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Umzug in die Paul-Suhr Strasse

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Im Herbst 1963 hatten die Eltern Dieter einiges zu diskutieren. Doch immer wieder verstrickten sich die Eltern in Diskussionen, wobei sie darauf achteten, dass die Kinder nicht mitbekamen, um was es dabei ging.

Eines Abends liess Vati die Katze aus dem Sack. Als alle am Esstisch versammelt waren, erklärte er: «Wir haben eine neue Wohnung gefunden, wir werden umziehen.»

«Wieso?», wollte Wolfgang wissen.

«Weil die neue Wohnung viel grösser ist.»

«Aber die ist doch gross genug», meinte Wolfi, «ich möchte hier nicht weg.»

«Warte nur bis du die neue Wohnung siehst», meinte Mutti, «dann wirst du begeistert sein.»

«Kann ich mir nicht vorstellen.»

«Warten wir‘s ab», entgegnete Vati, «du wirst schon sehen, es wird euch gefallen.»

«Vati musste mit einigen Leuten verhandeln», erklärte Mutti, «ohne einige Gefälligkeiten hätte es nicht geklappt. Grosse Wohnungen sind selten, da muss man sich schon anstrengen, sonst bekommt man keine.»

Beziehungen waren alles in der DDR.

Damit war das Thema vorerst erledigt. Es dauerte ja noch einen ganzen Monat bis es soweit war. Dann kam der Tage.

«Ich habe den Schlüssel bekommen», erklärte Vati beim Abendessen, «nach dem Essen fahren wir hin, dann werdet ihr Augen machen, die Wohnung ist einfach wunderbar.»

Nach dem Essen fuhr Familie Thom los. Vati, mit Moni auf dem Gepäckträger, vorne weg, die Buben und Mutti folgten ihm. Von weitem sahen sie die neuen Wohnblöcke in Halle Süd. Neue, grosszügige Wohnungen, nicht so eng wie in ihrem kleinen Haus. Vor dem Haus Nummer 69 hielt Vati an und stellte das Fahrrad in den Fahrradständer. Alles sah sehr neu aus, noch wuchs kein Gras auf der Wiese, aber man sah, dass hier einmal ein schöner Spielplatz entstehen würde. Die Rutsche, das Klettergerüst, die Wippe und der Sandkasten standen schon. Noch fehlte der Sand im Sandkasten und der Spielplatz war abgesperrt, man musste warten, bis das neu gesäte Gras hoch genug war.

Vati ging die Treppen hoch. Im dritten Stock steckte er den Schlüssel ins Schloss und öffnete die Wohnungstür. Gespannt spähten die Kinder in den Flur.

«Moni, das wird dein Zimmer», Vati zeigte auf die Türe gleich neben der Eingangstüre.

«Dies wird euer Zimmer», Mutti zeigte auf die linke Türe, «und das wird das Wohnzimmer! – Exklusiv, mit grossem Fenster und einem Balkon.»

Die Kinder waren beeindruck. Wenn man den Gang gerade aus folgte, kam man direkt ins grosse Schlafzimmer der Eltern. Die Küche war gross und es gab sogar eine Toilette mit einer Badewanne. Am Meisten beeindruckte die Kinder die schöne Aussicht. Man konnte direkt auf den Auenwald sehen.

Die Inspektionsreise wurde noch im den Keller fortgesetzt, auch hier gab es reichlich Platz. Danach fuhr die Familie zurück in die alte Wohnung.

Jetzt waren alle motiviert, in den nächsten Tag wurden, die kleinen Gegenstände mit dem Handwagen in die neue Wohnung gebracht. Jeden Abend wurde eine Wagenladung nach Halle Süd gekarrt. Jeder musste mithelfen. Sogar Moni half beim Einpacken ihrer Spielsachen mit.

Am Wochenende kam dann das Fuhrwerk von Zörbig, mit dem man die Möbel und grösseren Gegenstände transportieren konnte. Gegen acht Uhr morgens traf das Fuhrwerk mit den zwei Pferden ein. Der Bauer aus Zörbig, dem Dieter im Stall geholfen hatte, stellte seinen besten Knecht für diesen Tag frei, damit er beim Tragen der schweren Möbel helfen konnte. Mutti sorgte dafür, dass die Möbel in der neuen Wohnung gleich an den richtigen Platz gestellt wurden.

«Soll ich dir helfe?», fragte eine Mädchenstimme, als Dieter mit einem grossen Karton voll Büchern die Treppe hochstieg.

Leider konnte Dieter nicht erkennen, wer ihm da Hilfe anbot: «Ich schaffe es schon, bin ja gleich oben.»

Oben angelangt stellte Dieter den Karton mit seinen Bücher in seinem Zimmer auf den Boden, dann ging er zurück ins Treppenhaus. Jetzt konnte er erkennen, zu wem die freundliche Stimme gehört. Es war ein nettes Mädchen, vermutlich etwas jünger als er. Sie hatte lange braune Zöpfe und wie ihm sofort auffiel, braune Augen.

«Hallo, ich bin Dieter, wir ziehen hier ein.»

«Habe ich schon herausgefunden, ich bin Barbara Kasten, ich wohne im gleichen Stock, direkt neben eurer Wohnung.»

Sie reichte Dieter die Hand und lächelte ihn freundlich an.

«Wir werden uns sicher noch sehen», erklärte Dieter, «heute habe ich keine Zeit, ich muss helfen.»

«Schon gut», meinte Barbara, «ich kann auch einige Kisten hoch tragen.»

«Gut, also komm mit runter, es gibt noch einige Kisten hochzutragen, - danke.»

Nun wurden die Kisten noch schneller hoch getragen. Das Fuhrwerk leerte sich schnell. Alle packten mit an, es lief wie am Schnürchen. Das Fuhrwerk musste drei Mal fahren, dann war die alte Wohnung leer geräumt.

Am Samstagabend waren alle Möbel in der neuen Wohnung. Noch standen viele Gegenstände und Kisten rum, aber wenigstens waren alle Betten bereit zum schlafen. Auch die Küche funktionierte bereits. So wurde, bevor das Fuhrwerk zurück nach Zörbig aufbrach, gemeinsam ein von Mutti gekochten Eintopf mit vielen guten Fleischstücken verzehrt. Dann verabschiedete Vati den Knecht und steckte ihm noch eine grössere Note zu.

Es dauerte noch zwei Wochen bis sich das Leben in der neuen Wohnung einspielte. Die alte Wohnung wurde gereinigt abgegeben und langsam leerten sich die Kisten und die Gegenstände verschwanden in den Schränken oder im grossen Keller.

Bis das vierte Schuljahr beendet war, musste Dieter noch mit dem Fahrrad jeden Tag in die alte Schule fahren. Das war für ihn gut, denn nach der Schule traf er sich dort noch mit seinen Freunden Gerd und Helmut. Die wollte er auf keinen Fall aufgeben, auch wenn er jetzt in einem besseren Quartier wohnte.

Am Ende des Schuljahres bekam Dieter von Frau Doppeeser eine sehr schlechte Beurteilung. Die Versetzung in die fünfte Klasse war gefährdet. Nur dank einem energischen Gespräch seines Vati, mit der Schulleitung, wurde ihm die Versetzung in die fünfte Klasse gestattet, allerdings mit der Auflage, dass er sich in der neuen Schule mehr anstrengte. Dass er bei Frau Doppeeser nie eine echte Unterstützung bekam, konnte Vati belegen. Da Dieter die Schule wechselte, war es dem Rektor an der Diesterweg-Schule egal, wie es mit Dieter weiter ging, den Lümmel waren sie zum Glück los.

Der Drang nach Freiheit

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