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Der Jugendklub

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In der neuen Wohnung ging es der Familie Thom wesentlich besser. Mutti Maria arbeitet, nach der Geburt von Olaf, neu als Leiterin im Lebensmittelhandel und verdiente dort bedeutend besser. Auch Vati Siggi hatte sich bei der Deutschen Reichsbahn soweit integriert, dass er eine leitende Funktion erhielt, welche etwas besser bezahlt wurde. Die Probleme mit der Partei waren anscheinend vergessen. Es war nun einfacher für ihn, gewisse Sachen zu organisieren. Die Leute wussten, dass er nicht gleich zum nächsten Parteifritzen rannte, wenn man etwas organisieren musste, welches nicht genau auf der Parteirichtlinie lag. Bei der Deutschen Reichsbahn war die Meinung der Partei nur ganz oben gefragt. Die Jungs, welche die Bahn am Laufen hielten, waren nicht die typischen Parteianhänger, einige waren offiziell in der Partei dabei, scherten sich aber einen Deut um die politischen Parolen, für sie zählte die Kameradschaft und dass man sich auf seinen Kollegen verlassen konnte.

Im Frühjahr hingen Plakate im Wohnviertel, welche auf die Eröffnung des Jugendklubs hinwiesen. Die Eröffnungsfeier sollte, ein Fest der Jugend der DDR, werden. Das war etwas für Dieter und seine Freunde, da mussten sie unbedingt dabei sein.

Zur Eröffnung wurde die Eingangstür festlich mit Blumen und einem Transparent geschmückt. Auf den Transparent stand: Für Frieden und Sozialismus. Der Jugendklub unterstand der Jugendorganisation FDJ, das war klar, doch, dass die Jungen in den Aussenquartieren von Halle, endlich einen eigenen Klub bekamen, war wichtiger, als wer dahinter steckte. Die Hauptsache, man konnte sich hier treffen.

SED Bezirksleiter, hielt die Eröffnungsrede und hoffte, dass mit Hilfe des Jugendklubs die deutsche sozialistische Jugend ihren Raum fand, in dem sie sich auf die wichtige Aufgabe für die Zukunft des Staates vorbereitet konnten. Er überbrachte auch die Grüsse der Bildungsministerin, welche leider trotzt ihrer Verbindung zu Halle, nicht persönlich anwesend sein konnte, sie habe sich jedoch für die Freigabe der Geldmittel eingesetzt und sei massgebend an der Gründung des Jugendklubs beteiligt.

Nach der Ansprache spielte eine Band zum Tanz auf. Dazwischen gab es sportliche Wettkämpfe unter den Jungen der FDJ. Der Meister im Tischfussball und Tischtennis wurden erkoren. Für die Jugend im Viertel war es ein schöner Tag. Man setzte grosse Hoffnungen in den Jugendklub.

Für Dieter wurde der Jugendklub am nächsten Wochenende eine grosse Enttäuschung. Als er mit seinen Freunden in den Klub wollte, wurde er abgewiesen, er sei noch zu jung. Eintritt erst ab 14 Jahren gestattet. Das war für die Jungs ein Schlag in die Magengrube. Damit hatten sie nicht gerechnet.

An jedem schulfreien Nachmittag trieben sie sich in der Nähe des Jugendklubs rum. Sie beobachteten Paul, den Leiter des Klubs genau. Wenn er auf dem Vorplatz auftauchte, um die Eingangstreppe und den Vorplatz zu reinigen, ergriffen sie hilfsbereit den Besen und übernahmen die Reinigung des Vorplatzes. Es blieb nicht nur beim Vorplatz, sie durften auch im Innern helfen, die Spuren des Vorabends zu beseitigen.

Mit der Zeit entstand eine Freundschaft zu Paul. Bei normalen Anlässen, durften sie abends nicht in den Jugendklub, doch, wenn ein grösserer Anlass organisiert wurde, an dem Junge aus der Stadt dabei waren, wie bei einem Konzert einer populären DDR-Band, oder wenn ein Film gezeigt wurde, drückte Paul ein Auge zu und liess Dieter mit seinen Freunden rein.

Schliesslich gehörte Dieter mit seinen Schulfreunden zu den Stammkunden im Jugendklub. Am Samstag spielte oft eine Band zum tanzen auf. Dieter schaute den Tanzenden zu, getraute sich jedoch nicht auf die Tanzfläche. Meistens zogen sie sich in eine Ecke zurück, damit es niemandem auffiel, dass sie noch unter 14 waren.

Doch dann, die Band kündigte eine Damenwahl an und, oh Schreck, die Sabine aus Dieters Schulklasse kam auf Dieter zu und forderte ihn auf, mit ihr zu tanzen. Er konnte sich nicht herausreden, er wurde auf die Tanzfläche geschleppt. Sabine übernahm das Kommando und schob ihn über die Tanzfläche. Mehrmals trat er ihr auf die Füsse oder verlort komplett den Rhythmus. Sie gab sich viel Mühe und Dieter lernte schnell, er bewegte sich wie im Boxtraining, nur diesmal im Takt der Musik. Nach drei Songs konnte er wieder an seinen Platz zurück. Es gab eine kurze Pause.

«Jetzt musst du Sabine zum Tanzen auffordern», bedrängte ihn Gerd, «das ist üblich, wenn man bei einer Damenwahl aufgefordert wurde, muss man sich später revanchieren.»

«Meins du?», fragte Dieter, «ich weiss nicht, wo Sabine sitzt», wollte er sich herausreden.

«Da hinten!», Gerd zeigte in die Richtung. Dieter, wusste es natürlich genau, doch er tat sich schwer, alle würden sehen, wenn er durch den ganzen Saal zu ihr ging. Wenn sie ihn ablehnte, sah er schlecht aus, alle würden ihn auslachen. Nachdem die Band bereits das habe Lied gespielt hatte, sass Sabine immer noch an ihrem Platz und wiegte den Kopf im Takt zur Musik, es war eindeutig, sie wollte Tanzen.

«Na los!», forderte ihn Gerd erneut auf, «sei kein Feigling!»

Das sass, einen Feigling liess sich Dieter nicht nennen, er kämpfte sich zu Sabine durch und bat sie um den Tanz. Sie strahlte und nahm dankend an. Den Schlager den die Musik spielte kannte er, doch er hatte keine Ahnung, wie man dazu tanzt, doch sie packte beherzt zu und führte ihn gekonnt über die Tanzfläche. Die meisten anderen Tanzpaaren, tanzen eng, auch Sabine zog in eng an sich. Er spürte durch die dünne Bluse ihren Körper, ein neues Gefühl wühlte Dieter auf. Zum Glück war das Licht abgedunkelt, sonst hätte man gesehen, dass Dieter das Blut in den Kopf schoss. Er beobachtete die andern Paare, deren Hände waren überall, nur nicht an den Armen. Doch sein Herz klopfte so stark, er traute sich nicht und hielt weiter Sabines Arm fest. Am Schluss des Schlagers drückte ihm Sabine einen Kuss auf die Wange, «danke, du lernst schnell!»

Leider war dies sogleich der letzte Tanz. Die Veranstaltung war beendet. Die jungen Leute mussten den Saal verlassen. Dieter begleitete Sabine nach Hause. Der Alltag hatte Dieter wieder eingeholt. In der Schulpause traf er sich jetzt immer mit Sabine. Gerd, hänselte ihn: «Du hast ja nur noch Sabine im Kopf!».

«Und du bist nur eifersüchtig, weil du noch keine Freundin hast!», konterte Dieter.

Damit war das Thema erledigt. Sie blieben Freunde, auch wenn jetzt das Bienchen, wie sie Sabine nannten, nun zu ihrer Bande gehörte.

Das Boxen kam nicht zu kurz. Nachdem er zwei weitere Kämpfe gewonnen hatte, schickte ihn sein Trainer zum Boxclub SC Chemie Halle ins Training. Dort übernahmen Herr Gath und Rolf Caroli die Leitung des Trainings. Es wurde vier Mal pro Woche trainiert.

Dann, endlich Sommerferien. Acht Wochen keine Schule. Wie üblich, durften die Schüler zwei Wochen in einem Betrieb arbeiten, um etwas Geld zu verdienen. Dieter suchte einen Ferienjob und fand schliesslich eine Arbeit in einem Kunststoffbetrieb. Die Firma Poli Plast stellte verschieden Kunststoffteile her. Die Aufgabe von Dieter bestand darin, die von einer Maschine produzierten Becherstapel in eine Kartonschachtel einzupacken. Diese Arbeit war sehr langweilig. Doch er brauchte das Geld, denn nach diesem Job, ging es ins Ferienlager der Deutschen Reichsbahn und da konnte man ein bisschen Taschengeld gut brauchen.

Mit gepacktem Rucksack stand Dieter am Bahnhof in Halle. Seine Mutti verabschiedete ihn. Der Extrawagen wurde am Ende des Zugs angehängt. In Mulda im Erzgebirge hielt der Zug und sie mussten aussteigen.

Nach einem kurzen Fussmarsch erreichten sie das Gelände für das Lager. Sie wurden auf die zwei Baracken, eine für die Mädchen, die andere für die Burschen, verteilt. Jedem wurde eines der zweistöckigen Betten zugeteilt. Dieter durfte oben schlafen, da hatte es mehr Platz. Allmählich spielte sich das Lagerleben ein. Es wurde viel Sport getrieben. Abends sass man am Lagerfeuer und sang Lieder. Die sportliche Rothaarige, welche sich neben Dieter setzte hiess Zoe. Am nächsten Morgen gelang es Dieter, dass er ins gleiche Korbballteam wie Zoe eingeteilt zu wurde. Wann immer es möglich war, spielte Dieter den Ball Zoe zu, die so einige schöne Körbe erzielen konnte, worüber sie sich freute. Nach dem Spiel bedankte sie sich bei Dieter mit einem mutigen Kuss, den Dieter sichtlich genoss. Bei der Umarmung spürte er ihre tolle Figur.

In den folgenden Tagen schauten die Beiden immer, dass sie in die gleiche Gruppe eingeteilt wurden. Mit grossem Einsatz kämpfte Dieter ums Sportabzeichen. Mit vollem Einsatz, erkämpfte er das goldene Abzeichen, was nur wenige schafften. Zoe war mächtig stolz auf ihn und spazierte mit Dieter händchenhaltend durchs Lager.

In der zweiten Woche wurde ein Boxturnier ausgetragen. Die Gegner wurden ausgelost. Wer als Sieger aus dem Ring stieg, kam eine Runde weiter, der Verlierer schied aus. Die ersten beiden Kämpfe waren für Dieter kein Problem, er dominierte seine Gegner dank seiner Geschwindigkeit und seinem guten Auge. Doch der Gegner für den Finalkampf war drei Jahre älter und wesentlich schwerer als Dieter. Während er die ersten Gegner noch überraschen konnte, war dieser Gegner gewarnt, er wusste, dass Dieter sich gut im Ring bewegte, da er seinen letzten Kampf gesehen hatte.

Das Finale war natürlich ein Grossereignis im Lager. Alle Kinder versammelten sich am Ring und sorgten für eine gute Stimmung. Der Leiter gab den Kampf frei. Die beiden Boxer tatsteten sich ab. Nur zögernd kam Dieter aus seiner guten Deckung hervor. Der körperlich überlegene Gegner versuchte ihn zu treffen, doch Dieter konnte geschickt ausweichen. Nach jedem Angriff konnte er einen Konterschlag im Ziel platzieren. Meisten auf den Körper. Doch je länger der Kampf dauerte, umso mehr Treffer konnte er landen. Sein Gegner hatte bereits ein blaues Auge. Immer auf der Hut, dass er dem Gegner keine Gelegenheit zu einem harten Schlag bot, brachte Dieter den Kampf problemlos über die drei Runden, er war klarer Sieger nach Punkten.

Sein Gegner war wütend, doch als ihm Dieter erklärte, dass er im Boxclub Halle trainierte und schon einige Kämpfe gewonnen hatte, war sein Gegner plötzlich stolz auf seine Leistung. In den folgenden Tagen waren sie oft zusammen unterwegs. Dieter zeigte ihm einige Tricks und wie man sich im Kampf taktisch richtig verhält. Zoe war nach seinem Sieg noch mehr von Dieter begeistert und folgte ihm Schritt auf Tritt.

Wenn sie alleine waren, versuchte Dieter ihren tollen Körper genauer kennen zu lernen. Doch immer wenn er glaubte, dass er jetzt am Ziel sei, blockte sie im letzten Moment ab und brachte ihre Kleidung unter einem Vorwand wieder in Ordnung. Dieter war etwas frustriert.

Als sie aus dem Dunkeln zurück zum Lagerfeuer schlenderten, meine er: «Schon wieder ein Fuchs und keine Flinte.»

Zoe sah Dieter verwundert an, dann löste sie die Hand und rannte weinend davon. In Bezug auf ihre roten Haare war sie zu oft gehänselt worden, sie konnte den Spruch nicht witzig finden, wie es Dieter eigentlich gemeint hatte. Es traf sie an ihrem wunden Punkt. Die restliche Zeit ging Zoe ihm aus dem Weg, er konnte sich nicht einmal bei ihr entschuldigen. Schade, denn sie war eine tolle Freundin. Es sollte Dieter eine Lehre sein, bei Spässen muss man darauf achten, dass sie für den andern nicht verletzend sind.

Der Drang nach Freiheit

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