Читать книгу Der Drang nach Freiheit - Geri Schnell / Dieter Thom - Страница 19
Definitive Berufswahl
ОглавлениеEndlich hatte Dieter die achte Klasse abgeschlossen. Nun galt es zu entscheiden, Berufs- oder Boxkarriere. Der Trainer riet ihm, die Boxkarriere fortzusetzen, da er viel Talent zum Boxen mitbrachte. Nur, in der DDR war es nicht möglich Profikämpfe auszutragen. Als Amateur, welcher nicht vom Staat gefördert wurde, konnte man auf kein gesichertes Einkommen kommen. Mit den Eltern entschied sich Dieter notgedrungen, auf die Karte Berufsausbildung zu setzen. Eine Boxkarriere schien einfach zu unsicher.
Nun musste Dieter seine Entscheidung seinem Trainer mitteilen. Dieter kam eine Viertelstunde früher zum Training.
«Herr Friedel», sprach er seinen Trainer an, «kann ich noch etwas mit Ihnen besprechen?»
«Natürlich», erklärte Herr Friedel, «aber erst nach dem Training. Ich warte im Büro bis du mit Duschen fertig bist.»
Zwei Stunden später besuchte Dieter Herr Friedel in seinem kleinen Büro.
«Ich habe mich entschieden», begann Dieter, «ich werde eine Berufsschule besuchen. Mit meinen Eltern haben wir alles besprochen. Ich brauche eine sichere Ausbildung. Ich muss später mein eigenes Geld verdienen und mit boxen ist das nicht gesichert.»
«Schade!», meinte Herr Friedel und klopfte Dieter freundschaftlich auf die Schulter, «ich muss deinen Entscheid akzeptieren, ich verstehe deine Argumente. Ich konnte dir kein besseres Angebot machen. Ich könnte dich in der Sportschule unterbringen, doch langfristig könnte ich keine Garantie abgeben, du müsstest ein Sportstudium beginnen und das bedeutet, nebst dem Sport viel Schule. Ich verstehe, für dich ist das Erlernen eines handwerklichen Berufs sicher besser, du hast es nicht so mit den Schulbücher, ich übrigens auch nicht.»
Die neunte Klasse wurde als Berufsschule geführt. Dieter sollte dort zum Baumaschinist ausgebildet werden. Er freute sich darauf, denn endlich sollte neben dem Unterricht in der Schulstube, auch praktischer Unterricht auf einer Baustelle dazukommen. Das neue Schulhaus lag mitten in Halle. Dieter brauchte mit dem Fahrrad rund eine Stunde.
Am ersten Tag versammelten sich die neuen Schüler in der Aula. Dort wurden sie in die verschiedenen Klassen aufgeteilt. Die erste Überraschung erlebte Dieter, als er nicht in der Klasse der Baumaschinisten aufgerufen wurde. Er hielt es zuerst für ein Versehen. Dann wurde er doch noch aufgerufen. In der Klasse der Betonfacharbeiter. Was war denn das? Betonfacharbeiter!
Als er sich ins angegebene Schulzimmer begab, fragte er beim Lehrer nach, wieso er nicht in die Klasse der Baumaschinisten eingeteilt wurde. Der Lehrer holt seine Akte hervor.
«Deine Schulnoten waren nicht ausreichend», erklärte er ihm nach einem kurzen Blick in die Akte, «aber das ist nicht schlimm, Betonfacharbeiter sind zurzeit sehr gefragt. Es müssen viele Wohnungen gebaut werden.»
Damit musste sich Dieter abfinden. So schlimm würde es nicht werden, er kannte den Unterschied zwischen den beiden Berufen genau und war stink sauer, dass er nicht Baumaschinist lernen durfte. Sicher war, dass man bei beiden Berufen auf dem Bau arbeitete, wenigstens musste er nicht in einer Schreibstube sitzen, sondern war draussen an der Luft. Die Klasse bestand aus 29 Schüler und drei Mädchen.
Der Unterricht wurde so gestaltet, dass sie drei Wochen Schule hatten und danach eine Woche praktische Lehrausbildung. So gab es etwas Abwechslung. Schon nach wenigen Tagen fühlte sich Dieter an die Kämpfe mit Frau Doppeeser erinnert. Die gleiche Taktik von Seiten des Lehrers. Kein Verständnis für die Interessen der Schüler, nur Zucht und Ordnung, dazu der drillmässige staatspolitische Fixierung auf das grossartige Sozialistische System.
Das waren genau die Bedingungen, welche bei Dieter den Konflikt mit den Lehrkräften herausforderte. So dauerte es nicht lange und er stand auf dem so genannten schwarzen Brett.
Endlich waren die ersten drei Wochen rum. Die praktische Ausbildung auf einer Baustelle begann. Es war harte Arbeit. Sein Vorarbeiter erklärte die zu erledigende Arbeit sehr komplizier. Man merkte, dass er alles nur aus dem Bürosessel gelernt hatte, man konnte mit seinen Anweisungen nichts anfangen. Doch Dieter merkte schnell, dass er sich besser bei den anderen Arbeitern auf der Baustelle informierte, die gaben einem die besseren Typs. Dank seiner praktischen Veranlagung kam Dieter gut zurecht.
Mit der Zeit lernte Dieter, wie er seine harte Arbeit einfacher gestalten konnte. Dazu wurde sein Körper durch die harte Arbeit gestärkt. In der Praxis konnten die andern Schüler nicht mit ihm Schritt halten, doch in den Schulfächern hatte er weiterhin sehr schlechte Noten.
Die Zeugnisse wurden an einer Feier durch Parteigrössen übergeben. Die Eltern von Dieter mussten sich entschuldigen, sie konnten an der Feier nicht teilnehmen. Dieter lud seine Freunde Gerd und Helmut ein, ihn zu begleiten. Der Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt, Dieter sass mit seinen Freunden in die letzte Reihe.
Es wurden endlos lange patriotische Reden gehalten. Dann, endlich wurden die ersten Absolventen aufgerufen. Zuerst waren die Schüler mit sehr guten Noten an der Reihe.
Nach den sehr guten Noten, kamen die Schüler, welche mit einer zwei abgeschossen hatten, danach die, mit Note drei. Immer das Gleiche. Am Schluss blieben noch die mit Note vier übrig. Als Letzter wurde Dieter aufgerufen.
«Dank der grossen Errungenschaften des Sozialismus, welcher auch weniger begabten Schülern erlaubt, sich zu bewähren und einen Berufsabschluss zu erlangen. Trotzt einer Note fünf in einem Fach, hatte die Kommission beschlossen Dieter Thom die Prüfung, als bestanden anzurechnen. Dank seinen guten Leistungen in der praktischen Prüfung, ist es zu verantworten. Der Sozialismus ermöglicht es, dass jeder seine Möglichkeiten ausschöpfen kann. Wir gratulieren Dieter zur bestandenen Prüfung!»
Er überreichte Dieter sein Diplom, der Saal applaudierte. Dieter klemmte sich das Diplom unter den Arm und verliess mit seinen Freunden sofort den Saal. Er fühlte sich ausgenutzt und gedemütigt. Keiner hatte erwähnt, dass er die Note fünf in Politunterricht erhalten hatte. Die Partei hatte mit dem Anlass, wieder einmal ihre grenzenlose Macht demonstriert.
Im Anschluss besuchte Dieter mit seinen Freunden eine Tanzveranstaltung. Er musste sich noch von seinen Freunden verabschieden, in drei Tagen würde er seine Ferien auf der Insel Rügen antreten. Das mit der hohen Tatra, musste er vergessen, die Deutschen durften nicht mehr in die Tschechoslowakei einreisen. Vermutlich hätte Dieter auch so nach Rügen in die Ferien fahren müssen, denn, er musste rekognoszieren. Die Familie Thom wollte wegen seinem Bruder Olaf nach Rügen umziehen. Seit einem Jahr suchten sie auf Rügen vergebens nach einer Wohnung. Doch nun ergab sich eine günstige Gelegenheit. Die Tochter einer Familie welche auf Rügen lebte, studierte in Halle. Deshalb möchte die Familie nach Halle umziehen. Man überprüfte zurzeit, ob ein Wohnungsabtausch möglich wäre.
Da Vati und Mutti beide nicht weg konnten, hatte der Familienrat beschlossen, dass sich Dieter mal das Haus auf Rügen ansehen soll. Er würde vier Wochen bei der Familie wohnen. So konnte er alles genau untersuchen.
Mit dem Zug fuhr Dieter nach Sagard. Die Familie Runge wartete am Bahnhof. Herr Runge eilte sofort auf ihn zu.
«Du bist sicher Dieter!», Papa Runge reichte Dieter die Hand, «das ist meine Tochter Britta, sie ist ein Jahr älter als du.»
Britta war ein hübsches Mädchen und Dieter wusste sofort, dass er sie gut leiden konnte. Sie war freundlich und aufgeschlossen, dazu sah sie sehr gut aus.
«Los», trieb Karl an, «wir haben noch einen weiten Weg, nach Marlow gehen wir zu Fuss.»
Zum Glück reiste Dieter mit einem Rucksack, so hatte er mit den vier Kilometern Fussmarsch keine Probleme.
«Meine Eltern stammen ursprünglich aus Polen», erzählte Britta, sie hörte gar nicht mehr auf zu erzählen. Dieter kam nicht zu Wort, ihm gefiel ihr deutliches klares Hochdeutsch, nicht dieses genuschelte Deutsch, welches die Hallesner unter sich sprachen. Britta erzählte auf dem Weg alles was er über Marlow und Rügen wissen musste. So wusste er bereits, dass sie Schafe, Hühner, Enten und Gänse hielten, dass das Bauerhaus am Dorfrand lag und dass es rundum nur Felder zu sehen gab. Der einzige Nachbar wohnte etwas abseits. Es muss eine ländliche Idylle sein, so wie es Britta schilderte.
Als sie sich dem Haus näherten, rannte ihnen ein kleiner Spitz entgegen. Der kleine lustige Hund hiess Lumpi. Der Name passte zu ihm. Erst begrüsste er Britta stürmisch. Dann schnüffelte er an Dieters Beinen und wedelte mit dem Schwanz.
«Er mag dich», stellte Britta fest, «ihr werdet gut miteinander auskommen. Ah, - das ist Mama!»
Frau Runge kam aus dem Haus und eilte auf Dieter zu und umarmte ihn herzlich.
«Du bist sicher hungrig», erklärte sie, «das Essen steht auf dem Tisch, los, beeilt euch, sonst wird es kalt.»
Dieter fühlte sich in der Familie Runge von Beginn an wohl. Er wurde wie ein Sohn aufgenommen. Er half im Garten und beim Pflegen der Tiere. Die Schulprobleme waren weit weg. Dieter ging es ausgezeichnet. Es war ein einfaches Leben, welches die Familie Runge lebte. Am Tag wurde gearbeitet und abends sass man in der Stube zusammen und erzählte Geschichten.
Wenn er mit Britta allein war, tauschten sie Zärtlichkeiten aus. Dieter hatte sich in Britta verliebt, sie wehrte sich nicht dagegen. Für Dieter gab es nur noch Britta, vergessen war Jana aus der Tschechei, welche er nie mehr sehen würde. Er sah nur noch Britta.
Nach einer schönen Woche, wurde Britta plötzlich traurig. Dieter konnte sich nicht vorstellen was sie hatte. Er gab sich alle Mühe, doch es war offensichtlich, etwas bedrückt sie. Dieter merkte, dass sie ihm aus dem Weg ging.
Dann, zwei Tage später traf er sie auf dem Weg zu Strand.
«Britta», begann er das Gespräch, «warum bist du so traurig und weichst mir aus? Ich liebe dich, aber du gehst mir aus dem Weg.»
«Ich weiss», antwortete Britta, «es liegt nicht an dir, ich hätte es nicht soweit kommen lassen sollen. Es war unfair von mir, aber ich mag dich auch.»
«Wo liegt das Problem?»
«Das Problem liegt darin», sie musste sich überwinden, «dass ich seit fünf Jahren einen festen Freund habe. Er ist zurzeit in der Armee, bei der Marine. Aber er hat am Wochenende Urlaub und ich will ihn nicht aufgeben. Du musst jetzt stark sein Dieter! Er darf nicht merken, wie es um uns steht. Ich will bei ihm bleiben. – Tut mir leid!»
Für Dieter brach eine Welt zusammen, aber er musste einsehen, dass er bei Britta nicht landen konnte. Jetzt war er traurig.
«Komm», munterte ihn Britta auf, «ich bin mit Adelheid verabredet, die wird dir sicher gefallen.»
Dieter musste mit. In der Dorfkneipe trafen sich die drei. Britta gab sich alle Mühe, dass es zwischen Dieter und Adelheid funken könnte. Adelheid lud Dieter ein, sie zu besuchen. So verbrachte er das Wochenende mit Adelheid. Britta konnte sich ihrem Freund widmen. Dieter kam ihnen nicht in die Quere. Adelheid versuchte alles, Dieter aufzumuntern, doch seinen Gedanken waren noch bei Britta. Es wurde trotzdem ein schönes Wochenende.
Als er am Montagabend Britta traf, begrüsste sie ihn freundschaftlich. Es ging ihr besser. Ihr Freund hatte anscheinend nichts bemerkt und war wieder abgereist.
«Wie war das Wochenende?», fragte Britta.
«Unterhaltsam, Adelheid hatte mir Rügen gezeigt», berichtete er.
«Willst du ein Foto von meinem Freund sehen?», fragte sie vorsichtig.
«Ja natürlich», Dieter hatte seine Eifersucht gut im Griff. Die Fotos hatte sie auf ihrem Zimmer. Sie unterhielten sich noch lange. Sie zeigte ihm verschiedene Fotos von ihrem Freund. Sie erzählte von ihrer Schwester, welche in Halle an der Uni studiert. Sie war älter als Britta und war bereits verheiratet. Ihr Mann war in Halle aufgewachsen und sie wohnten jetzt dort. Deshalb möchte die Familie Runge ebenfalls nach Halle umziehen. Dieter wusste nicht mehr, wann er eingeschlafen war. Am Morgen erwachte er im Bett von Britta. Sie schlief noch fest. Einen Arm hatte sie um Dieter gelegt und kuschelte sich fest an ihn.
«Warum besuchst du nicht einmal Mieke?», fragte Britta.
«Wer war Mieke?», wollte Dieter wissen.
«Nun, der Mieke hatte Pech, aber was genau war, soll er dir selber erzählen.»
«Gut, ich werde ihn fragen, wo wohnt dieser Mieke?»
Sie erklärte ihm, wie er Mieke finden konnte. Am nächsten Tag machte sich Dieter auf, um Mieke zu besuchen. Er klingelte an der Haustüre. Eine alte gebrochene Frau in schwarzer Kleidung öffnete die Tür. Sie schaute Dieter verwundert an: «Was willst du?»
«Ist Mieke zu Hause?», erkundigte sich Dieter.
«Wo sollte er sonst sein», bemerkte die alte Frau, «seit er zurück ist, hatte er noch keinen Fuss vor die Türe gesetzt.»
«Ich weiss nicht wo er war, Britta hatte gesagt, ich soll ihn selber fragen. Sie sagte nur, dass er Probleme hat, deshalb möchte ich ihn besuchen», erklärte er der alten Frau, «ah – übrigens, ich bin Dieter aus Halle.»
«So, die Britta, was mischt die sich in unsere Angelegenheiten ein?»
«Sie meinte nur, Mieke würde es gut tun, wenn er etwas Kontakt hätte. Ich kenne hier niemanden.»
«Komm rein, ich frage ihn», sie trat einen Schritt zur Seite und machte eine Geste, dass er eintreten sollte, «ich frage ihn, vielleicht kommt er runter. - Hallo Mieke, Besuch für dich, kommst du runter?», rief sie in Richtung Treppe.
«Wer ist es?», fragte eine Männerstimme.
«Ein junger Bursche aus Halle», erklärte sie, «du kennst ihn nicht. Britta hatte ihn geschickt.»
«Ich weiss nicht, vielleicht später.»
«Willst du einen Kaffee?», fragte die alte Frau, «du musst ihm etwas Zeit geben.»
Während sie den Kaffee aufsetzte, erzählte sie, dass ihr Mann vor drei Wochen gestorben sei. Sie hatte es offensichtlich nicht leicht, die Probleme mit ihrem Sohn und dann stirbt noch ihr Mann.
«Er konnte es nicht verkraften, das mit seinem Sohn.»
«Das verstehe ich», Dieter wusste nicht, wie er mit der traurigen Frau umgehen soll. Zudem kannte er das Problem von Mieke nicht.
«Ja es war nicht einfach», erklärte sie, «doch was soll man machen, man kann es sich nicht aussuchen. Das ganze Leben haben wir gearbeitet und nun das.»
Dieter wusste nicht, was er antworten soll und schwieg.
«Was willst du von Mieke?», fragte die Frau etwas mürrisch.
«Ich weiss nicht», Dieter wich aus, «ich denke er könnte jetzt einen Freund brauchen.»
«Du kennst ihn nicht mal», die alte Frau schaute ihn verwundert an, «und willst sein Freund sein.»
«Man kann es versuchen», bestätigte Dieter, «ich kenne hier niemand und Britta verfügt über gute Menschenkenntnis, ich vertraue ihr.»
«Ich will nicht, dass mein Sohn in schlechte Gesellschaft kommt», sagte die alte Frau.
«Gut», erklärte Dieter, «dann gehe ich wieder, ich will mich nicht aufdrängen.»
«Jetzt trink zuerst deinen Kaffee», hält sie ihn hin, «du bist nicht von hier, das höre ich an deinem Dialekt. Woher kommst du?»
«Das habe ich schon gesagt, aus Halle, wir tauschen vielleicht die Wohnung mit der Familie Runge. Sie wollen nach Halle und wir müssen wegen meinem Bruder nach Rügen.»
«Wieso wegen deinem Bruder?», wollte sie wissen.
«Er bekommt in Halle immer einen Hautausschlag und als er in Rügen zur Kur war, hatte er keine Ausschläge mehr. Jetzt will Mutti, dass wir nach Rügen ziehen.»
«Ihr wollt hierher ziehen?», sie schaute ihn ungläubig an, «die mögen hier keine Sachsen, vergiss es!»
«Wir lassen andere Leute in Ruhe, das wird kein Problem sein, das Haus liegt sehr abgelegen, wir werden niemanden stören.»
«Da bin ich nicht sicher», sie schaute betrübt, «ich weiss nicht, ob das die Leute hier auch so sehen?»
«Wir werden schon klar kommen. Mutti ist sehr lieb und kommt mit allen Leuten gut aus. Vati ist auch ein ruhiger Typ, ich sehe keine Probleme.»
«Was hast du gelernt?».
«Betonfacharbeiter, aber ich bin noch nicht ausgelernt. Zudem gefällt mir der Beruf nicht, ich muss noch etwas anderes lernen.»
«Betonfacharbeiter! - Die brauchen sie auf Rügen nicht, hier bauen wir keine Wohnsilos. Hier wird nach alter Tradition gebaut, ich wünsche dir viel Glück.»
Ihre Miene entspannte sich, sie war aber immer noch sehr misstrauisch und beobachtete ihn kritisch. Als Dieter seinen Kaffee ausgetrunken hatte, stand die Frau auf und winkte ihm: «Komm mit, ich zeige dir den Stall.»
Sie führte ihn durch den Hintereingang zum Stall.
Dieter ging durch den sauberen Stall. Plötzlich tauchte in der Stalltüre ein junger Mann auf, welcher Dieter kritisch musterte. Seine Augen waren traurig und leer. Ein gebrochener Junge, dabei hatte er eine gute Statur, früher hatte er sicher den Mädchen den Kopf verdreht. Rabenschwarzes Haar und seine braunen Augen, darauf standen die Mädels.
«Es ist Zeit, das Futter für die Tiere vorzubereiten», erklärte er und ergriff die Heugabel.
«Hallo ich bin Dieter», stellte sich Dieter vor und reichte ihm die Hand zum Gruss, «Britta hatte mir vor dir erzählt und gemeint, ich soll nach dir schauen.»
Nur kurz flackern die Augen auf und ein schüchternes Lächeln huschte über sein Gesicht, doch nach einer Sekunde war es wieder vorbei. Seine Miene war wieder so finster wie vorher. Nach einigem Zögern reichte er Dieter die Hand. Ein schwacher, uninteressierter Händedruck. Dieter wäre am liebsten sofort umgekehrt. Doch er spürte, hier wurde er gebraucht. Der Junge war am Ende.
«Kann ich helfen?», fragte Dieter, damit die Unterhaltung nicht abbrach.
«Das Heu muss in den Trog», Mieke zeigte auf eine Ecke und Dieter ergriff ohne ein Wort zu sagen die Heugabel. Die alte Frau schaute den beiden kurz zu, dann zog sie sich zurück. Ohne ein Wort zu reden arbeiteten die beiden Jungen. Als die Tiere gefüttert waren, tritt Mieke vor den Stall.
«Willst du meine Tiere sehen?», Dieter erschrak, als Mieke zu reden begann.
«Ja gerne», Dieter stellte die Heugabel auf den Boden.
«Komm», er verliess den Stall. Auf dem Feld hinter dem Haus konnten er Schafe, Ziegen und ein Pferd, weiden sehen. Mieke rief ihnen und alle trabten heran. Er streichelte sie, die Tiere mochten ihn.
«Jetzt muss ich die Ziegen melken», stellte Mieke fest, «hast du auch schon Ziegen gemolken?»
«Nein, das musst du selber machen, die Tiere sind an dich gewöhnt. Soviel weiss ich, die mögen es nicht, wenn ihnen jemand anderes an die Zitzen geht.»
«Du kennst dich etwas aus.»
«Ja ich habe bei meinen Grosseltern oft im Stall geholfen. Ich muss jetzt nach Hause», entschuldigte sich Dieter, «die Runges essen pünktlich! Frau Runge ist da sehr streng.»
«Gut», war die kurze Antwort.
«Darf ich wieder kommen?», fragte Dieter.
«Willst du denn?»
«Wir werden sehen, ich schau sicher nochmals rein.»
Dieter machte sich auf den Heimweg. Er schaute sich nicht um. Der arme Junge. Was sollte er hier, er hatte das Gefühl, dass er unerwünscht war, aber am Schluss, da war Mieke doch etwas aufgetaut, er wollte es noch einmal versuchen. Er mochte Mieke und das trotzt dem Geheimnis, das er ihm nicht verraten will.
In den folgenden Tagen schaute Dieter so oft wie möglich bei Mieke vorbei. Langsam wurde er zugänglicher. Doch er blieb sehr misstrauisch und erzählt Dieter nie, was er für ein Problem er hatte. Er redete nicht über früher. Damit konnte Dieter gut leben, Mieke brauchte Zeit. Allerdings, viel Zeit blieb Dieter nicht mehr. Ende Woche musste er zurück nach Halle, die vier Wochen waren bereits um.