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Die griechische Freiheit

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Der Schlußsatz des kommentierten 8. Kapitels des Johannesevangeliums ist: Jesus aber verbarg sich und ging aus dem Tempel (Joh 8,59). Dieses Herausgehen aus dem Tempel ist sicher nicht nur geographisch gemeint. Mit dieser ganzen Szene des 8. Kapitel verläßt Jesus tatsächlich den Tempel. Johannes hat dies vorbereitet. Im Gespräch mit der Samaritanerin hatte er bereits gesagt:

“Glaube mir Frau, es kommt die Stunde, wo ihr weder auf diesem Berge noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet. Ihr betet an was ihr nicht kennt; wir beten an, was wir kennen, denn das Heil kommt aus den Juden. Aber es kommt die Stunde, und sie ist jetzt da, wo die wahren Anbeter den Vater im Geist und in der Wahrheit anbeten werden. Denn der Vater sucht solche Anbeter. Gott ist Geist, und die anbeten, müssen im Geist und in der Wahrheit anbeten.” (Joh 4 ,21-24)

Hier ist immer die Wahrheit ein Weg, der dann im 8. Kapitel durch das Nein zum Töten erläutert wird. Indem dieses aber jetzt den Gläubigen als Sohn Abrahams ausweist, tritt Jesus tatsächlich aus dem Tempel heraus, zu dem man als Nachkomme Abrahams dem Gesetze nach gehört. Die ganze Szene ist ein Heraustreten aus dem Tempel, wodurch jetzt eine neue Sohnschaft des Abraham behauptet wird, die sich von den Werken Abrahams herleitet und nicht aus der Nachkommenschaft.

Tritt allerdings Jesus aus dem Tempel heraus, so hört der Konflikt um die Freiheit durch Gesetz nicht auf.

Tatsächlich sprechen die Gläubigen, mit denen Jesus in Konflikt tritt, eine merkwürdige Sprache. Sie sagen: Wir sind Nachkommen Abrahams und nie jemandes Sklaven gewesen (Joh, 8,33). Das ist sicher keine besonders jüdische Art zu sprechen. Für die jüdische Tradition ist vielmehr typisch, davon zu sprechen, daß man Sklave gewesen ist in Egypten und von Gott durch den Exodus befreit wurde. Zu sagen, man sei nie Sklave gewesen, ist griechisch und römisch. Dies behaupten die Söhne der polis und der römischen Republik.

Tatsächlich spielt hier bereits dieser griechisch-römische Freiheitsbegriff eine Rolle, für den das Zeichen der Freiheit ist, Sklaven zu haben und nicht Sklave zu sein. In der Iphigenie von Euripides finden wir diesen Begriff der Freiheit. Gemäß Euripides drückt ihn Iphigenie selbst aus. Sie tut dies, nachdem ihr Vater, Agamemnon, sie dazu bestimmt hatte, der Göttin geopfert zu werden, um damit den Sieg des griechischen Heeres im Krieg gegen Troja zu sichern. Die Mutter Iphigenies widersetzt sich der Opferung ihrer Tochter, aber gegen sie nimmt Iphigenie das Opfer auf sich und stellt sich auf die Seite ihres Vater in seinem Willen, sie zu opfern:

“Höret meine Worte an, Mutter; ohne Grund ja grollst du, wie ich sehe, deinem Mann. ... Aber du mußt auch verhüten, daß das Griechenheer ihn haßt... Sterben muß ich unabwendbar und vollenden will ich es auch mit Ruhm, unedle Regung tilgend aus der edlen Brust.... Mir hat Hellas’ ganzes großes Volk die Blicke zugewandt, und auf mir ruht seiner Schiffe Fahrt und Trojas Untergang; ...

All dies Heil werd ich erringen, wenn ich sterbe, und mein Ruhm wird unsterblich weiterleben, daß ich Hellas' Volk befreit. Denn warum sollt’ auch das Leben mir vor allem teuer sein? Allen hast du mich geboren, allem Volk, nicht dir allein.... Sollte da mein einzig Leben alledem im Wege sein? ...

Dieses einen Mannes Leben wiegt ja tausend Frauen auf. Und wofern als blutend Opfer Artemis mein Leben will, soll ich ihr entgegentreten, Göttern ich, die Sterbliche? Nein! Unmöglich! Hellas geb ich meinen Leib zum Opfer hin. Tötet mich, verwüstet Troya ... Den Hellenen sei der Fremdling untertan, doch, Mutter, nie fröne Hellas' Volk den Fremden; Knechte sind sie, Freie wir!”14

Sicher, das “ nie jemandes Sklave” gewesen zu sein hat sich hier verwandelt in das “Knechte sind sie, Freie wir”. Hier wird ganz unmittelbarund offen die Freiheit als Mord ausgedrückt, und dieser Mord dann mit dem Selbstmord verknüpft. Alles dies wird von Euripies, einem Mann, einer Frau in den Mund gelegt: Dieses einen Mannes Leben wiegt ja tausend Frauen auf. Das alles aber ist Erfülung eines Gesetzes. Iphigenie selbst besteht darauf, daß sie in Erfüllung eines gerchten Gesetzes stirbt, das von der Göttin gegeben wurde.

Wenn also Jesus aus dem Tempel geht, so steht er jetzt dieser Freiheit durch Gesetz gegenüber, aber ebenso der römischen Freiheit. In der Szene des Johannesevangeliums ist dies impliziert. Nimmt man dies in Betracht, so bekommt der Aufruf Jesu, sich zu befreien, eine universale Bedeutung, die tatsächlich über den Tempel hinausgeht. Man versteht dann, daß aus der Sicht Jesu auch diese Freiheit den Teufel zum Vater hat, aber ebenso daß Jesus, von der Sicht dieser Freiheit durch Gesetz her, von einem Dämon besessen erscheint.

Es gibt keine Freie Welt. Jede Welt, die behauptet, durch Gesetz und Institution eine Freie Welt zu sein, ist eine Form der Sklaverei. Dennoch ist es möglixh, sich zu befreien, so wie Abraham sich befreite. Dies ist was dem Evangelium des Johannes gemäß die Botschaft Jesu ist. Von diesem Gemälde aus, das Johannes von seinem Dorf malt, wird die Dimension einer zukünftigen Geschichte sichtbar, die in dieser Freien Welt seiner Zeit angelegt ist.

Der Schrei des Subjekts

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