Читать книгу Kinder der Dunkelheit - Gabriele Ketterl - Страница 14

4.

Оглавление

Erst gegen Morgen schlummerte Mohammed ein. Er mochte nicht mehr als zwei oder drei Stunden geschlafen haben, als ihn der Lärm im Haus weckte. Schlaftrunken kämpfte er sich aus dem Bett und ging unsicheren Schrittes auf den Balkon. Vater hatte seine Pläne bereits in die Tat umgesetzt und so standen im Hof eine Menge Reisekisten, die von Dienern sorgsam auf die großen Transportkutschen gehoben wurden.

Fathi überwachte das Beladen der Wagen und gab fortwährend auf die ihm eigene, besonnene Art Anweisungen.

Die Endgültigkeit dessen, was er da sah, stimmte Mohammed traurig. Rasch ging er zurück ins Gemach, wusch sich und kleidete sich an. Kaum war er draußen, überfiel ihn die hektische Betriebsamkeit wie eine Flutwelle. Asma rannte zwischen den eifrig Arbeitenden herum und brachte ihre Spielsachen in Sicherheit.

»Das muss alles mit, ohne meine Sachen gehe ich hier nicht weg!«

Mohammed hörte seine Mutter in einem Nebenzimmer seufzen, aber wie nicht anders zu erwarten, wurden die Wünsche der Jüngsten erfüllt und diverse Schätze wie ihre von befreundeten Künstlern extra angefertigten Märchenbücher ebenfalls verstaut.

Ridhas Diener, gefolgt von ihm, brachten sein Gepäck in den Hof. Mohammed konnte die tiefe Traurigkeit in den Augen seines jungen Bruders sehen. Der Schöngeist der Familie hatte gemeinsam mit seiner Mutter große Teile der herrlichen Gärten entworfen, Brunnen gezeichnet und dann mit den Baumeistern gekonnt umgesetzt. Kein Wunder, dass ihm der Abschied schwerfiel.

Mohammed atmete tief durch und ging zu seiner Mutter, die mit strengen Augen die Verpackung der wertvollsten Kunstwerke überwachte.

»Guten Morgen, Māmā. Ich wusste nicht, dass es so schnell gehen muss. Ihr seid ja fast fertig für den Aufbruch.« Er zog seine Mutter in die Arme und küsste sie liebevoll auf die Wangen. Die sonst so glänzende karamellfarbene Haut seiner Mutter wirkte heute blass, sie sah müde aus. Immerhin gelang ihr ein Lächeln beim Anblick ihres Erstgeborenen.

»Ja, dein Vater hat beunruhigende Nachrichten aus Toledo erhalten. Achmad und seine Familie sind auf ihrer Reise nach Cordoba spurlos verschwunden. Sie wollten gemeinsam mit ihren Kindern al Andalus verlassen. Nur zwei Tage, nachdem sie verschwunden waren, ging ihr Hab und Gut an die Kirche über. Du weißt, was das bedeutet, mein Sohn? Es ist noch nicht vorbei! Selbst du kannst nicht die Augen davor verschließen, wie skrupellos die Christen vorgehen, sobald es um deren persönlichen Vorteil geht! Und sie wollen uns nicht mehr haben, sie haben abgewartet, bis das Land blüht, und wollen jetzt ernten.«

Mohammed schüttelte tief erschüttert den Kopf. Er hatte die Familie von Kindesbeinen an gekannt, mit deren Sprösslingen gespielt, und nun sollten sie … nein, er wollte sich nicht vorstellen, was mit ihnen geschehen sein musste! Endlich wurde ihm bewusst, wie bedrohlich die Lage tatsächlich war. »Ummi, Mutter, hab keine Angst! Wir werden dieses Land verlassen, und zwar schnell. Ich werde alles daransetzen, dass ich bei euch sein kann.«

Das Gesicht seiner Mutter entspannte sich ein wenig bei dieser Ankündigung. »Das ist eine weise Entscheidung, mein Sohn. Unsere Zukunft liegt nicht mehr hier. Ich bin so froh, dass du dich anders entschieden hast.«

Angesichts der sichtlichen Erleichterung seiner Mutter brachte Mohammed es nicht übers Herz, ihr zu sagen, dass er erst dann mitkommen würde, sobald er Ana überzeugt hatte, ihm zu folgen.

Er nahm seine Mutter noch einmal in den Arm und erklärte, er würde jetzt auch packen lassen. Auf dem Weg in seine Gemächer zerbrach er sich den Kopf, wie er am schnellsten zu Ana Kontakt aufnehmen könnte. Die Zeit wurde knapp.

Kinder der Dunkelheit

Подняться наверх