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Elf

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„Ach du stelzende Giraffe, was machst du denn hier?“, fragte Horst.

„Ich bin gerade aus eurer Beschwerdeabteilung getürmt“, sagte Max.

„Wie du auch?“, fragte Horst. „Du in der Beschwerdeabteilung?“

Horst Krock und Max Berger kannten sich nicht nur schon lange, kein Wunder, aber Mutter aller Wunder sie respektierten einander sogar. Für Max kam Horst der Anständigkeit immerhin näher, als er es jemals bei einem Journalisten für möglich gehalten hätte, denn Journalisten verkauften, wenn man es auf den schlichten Punkt brachte, Eitelkeiten, Sensationen, Halbwahrheiten und ganze Lügen. Max mochte Horst wegen seiner Abscheu vor der Mode des Paparazzi-Journalismus.

Horst, ganz in der Schopenhauerschen Tradition lebend, konnte eigentlich keinen Menschen leiden, Max Berger verachtete er zumindest nicht. Sie hatten, jeder auf seine Weise, an diesem Vergewaltigungsfall gearbeitet. Krock hatte sich auf die Seite des Angeklagten geschlagen, ganz intuitiv oder eben auch nur, weil er eigentlich doch ein chauvinistisches männliches Schwein war. Das bisschen Meinung, das Krock in seiner Prozessberichterstattung beeinflussen konnte, hätte dem Kerl allerdings auch nicht geholfen, wäre Max Berger nicht gewesen.

Max hatte sich als Kind einen Spaß daraus gemacht, alles, was er erzählte rückwärts zu erzählen. Wurde er in der Schule aufgefordert, das Märchen vom Rotkäppchen zu erzählen, dann wurde der Wolf aufgeschlitzt, die Großmutter aus dem Bauch gezogen, der schlafende Wolf, die Ankunft Rotkäppchens und schließlich kam das Verschlingen der Großmutter und Rotkäppchens Weg durch den Wald.

Im Laufe der Jahre und wegen tausendfacher Übung musste Max Berger sich anstrengen, eine Geschichte vorwärts zu erzählen. Aus Spaß hatte er Kollegen aufgefordert, sie möchten ihm ihre Erlebnisse, doch rückwärts erzählen, was den meisten recht gut gelang, wenn sie von etwas wirklich Erlebtem berichteten. Aber irgendwann hatte er bemerkt, dass Menschen, die eine Geschichte erfanden, große Schwierigkeiten hatten, die Geschichte auch rückwärts zu erzählen. War etwas wirklich geschehen, hatten sie kaum Probleme damit, aber das Stottern setzte immer dann ein, wenn sie versuchten, rückwärts zu lügen.

So hatte er einem armen Schwein helfen können, das von der eifersüchtigen Freundin wegen Vergewaltigung angeklagt worden war. Aufgefordert den Verlauf der Vergewaltigung rückwärts zu erzählen, verwickelte sie sich in Widersprüche und Unwahrscheinlichkeiten, sodass ihr Lügengespinst zerriss und der Beschuldigte freigesprochen werden konnte. Davon war Horst Krock so beeindruckt, dass er für Max Berger fast so etwas wie Achtung empfand.

Horst war erfreut, dass Max die Untersuchung der Lehrermorde leitete. Als er von dem Telefongespräch mit dem Fanatiker erzählte, verschwand Max’ Lächeln.

„Er hat dir wirklich all die Details gegeben? Ich meine, wenn der Polizeipräsident dir ohne mein Wissen das alles… Ich will mal sagen, ihr Schreiberlinge habt eine nervöse Phantasie - du könntest dir das eingebil...“

„Ich brauchte mir nichts auszudenken. Dieser Typ wusste alles darüber. Das war er, Max. Das war kein Bluffer.“

„Gut, gut! Schau, wir haben allen Lehrern in Paderborn eine Warnung geschickt auf der Hut zu sein. Was sonst sollen wir tun?“

„Tee trinken.“

„Und Horst, kannst du mir einen Gefallen tun? Ich weiß, das ist eine große Geschichte für dich, aber bring bitte nichts über den angekündigten Mord, okay?“

„Tja, wie du sagst, ist Gold wert.“

„Damit machst du unsere Arbeit kaputt.“

„Aber meine leichter“, sagte Horst.

„Was willst du?“

„Entwicklungen, Erkenntnisse exklusiv“, sagte Horst.

„Gut, bekommst du.“

Als Horst sich umdrehte, grinste er. Wirklich, er wünschte niemandem einen Mord an den Hals, nicht einmal Lehrern. Auf der anderen Seite war dies die brutalste Geschichte seit Jahren. Und es ließ ihn nicht kalt, dass die Entwicklung gewisse weitere Vorteile barg.

Die letzte Lektion

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