Читать книгу Kinder der Dunkelheit - Gabriele Ketterl - Страница 18
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Fathi stutzte zuerst, dann eilte er auf das große Tor des Anwesens zu. »Wer bist du und was willst du hier?«, herrschte er das zarte, junge Mädchen an, das verängstigt zurückwich.
»Verzeiht mir, Herr, doch ich darf nur mit dem Herrn Mohammed al Hassarin sprechen. Es ist mir verboten, meine Nachricht jemand anderem zu überbringen.«
Fathi sah das Mädchen misstrauisch an. Sein Vertrauen in die Christen war mit all seinen Landsleuten gestorben, die niedergemetzelt worden waren. Daher war es nicht verwunderlich, dass sein Argwohn auch vor diesem halben Kind nicht haltmachte. »Ich frage dich noch einmal: Wer bist du und in wessen Auftrag kommst du?«
»Mein Name ist Teresa. Ich bin die Zofe von Herzogin Ana, sie schickt mich. Bitte, Herr, es geht um Leben und Tod.«
Fathi zögerte kurz, doch da er von der Verbindung des ältesten Sohnes seines Herrn zu der schönen Herzogin Ana wusste, überwand er sich und ließ das Mädchen durch. Was konnte so ein kleines Ding schon an Schaden anrichten? Er wies Netta den Weg zu den Gemächern Mohammeds.
Während die Kleine durch die Flure lief und dann die Treppe hinaufeilte, kam sie an zahlreichen Menschen vorbei, von denen jeder ein Lächeln für sie übrig hatte. Eine kalte Faust begann, Nettas Herz zusammenzudrücken, und diese hatte mehr Kraft, als Netta sich jemals hätte vorstellen können. Als sie vor Mohammed al Hassarins Tür stand, fiel es ihr unsagbar schwer, die Hand zu heben und zu klopfen. Als sie es endlich getan hatte, erklang von drinnen die tiefe, warme Stimme eines Mannes.
»Ja, wer ist da?«
Netta drückte zaghaft die Türe auf. »Ich bin es, Herr, Teresa, darf ich eintreten?«
»Ja, komm doch herein. Kenne ich dich?«
Netta hob leicht den Kopf und sah Mohammed al Hassarin zum ersten Mal aus der Nähe. Sie hatte ihn oft in der Stadt erblickt, doch immer nur von Weitem oder im raschen Galopp an ihr vorbeireitend. Seine Schönheit war unter den Frauen, edlen Damen wie Dienerinnen gleichsam, stets das beliebteste Gesprächsthema. Nun stand er direkt vor ihr und Netta konnte kaum mehr atmen. Die langen, fast schwarzen Locken fielen ihm bis weit über die Schultern, sein Gesicht war von genau diesem warmen Braunton, wie die anderen gesagt hatten, und die großen mandelförmigen Augen waren fast schwarz – so warm und freundlich! Als er sie anlächelte und näher kam, hätte sie sich ihm am liebsten zu Füßen geworfen, doch der Don würde keine Gnade zeigen, wenn sie einen Fehler beging.
Das Sprechen fiel ihr schwer. »Herr, Donna Ana, meine Herrin, schickt mich. Ich habe Euch eine Nachricht zu überbringen, die von größter Wichtigkeit ist. Donna Ana hat ihre Entscheidung getroffen. Sie wird mit Euch kommen, doch Ihr sollt größte Vorsicht walten lassen. Es ist unbedingt notwendig, dass Ihr das tut, worum meine Herrin Euch bittet. Sie belauschte am heutigen Morgen ein Gespräch zwischen Don Ricardo und ihrem Vater, wobei sie hörte, dass der Don Euch und Eure Familie in einen Hinterhalt zu locken gedenkt. Später am Nachmittag wird Don Ricardo einen Boten zu Euch senden, einen Eurer eigenen Männer, der Euch warnen und auffordern wird, umgehend abzureisen. Er wird Euch raten, die Straße zur Küste zu nehmen und im Schutz der Dunkelheit zu reisen, doch anstatt in Sicherheit wird der Weg in Euer Verderben führen. Don Ricardos Männer und die des Herzogs werden Euch auflauern. Meine Herrin bittet Euch, im Haus zu bleiben und dort die Nacht über auszuharren. Sie denkt, dass Ihr Euch dort verteidigen könnt, falls sie bemerken, dass Ihr nicht auf den Hinterhalt hereingefallen seid. Sie wird in den frühen Morgenstunden fertig sein und auf Euch warten. Sie wird das Haus über den Ausgang am hinteren Garten verlassen. Wartet dort auf sie. Es muss noch dunkel und sehr früh sein, wenn Ihr sie holt, sodass auch noch keine Diener wach sind. Eure Familie soll in dieser Zeit das Haus über den Weg durch die Berge verlassen, der Weg ist länger, aber niemand wird Euch dort vermuten. Habt Ihr das alles verstanden, Herr?«
Mohammed hatte nach Nettas Schultern gegriffen und der feste Druck seiner starken Hände brachte sie fast ins Wanken. »Teresa, du bringst mir eine bessere Nachricht, als du glaubst. Selbst wenn der größte Teil mehr als traurig ist, so ist die Hauptsache doch wunderbar. Ich habe dich sehr gut verstanden. Ich werde mit meiner Familie sprechen und den Rat von Donna Ana befolgen. Geh zu ihr und sag ihr, wie sehr ich mich freue, wie glücklich sie mich macht! Liebe, kleine Teresa, sobald wir all die Sorgen hinter uns gelassen haben, werde ich dafür sorgen, dass es auch dir an nichts fehlen wird. Du wirst Donna Ana doch begleiten, nicht wahr?«
Mohammeds strahlende Augen so nahe vor ihrem Gesicht zu sehen, war mehr, als Netta ertragen konnte. Sie nickte und stammelte leise, dass sie Donna Ana nie allein würde gehen lassen. Dann verabschiedete sie sich, so rasch sie konnte; sie bewahrte nur mühsam die Fassung, als Mohammed in seiner Freude ihr Gesicht mit beiden Händen sanft anhob und sie aufs Haar küsste.
Netta lief aus dem Haus, sorgsam darauf achtend, dass sie nicht zu schnell rannte und zu viel Aufmerksamkeit auf sich zog. Als das Anwesen der al Hassarin hinter ihr lag, gelang es ihr nicht mehr, ihre Gefühle zu unterdrücken. Blind vor Tränen stolperte sie zurück zur Villa Don Ricardos.