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Besuch bei den Grosseltern
ОглавлениеDer 31. Oktober 1957 fiel auf einen Donnerstag. Vati hatte noch einige Tage Urlaub zu gut. So fuhr die ganze Familie Thom am Reformationstag nach Zörbig. Die kleine Monika musste unbedingt den Grosseltern vorgestellt werden. Die Fahrt mit der Strassenbahn zum Bahnhof dauerte fünfundvierzig Minuten. Danach noch eine ganze Stunde mit dem Zug. Am Bahnhof in Zörbig wurde Familie Thom von der gesamten Verwandtschaft begrüsst.
Monika war sofort der Star und wurde von einem zum andern weitergereicht. Als sie zu schreien anfing, nahm sie Mutti in Obhut, die Besichtigung war vorerst abgeschlossen. Man machte sich auf den Weg zum Haus der Grosseltern.
Die wohnten in einem riesigen Herrenhaus. Im Gegensatz zu früher, als es die Herrenfamilie allein wohnte, teilen sich jetzt fünf Familien das Haus. Während Oma mit Mutti in der Küche verschwand, zeigte Opa das Zimmer, in dem er für Vati und Mutti ein Bett eingerichtet hatte. Anschliessend stiegen sie auf den Dachboden, dort lagen zwei Matratzen für die beiden Buben bereit.
Nun war Mutti an der Reihe und erzählte ausführlich, wie das mit der Geburt ablief. Dazu folgten die technischen Daten von Monika, Länge und Gewicht wurden auf Zentimeter und Gramm genau angegeben. Die Buben waren mit dem Essen fertig und Opa erlaubte Florian, und Henri, dass sie Wolfgang und Dieterchen, die Scheune des Bauernhofs zeigen durften.
Das war ein Erlebnis. Die Scheune war als Spielplatz ein Traum.
Gegen Abend halfen sie dem Bauer beim füttern der Kühe. Dieterchen erhielt ein Becher Milch frisch ab Zitze. Es schmeckte ausgezeichnet, in Halle gab es nie frische Milch.
Nach dem Nachtessen waren die Buben so müde, dass sie sogar gerne schlafen gingen, die Matratzen auf dem Estrich versprachen eine spannende Nacht.
Am Samstagmorgen waren die Buben schon früh wach und halfen dem Bauer beim Melken der Kühe. Es gab wieder frische Milch, köstlich! Plötzlich war vor dem Stall Lärm zu hören. Natürlich rannten alle nach draussen. Mit einem lauten Gedröhne, fuhr ein Auto vor. Es war ein Verwandter von Familie Schmitt, welche eine Stockwerk unter Opa wohnte.
Alle Bewohner des Hauses versammelten sich auf dem Vorplatz. Dort stellte der Ankömmling sein Auto, ein VW Käfer ab. Ein Auto, welche Sensation. Dazu noch eines aus dem Westen. Mit erhobenem Kopf stieg der Fahrer aus und begrüsste als erstes seine Tante.
«Das ist Onkel Hubertus», erklärte das Mädchen mit den langen Zöpfen dem Dieterchen, «er wohnt in Dortmund und kommt uns besuchen. Er bleibt eine Woche.»
«Aus Dortmund?», fragte Dieterchen, «wo liegt das?»
«Das liegt in Westdeutschland», klärte ihn das Mädchen auf, «er ist mein Onkel und arbeitet in der Autofabrik».
Inzwischen begrüsste Onkel Hubertus auch die andern Familienmitglieder. Auch seine Nichte wurde umarmt.
«Hallo Hilde, du wirst ja immer grösser und hübscher! Da habe ich was für dich.»
Er überreichte Hilde ein Paket mit Schokolade. Sie bedankte sich mit einem Kuss bei Onkel Hubertus.
«Für die 450 Kilometer habe ich sieben Stunden gebraucht», erklärte er stolz, «hier im Osten konnte man noch nicht so schnell fahren wie im Westen. Da gibt es Autobahnen.»
Angeber, denkt Dieterchen.
Dieterchen stand immer noch direkt neben Hilde. Als sie wegen einem sich vordrängenden Nachbar einen kleinen Schritt zur Seite machte, berührten sich die Hände von Dieterchen und Hilde einen kurzen Augenblick. Dieterchen erschrak, zog aber die Hand nicht weg. Die Berührung dauerte nur einige Sekunden, doch Dieterchens Herz begann wild zu schlagen. Sie hatte nicht sofort zurückgezogen. Nach endlos langen drei Sekunden, war der Nachbar vorbei und Hilde stand wieder an ihrem alten Platz, immer noch nahe bei Dieterchen, doch sie berührten sich nicht mehr.
Allmählich verzogen sich die Leute vom Hof und gingen zurück zu ihrer Arbeit. Auch Dieterchen musste noch im Kuhstall helfen.
Die drei Tage in Zörbig vergingen wie im Flug. Dann musste Familie Thom zurück nach Halle. Das verlängerte Wochenende war vorüber, morgen musste Vati wieder arbeiten. Opa und Günter begleiteten sie noch zum Bahnhof. Dieterchen war traurig, weil er Hilde nicht mehr gesehen hatte.