unbeabsichtigt, etwas verdreht. Jeder sieht die Dinge nun einmal anders. Wenn Sie dieses Buch also lesen und vielleicht etwas davon weitererzählen, dann sagen Sie bitte nicht: „In Neukölln ist das so“, sondern: „In Neukölln gibt es eine Lehrerin, die Frau Abel, die hat das so erlebt.“



Eine Klassenfahrt und andere Desaster

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