Читать книгу Ein weisser Koffer - Gebhard Friebel - Страница 11
Frischer Wind in Trat
ОглавлениеHerr Tong ist Polizist in Trat, und zwar schon seit acht Jahren.
An sich ist er zufrieden mit seinem Beruf, vor allem, weil er ein hohes Ansehen als Polizist geniesst. Nur sein Gehalt reichte fast nie bis zum Ende eines Monats.
Er ist verheiratet und hat einen sechsjährigen Sohn, auf den er sehr stolz ist. Die Geldsorgen sind geringer geworden, seit das neue Prämiensystem eingeführt wurde.
Um die Effizienz der Polizei zu steigern, hatte sich der Provinzgouverneur etwas Neues einfallen lassen. Seit zwei Jahren gab es für die Ergreifung jedes Verbrechers, der gesucht wurde, jeweils 1‘000 Baht.
Das war ein voller Erfolg. Allerdings profitierten vom neuen System nur die jungen, eifrigen Polizisten.
Das ärgerte den Herrn Tong und seine engen Freunde Rung und Bam sehr; denn Verbrecher zu fangen, war anstrengend. Die Drei waren seit vielen Jahren befreundet, und trafen sich oft nach der Arbeit zu einem gemeinsamen Umtrunk.
Nachdem schliesslich aus dem Polizei-Hauptquartier in Trat letztes Jahr drei Gefangene aus ihren Zellen abgehauen, und nicht wieder gefasst worden waren, hatte der Gouverneur wegen des Erfolgs des Prämiensystems in der Provinz Trat angeordnet, dass auch für die Ergreifung von geflohenen Gefangenen 1‘000 Baht pro Mann zu zahlen seien.
Nun schlug die Stunde für das Freundestrio.
Herr Tong hatte zwar noch keinen gesuchten Verbrecher gefangen, aber er, und seine Kollegen und Freunde Rung und Bam, waren erfinderisch.
Denn nun ist die Anzahl geflohener Gefangener, die wieder gefasst wurden, dank der unermüdlichen Arbeit der Herren Tong, Rung und Bam, stark angestiegen. Das kam so:
Herr Tong oder einer seiner diensthabenden Kollegen vergass ab und zu einfach, eine Zellentür abzuschliessen. Kurz darauf entwichen dann regelmässig einer oder mehrere Gefangene.
Über die Treppe nach unten, die in den Wachraum mündete, wollte keiner der Gefangenen abhauen, da hier immer drei oder vier Polizisten sassen.
Blieb das Fenster vom Flur, in den die Zellentüren mündeten. Durch dieses Fenster, das auf der Seite des Gebäudes angebracht war, konnte man, wenn man etwas sportlich war, schnell das Gebäude verlassen, und in den angrenzenden Gassen verschwinden.
Und wenn es ums Ausbüchsen geht, werden Gefangene schnell und unerwarteterweise sehr sportlich…
Was die Gefangenen nicht wussten, war:
Auf der Rückseite des Gebäudes, wo ein verwilderter Garten ist, legte sich einer der Polizisten des Trios in Zivilkleidung auf die Lauer.
Er beobachtete aus seinem Versteck die Seitenfront des Gebäudes, wo sich das Gangfenster des Zellentraktes, durch das die Gefangenen bei ihrer Flucht kommen mussten, befand.
Flüchteten nun Gefangene, begann eine heimlich Verfolgung durch einer der Beobachter. Sobald im Polizeigebäude Alarm geschlagen wurde, fragte einer der alarmierten Polizisten des Trios über Handy den heimlichen Verfolger, wo sich der oder die Geflüchteten befanden.
Dorthin begaben sich dann einer oder zwei der übrigen Kollegen, die sich bereithielten, um als Teil der eilends zusammengestellten Suchmannschaft den oder die Flüchtlinge zu verhaften.
Wenn die Erfolgsprämie zugeteilt wurde, teilte man sie brüderlich, und der erfolgreichste Polizist wurde öffentlich belobigt.
Als innerhalb eines Monats 14 Gefangene geflohen waren, davon einer dreimal hintereinander, hatte der Polizeichef beim Gouverneur neue Türschlösser beantragt.
Aber da das Ersuchen des Gouverneurs nach Bezahlung der neuen Schlösser in Bangkok genehmigt werden musste, und der zuständige Sachbearbeiter im Materialbeschaffungssamt in Bangkok ein Schwager von Herrn Tong war, verwunderte es nicht, dass gegen eine kleine Gefälligkeit der Antrag verschwand, zumal jeden Monat Hunderte von Anträgen aus allen Provinzen hier bearbeitet werden mussten.
Da der Gouverneur ein begeisterter Golfspieler war, der wenig Zeit hatte, sich um solche Kleinigkeiten, wie verschlampte Anträge zu kümmern, tat sich nichts mit neuen Schlössern.