Читать книгу Die besten 10 Liebesromane November 2021: Romanpaket - Glenn Stirling - Страница 10

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„Guten Morgen. Sie sind Frau Brinkhorst, nicht wahr? Ich bringe Ihnen das Frühstück und Ihre Medikamente. Nachher kommt der Doktor zur Visite ... Frau Brinkhorst?“

Praktisch jede Stunde hatte die Nachtschwester einmal in das Zimmer hineingeschaut und alles in Ordnung gefunden. Als jetzt die Schwester der Frühschicht, Anja, das Frühstücktablett abstellte, sah sie, dass Jule schweißbedeckt war und um Atem rang, während die Hände fahrig und unbewusst über die Bettdecke tasteten.

Anja steckte den elektronischen Stift, mit dem sie draußen die Anwesenheit signalisierte, in die Öffnung für den Notfall. Sofort gab es draußen auf dem Flur und im Schwestern zum Alarm. Anja riss die Bettdecke weg und öffnete das Nachthemd, gleich darauf kam die Stationsschwester Lea herein, dicht gefolgt von Dr. Lukas, dem noch sehr jungen Assistenzarzt. Er horchte hastig den Brustkorb ab.

„Hat sie schon ihre Medikamente bekommen?“

„Nein, ich habe sie gerade gebracht.“

„Sofort EKG, Eiltempo bitte.“

Lea nickte Anja zu, und die packte Jule, die nicht mehr ansprechbar war, wieder unter die Decke und fuhr das Bett hinunter in den Untersuchungstrakt.

Sehr bleich und irgendwie klein lag Jule Brinkhorst gegen Mittag wieder in ihrem Bett. Noch während des EKG war sie wieder zu sich gekommen, angesichts der Umgebung und der Verkabelung bekam sie zunächst Angst und riss alles herunter, bevor es zwei Schwestern gelang, sie wieder zu beruhigen. Schließlich begann sie zu weinen.

„Großer Gott, bin ich denn so schlimm krank?“, heulte sie. „Was ist das denn? Muss ich vielleicht sogar sterben?“

Das war der Augenblick, in dem Sören Wiebold hereinkam, der sich eigentlich auf der Station nach dem Befinden der besonderen Patienten erkundigen wollte. Man hatte ihn zum EKG geschickt. Mit zwei raschen Schritten war er bei ihr und umfasste sanft ihre Schultern.

„Du wirst natürlich nicht sterben, Jule“, erklärte er mit fester Stimme und ging ganz selbstverständlich zum Du über.

„Aber – ich fühle mich – ach, so schrecklich – weshalb bin ich immer wieder ...“ Tränen liefen in Strömen über ihr Gesicht, und sie klammerte sich mehr als nur haltsuchend an Sörens Händen fest. „Du darfst mich jetzt nicht verlassen – bitte, bleib bei mir“, flehte sie. Ihre großen blauen Augen ließen den Arzt kaum zur Ruhe kommen, er hatte keine Chance unbeeinflusst nachzudenken.

„Ist schon gut, Jule, ich bleibe hier, wenn dir so viel daran liegt.“

Die Untersuchungen waren recht schnell erledigt, und Sören konnte nichts neues beunruhigendes entdecken. Da sein Vater jedoch die Anamnese der Vorerkrankungen und andere Einzelheiten aufgenommen hatte, wollte er sich nicht einmischen und voreilig etwas sagen.

Zum Erstaunen der Stationsschwester brachte Sören die Patientinnen selbst auf die Station zurück und suchte dann seinen Vater im Sprechzimmer auf.

„Was machst du schon hier, du hast doch gar keinen Dienst“, wunderte sich der Senior, lächelte dann aber. „Kann es sein, dass eine hübsche junge Dame eine bemerkenswerte Anziehungskraft besitzt?“

Sören zuckte verlegen die Schultern. „Ich habe sie aus dem Wasser gezogen und fühle mich in gewisser Weise für sie verantwortlich. Vielleicht wäre es gar nicht zu diesem Zusammenbruch gekommen, hätte ich die Wettfahrt ...“

„Nun reicht es aber“, unterbrach der Ältere energisch. „Es ist mir neu, dass du dich mit Schuldvorwürfen quälst – noch dazu, wo die vollkommen überflüssig sind. Dieser Zusammenbruch war ebenfalls völlig überflüssig.“

Er warf einen Blick auf die Daten der aktuellen Untersuchungen, verglich sie mit den bisher erhobenen Ergebnissen und brummte gutmütig.

„Nicht lebensbedrohlich, das hast du sicher auch schon gesehen. Herzrhythmusstörungen nach einer akuten Influenza. Frau Brinkhorst hat sich zu früh zu viel zugemutet, demnach hat ihr Körper auf dem Brett einfach gestreikt – beziehungsweise tut er es noch. Nun, komm, mein Junge, wir gehen gemeinsam zu ihr und berichten ihr, dass sie mit einigen wenigen Medikamenten, vorsichtiger Krankengymnastik und viel Ruhe schon bald wieder auf den Beinen ist. Das Kitesurfen kann sie sich allerdings für wenigstens vier bis sechs Wochen abschminken.“

Sören war erleichtert, diese Diagnose deckte sich mit dem, was auch er aus den Daten gelesen hatte. Trotzdem lag es in der Pflicht des behandelnden Arztes Jule auf die Gefahren einer Überlastung hinzuweisen. Als die beiden Ärzte im Krankenzimmer eintrafen, erschrak Jule zunächst, doch der ältere Doktor lächelte beruhigend und machte eine abwehrende Handbewegung.

„Keine Sorge, Frau Brinkhorst, und bitte auch keine zusätzliche Aufregung. Ihre Erkrankung müssen wir ernst nehmen, aber es besteht kein Grund zur Beunruhigung. Wir kriegen das gemeinsam in den Griff.“ Er schaute die junge Frau über seine Goldrandbrille hinweg an, bemerkte, dass deren blaue Augen den Blick von Sören festhielten und freute sich ein wenig, dass sein Sohn doch endlich mal Interesse für eine andere Frau als Judith zeigte. Auf den ersten Eindruck legte er in der Regel viel Wert, und Jule Brinkhorst wirkte intelligent und sympathisch, auch wenn er sie nicht so recht einordnen konnte. Nun, das musste Sören selbst wissen.

Dr. Thorben begann zu erklären, was seine Diagnose bedeutete.

Er hob die Augenbrauen.

„Ich schlage vor, dass Sie zunächst hier in der Klinik bleiben, es gibt hier alle Möglichkeiten für die Reha, und außerdem kann dadurch sichergestellt werden, dass bei einem nochmaligen Notfall Hilfe vor Ort ist. Allerdings dürften die Medikamente einen weiteren Anfall verhindern.“

„Ja, natürlich bin ich damit einverstanden“, sagte sie rasch und lächelte Sören an, der gerade ein strenges Gesicht machte.

„Du warst ziemlich leichtsinnig“, warf er ihr vor. „Dein Hausarzt, oder zumindest der behandelnde Arzt bei der Influenza muss dich jedoch gewarnt haben, zu früh wieder mit dem Sport zu beginnen. Da hätte selbst ein ausgedehnter Waldlauf zur Gefahr werden können. Kitesurfen ist ein kräftezehrender Sport. Ich will mir gar nicht vorstellen, was hätte passieren können, wenn du allein draußen gewesen wärst.“

„Nun, ich – der Doktor sagte ...“

„Wer war denn Ihr behandelnder Arzt? Wir brauchen unbedingt Ihre Krankenakten, damit wir die Medikation an Ihre bereits erhobenen Daten anpassen können.“

Erschrecken flog über ihr Gesicht, aber so kurz, dass Dr. Wiebold glaubte, sich getäuscht zu haben.

„Ich – äh – Dr. Meinberg heißt er, glaube ich“, erwiderte sie lahm.

„In Hamburg?“

„Nein, in – in ...“

Nun runzelte der Arzt die Stirn, sie bemühte sich um ein verlegenes Lachen. „Bitte entschuldigen Sie, ich habe da was verwechselt. Dr. Meinberg war früher mein Hausarzt, in Hamburg hat mich ein Dr. Streiter behandelt. Ich werde ihn gleich anrufen, dann kann er die Unterlagen hierher schicken.“

„Das geht von uns aus viel einfacher, weil wir eine direkte gesicherte Leitung benutzen können“, bemerkte Doktor Thorben und war erstaunt, weil sie heftig den Kopf schüttelte.

„Das möchte ich nicht“, erklärte sie energisch. „Muss das denn unbedingt noch heute und sofort sein?“ Jule regte sich sichtlich wieder auf, und das würde ihrem Herzen gar nicht gut bekommen.

Dr. Wiebold zog ein missmutiges Gesicht, aber Sören lächelte aufmunternd und legte ihr sanft eine Hand auf den Arm.

„So wichtig ist das doch wirklich nicht, Vater, oder?“

Thorben sah, dass sein Sohn offenbar zarte Gefühle entwickelte und stellte ihm zuliebe die Dringlichkeit zurück, die Sören unter anderen Umständen vermutlich selbst befürwortet hätte. Er nahm sich jedoch vor, später unter vier Augen mit seinem Sohn darüber zu reden. Persönliche Gefühle sollten einen Arzt nicht daran hindern, seiner Berufung nachzugehen.

„Nun gut, Frau Brinkhorst, dann rufen Sie bitte selbst an und bitten den Kollegen um die Übersendung der elektronischen Krankenakte. So geht es am schnellsten. Denken Sie bitte daran, dass bei Ihrer Behandlung die Vorgeschichte unbedingt wichtig ist.“

Sie produzierte ein kleines Lächeln. „Danke, Herr Doktor.“

Er nickte. „Ich gebe meine Anweisungen an die Schwestern weiter, man wird Ihnen einen Terminplan geben, so dass Sie wissen, wann Sie wohin gehen sollen.“ Noch immer verstimmt reichte er ihr die Hand und ging.

Sören setzte sich auf die Bettkante.

„Ich habe mich noch gar nicht angemessen bei dir bedankt“, sagte Jule mit warmer Stimme und streckte gleich beide Hände aus, die er etwas verlegen ergriff.

„Ich habe nur getan, was jeder andere auch gemacht hätte. Du warst in Not, in Seenot sogar, und ich freue mich, dass ich helfen konnte.“

„O je, ich hatte im Laden die Ausrüstung nur geliehen, der Besitzer des Geschäfts wird ganz schön sauer sein.“

„Glaube ich eher nicht. Jan ist ein Freund von mir, und ich habe ihn noch vom Strand aus angerufen. Er hat die beiden Ausrüstungen mit dem Motorboot eingesammelt – zumindest das, was noch brauchbar war. Ich hoffe jedenfalls, dass alles zu finden war. Für die Schäden stellt er eine Rechnung auf, die kann seine Versicherung übernehmen, schließlich handelte es sich um einen Notfall. Es gibt keinen Grund, aus dem Jan sauer auf dich sein sollte.“

Sie nickte zerstreut. „Die Versicherung, ja, natürlich, daran habe ich gar nicht gedacht.“

„Was bist du eigentlich von Beruf?”

„Wieso?”

„Wir müssen deinen Arbeitgeber benachrichtigen.”

„Ah, ja...”

„Kannst du mir die Anschrift aufschreiben?“

„Nun...”

„Wie lautet sie?”

Sie schüttelte den Kopf, anstatt ihm eine Antwort zu geben.

„Völlig unnötig.”

„So?”

„Ich bin mein eigener Herr und bin in – in der Investmentbranche tätig.”

„Also selbstständig.”

„Ja.”

„Das ist natürlich etwas anderes.”

„Wie gut, dass ich mir einige Tage Urlaub gegönnt habe, so kommt es nicht zu Terminproblemen. Aber genug jetzt von solch ernsten Themen.”

„Meinetwegen.”

„Komm, erzähle mir was von dir.”

„Von mir?”

„Du bist Arzt und arbeitest hier mit deinem Vater zusammen?”

„Das stimmt.”

„Das stelle ich mir spannend vor.”

„Naja...”

„Oder kommt es bei euch zu Reibereien?“

Sören lachte auf. „Es kommt durchaus vor, dass wir bei einem Patienten unterschiedlicher Meinung sind, aber das tragen wir nicht nach Hause.“ Er berichtete nur kurz, dass sein Vater die Klinik leitete und versuchte dann seinerseits, etwas mehr über Jule zu erfahren, doch sie wich jeder Frage geschickt aus und lenkte ihn immer wieder ab. Von Zeit zu Zeit erklang Gelächter durch die Tür bis auf den Flur.

Gerade hatte Schwester Laura ihren Dienst angetreten und hörte natürlich zu. Ihr Gesicht versteinerte, aber sie machte ihre Arbeit sorgfältig und gewissenhaft. Schwester Roswitha entging es allerdings nicht, dass Laura immer wieder missmutige Blicke in Richtung des fraglichen Patientenzimmers warf. Diese unerfüllte Liebe war hoffnungslos, aber Roswitha hoffte, dass es nicht zu Schwierigkeiten kam. Mehr als kameradschaftliche Freundlichkeit hatte Sören der Krankenschwestern nie entgegengebracht, und mehr konnte sie auch nicht erwarten.

Leider.

Sie seufzte jedesmal, bei diesem Gedanken.

Aber sie war auch realistisch genug, um sich keine weitergehenden Hoffnungen zu machen.

Tat sie auch nicht. Weil ihr jedoch viel an ihm lag, trachtete sie ganz einfach danach, ihn zu beschützen.

Diese Frau, Jule Brinkhorst, war eine Gefahr für Sören. Noch immer konnte Laura diese Abneigung an nichts festmachen, sie wusste einfach, dass es so war, und sie akzeptierte dieses Gefühl. Also konnte sie Jule nur im Auge behalten.

Als sie mit ihren Überlegungen soweit gekommen war, flog ein Lächeln über ihr Gesicht, was sie für einen Moment ausgesprochen hübsch machte. Aus dem langweiligen Dutzendgesicht wurde eine beeindruckende Erscheinung. Gleich darauf wechselte der Ausdruck wieder, Laura wurde erneut zu einem Durchschnittsmädchen, das nur wenigen Männern einen zweiten Blick wert war.

Auch diese kleine Veränderung hatte Schwester Roswitha bemerkt. „Das Mädchen braucht einen Freund, damit es auf andere Gedanken kommt“, seufzte sie vor sich hin.

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