Читать книгу Einführung in die Erkenntnistheorie - Gerhard Ernst - Страница 17
2.4 Auf einen Blick, Literaturhinweise, Fragen und Übungen
ОглавлениеAuf einen Blick
Es gibt im Wesentlichen zwei Strategien, um die These zu begründen, dass wir nichts (oder so gut wie nichts) wissen können. Im einen Fall verweist der Skeptiker auf mehr oder minder umfassende Täuschungsmöglichkeiten, so genannte skeptische Hypothesen, um unsere Wissensansprüche zu untergraben. Wenn es in einem gegebenen Fall genauso gut sein könnte, dass ich Opfer einer Sinnestäuschung bin, dass ich träume oder halluziniere oder gar dass ein böser Dämon mich täuscht oder ein wahnsinniger Wissenschaftler mich zum Gehirn im Tank gemacht hat, dann kann ich kein Wissen beanspruchen. Da wir beispielsweise in Bezug auf Überzeugungen, die auf der Wahrnehmung basieren, anscheinend überhaupt keinen Grund haben, anzunehmen, dass diese nicht das Ergebnis einer umfassenden Täuschung sind, kann es sich bei diesen Überzeugungen nicht um Wissen handeln. Man spricht hier von cartesischer Skepsis.
Die zweite Strategie zur Begründung der These, dass wir nichts (oder so gut wie nichts) wissen können, macht von einer Argumentation Gebrauch, die auf den Philosophen Agrippa zurückgeht. Dieser weist darauf hin, dass wir in Bezug auf beliebige Überzeugungen unfähig sind, diese zu begründen, weil wir zwangsläufig entweder in einen infiniten Regress geraten, die Rechtfertigung dogmatisch abbrechen oder aber zirkulär argumentieren. Dieses Aprippa-Trilemma zeigt, dass es unmöglich ist, jemals gerechtfertigte Überzeugungen und damit Wissen zu erwerben.
Beide Strategien führen zu einer radikalen Skepsis (nicht nur zu einem Fallibilismus) in Bezug auf (fast) alle unsere Wissensansprüche: Das Agrippa-Argument ist von Anfang an nicht auf bestimmte Bereiche des Wissens eingeschränkt, und auch die Argumentation über skeptische Hypothesen lässt sich auf verschiedene Bereiche des Wissens anwenden: auf unser Wissen über Fremdpsychisches, auf unser Wissen über Vergangenheit und Zukunft, insbesondere auf wissenschaftliches Wissen – hier ergibt sich das Problem der Induktion –, auf Wissen über Bedeutung etc. Entscheidend ist immer, dass der Skeptiker alle Überzeugungen aus einem bestimmten Bereich auf einmal in Zweifel zieht. Wir geraten in eine grundlegende Spannung zwischen unserer tiefliegenden Überzeugung, eine Menge zu wissen, und der Überzeugungskraft der skeptischen Argumente.