Читать книгу Kinder der Dunkelheit - Gabriele Ketterl - Страница 15

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Ana zog sich so unbemerkt aus dem Wohnraum ihrer Eltern zurück, wie sie ihn betreten hatte. Zuerst wollte sie die Unterhaltung ihrer Eltern aus Höflichkeit nicht unterbrechen. Doch dann raubte ihr das Gehörte fast die Luft zum Atmen. Ihr Vater war am frühen Morgen zu Don Ricardo gerufen worden, mit der Bitte, einige seiner Männer samt ihrer Waffen mitzubringen. Anas Vater war dem Ruf seines zukünftigen Schwiegersohnes gefolgt und hatte auf dem Gut des Adligen über hundert bis an die Zähne bewaffnete Männer vorgefunden. Die Erklärung lieferte Don Ricardo umgehend und mit gut vorbereiteten Argumenten. Über Mittelsmänner habe er erfahren, dass die al Hassarins gemeinsam mit anderen Sarazenen planten, sich für Übergriffe auf zahlreiche muhammadi zu revanchieren, dass sie vorhätten, blutige Rache für die durch die Reconquista zu verantwortende Ermordung von vielen Glaubensbrüdern zu nehmen. Ricardo berichtete, dass der Bischof von Cordoba aufgerufen habe, christliches Leben zu schützen und zu verteidigen. Es war offensichtlich, dass die Dons dies gern gehört hatten und dazu bereit waren, Unschuldige zu überrennen. Sie wollten Macht, Ländereien und die wertvollen Schätze der Sarazenen, von denen man sich erzählte, dass sie jenseits jeder Vorstellungskraft lägen.

Ana war zutiefst entsetzt. Mohammed und seine Familie waren in noch größerer Gefahr, als sie angenommen hatte! Ihr wurde übel, fürchterlich übel. Was sollte sie jetzt nur tun? Sollte sie alles hinter sich lassen und dem Mann folgen, den sie wirklich liebte? Würde sie tatsächlich die Kraft haben, alles Vertraute aufzugeben?

Wie eine Tigerin in ihrem Käfig lief Ana durch ihr Zimmer. Ihr Herz war zerrissen wie nie zuvor. Sie würde nicht nur ihr Zuhause, sondern auch ihre Eltern hinter sich lassen müssen. Andererseits – wie sollte sie ihre Zukunft mit dem Mann verbringen, der gerade die Ermordung einer unschuldigen Familie plante? Nein, sie konnte nicht tatenlos dabei zusehen, wie der Mann, den sie wahrhaft liebte, von ihrem aufgezwungenen Verlobten und den Männern ihres Vaters hinterrücks ermordet wurde! Sie lief zum Stehpult, nahm mit zitternden Händen einen Bogen Papier und schrieb mit fliegender Hast eine Nachricht an Mohammed. Er war mit den lateinischen Schriftzeichen vertraut und konnte sie lesen. Noch während sie die Zeilen verfasste, überlegte sie, welche ihrer Zofen am vertrauenswürdigsten war.

Ihre Wahl fiel auf die junge Teresa. Bei ihr konnte sie sicher sein, dass sie die Nachricht zuverlässig und ohne Aufsehen zu erregen überbringen würde. Eilig faltete und versiegelte sie den kurzen Brief. Er enthielt ihre Warnung an Mohammed, eine kurze Schilderung von Don Ricardos Plänen und ihren Vorschlag, sich nach Sonnenuntergang zu treffen. Ihre Entscheidung war gefallen! Sie würde Mohammed begleiten, doch er durfte unter keinen Umständen auch nur in die Nähe ihres Hauses kommen. Es würde leichter für sie sein, sich mit den al Hassarins zu treffen und mit ihnen gemeinsam in Richtung Hafen zu flüchten. Weg von diesem Wahnsinn, in eine gemeinsame Zukunft mit Mohammed.

Ana wagte nicht einmal, nach Teresa zu rufen. Sie machte sich auf die Suche nach der jungen Zofe und fand sie in der Küche. Sie bat Teresa in den Garten. Im Schatten eines Olivenbaumes weihte sie diese ein.

Teresa schien sofort zu verstehen, wie wichtig ihre Mission war, und versprach, sich umgehend auf den Weg zu machen. Aufregung und Angst standen ihr ins Gesicht geschrieben, doch als sie sich zum Gehen wandte, drehte sie sich noch einmal um. »Herrin? Darf ich Euch um etwas bitten?«

Ana nickte ungeduldig. »Was auch immer, wenn ich es erfüllen kann.«

»Nehmt mich mit! Bitte, lasst mich nicht allein zurück.«

»Das hatte ich nicht vor, Teresa. Aber jetzt beeil dich, alles hängt davon ab, dass die al Hassarins bis zum Nachmittag ihr Haus verlassen haben. Sie dürfen unter keinen Umständen bis zum Einbruch der Dunkelheit bleiben, hörst du? Sag ihnen, wie wichtig es ist!«

Teresa nickte eifrig, schlang sich ein Tuch um Kopf und Schultern und verließ eilig das Anwesen. Ana sah ihr nach, das Herz voller Hoffnung, dass nun doch alles noch ein gutes Ende finden würde.

Kinder der Dunkelheit

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