Читать книгу Burnout - Prüfungsstress - Lampenfieber - Gerd Schnack - Страница 10
Übung
Оглавление1. Gesundheits-Ritual für Musiker: »Hängebrücken-Ritual«
Vor einem Stuhl gehen Sie in die tiefe Hocke, die Füße stehen parallel zueinander, die Kniegelenke sind scharnierartig nach vorn ausgerichtet. Zunächst stützen Sie sich mit den Händen nach hinten ab. Die Position können Sie jetzt mehrere Sekunden halten. Zur längeren Rückenentlastung legen Sie beide Ellbogen seitlich vom Körper auf die Sitzfläche, die Handflächen sind nach oben gedreht. Die Wirbelsäule hängt senkrecht vor dem Stuhl, das Becken schwebt kurz über dem Boden. Sie beginnen mit Sekunden, bis schließlich Minuten daraus werden.
Abb. 7 Schnelle Druckentlastung des Rückens durch die schwebende Hocke vor einem Stuhl, nach hinten abgestützt durch Hände oder Ellbogen
Sie erreichen durch diese Übung eine Druckminimierung der unteren Bandscheibe von ca. 120 kp auf 0 kp! Das erreichen Sie nicht einmal beim Liegen im Bett, denn durch die gestreckten Beine liegt der Bandscheibendruck immer noch bei ca. 40 kp. Üben Sie das Hängebrücken-Ritual in jeder Pause, morgens am Bettrand, vorm Fernseher, beim Zeitungslesen, auf Bänken am Wegrand, auf Reisen etc. So entlasten Sie nachhaltig die druckempfindlichen Bandscheiben, um gefährliche Bandscheibenvorfälle zu vermeiden.
Die Bandscheiben der Lendenwirbelsäule werden aber nicht nur durch den Körperdruck von oben im Sitzen oder Stehen unter Druck gesetzt. Fatal ist die Monotonie der Hüftgelenke in 90-Grad-Beugestellung in typischer Sitzhaltung. Hierdurch schrumpft tief im Becken der Hüftlendenmuskel (M. iliopsoas), der dann in einem zweiten Schritt die notwendige Längenerweiterung beim Stehen mit gestreckten Hüftgelenken nicht nachvollziehen kann. Dieser Hüftlendenmuskel legt die Stellung der Lendenwirbelsäule im Stehen fest, weil er von der Vorderkante der Lendenwirbelkörper entspringt und unter dem Leistenband zum kleinen Rollhügel am Oberschenkelkopf ansetzt. Bei langem Sitzen ist dieser wichtige Rückenmuskel erschlafft, eine Stundenprozedur bei jeder Sitzarbeit mit Schrumpfungstendenz bis hin zur Kontraktur des Muskels.
Abb. 8 Hoher Bandscheibendruck im Stehen bei verkürztem Hüftlendenmuskel durch langes Sitzen.
Im Stehen kann der durch langes Sitzen geschrumpfte Hüftlendenmuskel sich nicht mehr ausreichend entfalten; erhöhter Bandscheibendruck durch Vorverlagerung der Lendenwirbelsäule (LWS) ist die Folge. Durch seine zentrale Lage zwischen Becken und Wirbelsäule wird der doppelseitig angelegte Hüftlendenmuskel zu einem unserer wichtigsten muskulären Stützen mit folgenden Funktionen:
Der Hüftlendenmuskel reguliert entscheidend den Bandscheibendruck in der Lendenwirbelsäule, weil er über seine Länge die Abschwingung der LWS nach vorn (Hohlkreuz oder Lordose) im Stehen bestimmt.
Er ist ein wichtiger Laufmuskel, weil er die Hüftgelenke beugen kann.
Der Hüftlendenmuskel ist auch ein wichtiger Atemmuskel, denn er ist der eigentliche Antagonist des Zwerchfells und bestimmt somit das Tieftreten dieser großen Muskelplatte bei der Einatmung. Deshalb kann man seine Stimme am besten erheben, wenn die Kniegelenke im Stehen leicht gebeugt gehalten werden. So ist dann die Stressspannung geringer, vor allem, wenn Sänger ebenfalls das »Storchenbein-Ritual« aus der Sitzhaltung wiederholt durchführen (siehe kommende Übung).
Dieser geheimnisvolle »Mr. I«, wie ich ihn gerne nenne (immerhin können wir ihn nicht sehen, nicht berühren), ist auch ein wichtiger Geburtsmuskel, gleitet doch der kindliche Kopf über diese »Rutschbahn« in den Geburtskanal. (Dies ist aber nur in Hockposition der Mutter möglich, in gestreckter Hüfthaltung käme kein Kind auf die Welt.)
Über seinen Spannungszustand legt er praktisch das Gangbild fest. Optimal gedehnt, steuert er bei jedem Schritt den Gegenschwung aus den Hüftgelenken bei gleichzeitiger Körperstreckung. Das ist dann der würdevolle Gang, eine Art Swing-Technik (wie sie der amerikanische Präsident Barack Obama so perfekt beherrscht). Der Osten swingt allerdings anders, mehr aus den Armen und dem Oberkörper heraus, das ist dann der »Putin-Swing« des russischen Präsidenten.
Abb. 9 Obama swingt mit den Beinen aus den Hüften heraus, Putin mit den Armen in den Schultern.
Übung
2. Gesundheits-Ritual für Musiker: »Storchenbein-Ritual«
Zur Dehnung des Hüftlendenmuskels rutschen Sie an den vorderen Stuhlrand, seitlich stützen die Hände. Sie legen das rechte Bein weit unter der Sitzfläche nach hinten auf den Boden, sodass der Fußrücken gegen den Untergrund drückt. Verlagern Sie jetzt den Oberkörper nach hinten, ohne jedoch ins Hohlkreuz zu fallen. Sie spüren ein leichtes Ziehen in der rechten Leiste. Sieben Sekunden halten, dann Wiederholung mit der Gegenseite.
Abb. 10 Optimale Dehnung des Hüftlendenmuskels unter einem Stuhl.
Die Dehnung der Hüftbeuger plus Oberschenkelstrecker ist auch im Stehen machbar: Das ist das eigentliche »Storchenbein«. Im Einbeinstand links zieht die rechte Hand das rechte Bein vom rechten Fußrücken aus nach hinten, sodass das rechte Hüftgelenk maximal geöffnet wird. Das linke Standbein ist im Knie leicht gebeugt. Bei Standunsicherheit Druck mit der linken Hand gegen die vordere Bauchwand – eine wirksame Konzentrationshilfe gegen Standunsicherheit. Der intensivste Dehnungspunkt liegt an der Streckseite des Oberschenkels. Eine wirksame Ausgleichsübung bei langem Sitzen, aber auch bei Ausdauersportarten wie Laufen, Wandern, etc., weil bei diesen Belastungen besonders der mittlere Oberschenkelstreckmuskel, der zur Verkürzung neigt, gedehnt wird.
Abb. 11 Dehnung der Oberschenkelstreckmuskeln im Stehen.
Praktizieren Sie das »Storchenbein-Ritual« im Sitzen auf einem Stuhl speziell nach längeren Sitzperioden. Mit häufiger Übung ist dieser Ausgleich sogar im Orchestergraben unauffällig machbar, in jedem Falle aber nach dem Konzert. Das »Storchenbein-Ritual« entlastet Rücken und Beinmuskulatur gleichermaßen. Speziell die Übung im Sitzen auf dem Stuhl ist eine wichtige Maßnahme gegen Bandscheibenvorfälle, ratsam ist die ständige Wiederholung. Die Übung im Stehen ist der besondere Ausgleich beim Laufen, Wandern, Bergsteigen, Radfahren oder Joggen. Es vermeidet zudem das »Patellaspitzen-Syndrom« (Beschwerden am unteren Rand der Kniescheibe), ist aber immer erst nach der Belastung zu üben.