Читать книгу Und trotzdem lebe ich - Gerald Uhlig - Страница 16

Ein Stück Land in Ägypten

Оглавление

Hamdy, der Barkeeper, ist der Erste, den ich erblicke. Er ist Ägypter und schon von Anfang an dabei. Er hat sich zum Meister in der Kaffeezubereitung entwickelt und kreiert auf dem Milchschaum jeder Tasse Melange Blumen, Herzen oder abstrakte Figuren. Jetzt hat auch er mich entdeckt und er liest sofort in meinen Augen, wie es um meine Nieren steht. »Chef, als sie das letzte Mal aus dem Krankenhaus kamen, waren sie so glücklich. Sie sind sogar mit einem Luftsprung in ihr Kaffeehaus gekommen.« Ich unterbreche ihn bei dem Versuch, mich ein wenig aufzumuntern: »Beim letzten Mal waren die Werte auch ein wenig zurückgegangen, und ich konnte hoffen, dass sich die Natur meinen Körper doch nur für einen Spuk ausgesucht hat.« »Sie brauchen eine neue Niere, Chef, wir müssen eine neue Niere für Sie finden. Mein Cousin in Ägypten war erst einundzwanzig Jahre alt, als er eine Niere brauchte. Sein Vater besaß nichts als ein Stück Land. Aber sein Vater hat dieses Land, das keine Wüste war, aus Liebe zu seinem Sohn verkauft und für das Geld hat er ihm eine Niere gekauft. Ich werde versuchen, etwas für Sie in meinem Land zu organisieren. In Kairo gibt es sogar ein deutsches Krankenhaus mit sehr guten deutschen Ärzten.« »Danke, aber wenn das alles nur so einfach wäre, mein lieber Hamdy, dann...«

Der Kellner Luis kommt auf mich zu und teilt mir mit, dass an Tisch 17 ein Herr auf mich warten würde, mit dem ich verabredet sei. Ich bedanke mich bei Luis, und in meiner merkwürdigen Verfassung sprudelt aus mir heraus, dass das Leben nichts als eine Reihe von Zufällen sei, die wir Menschen irrtümlicherweise für den Ausdruck eines höheren Willens hielten und dass der Schöpfer des Menschen ein absoluter Stümper gewesen sein müsse, denn seine Körpermaschinen seien ständig defekt. Luis, der vorher in einem Fünf-Sterne-Hotel als Abendkellner gearbeitet hat, schaut mich etwas besorgt und verwundert an, so, als ob er mich fragen wolle, ob er im Moment etwas Gutes für mich tun könne. Ich klopfe ihm auf die Schulter und signalisiere, dass bei mir alles in Ordnung sei und er sich um mich keine weiteren Sorgen machen müsse. Während ich auf Tisch 17 zugehe, denke ich, dass es ein Glück für mich ist, dass dieser Termin auf mich wartet und, dass er mich hoffentlich von weiteren nihilistischen Gedankenanfällen abhält, für die ich an Tagen wie heute anfällig bin.

Und trotzdem lebe ich

Подняться наверх