Читать книгу Die besten 10 Liebesromane November 2021: Romanpaket - Glenn Stirling - Страница 13
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Es war spät am Abend, der Mond stand hoch am Himmel, die Nordsee rauschte unablässig, und der strenge Duft nach Meer und Salz erfüllte die Luft. Die Schritte des Mannes, der hier am Strand entlang ging, wurden von den unaufhörlichen Geräuschen der Nordsee verschluckt. Dies hier war eine wenig bekannte Bucht, die in der Nähe der Harm-Breding-Klinik lag, sie war der bevorzugte Ort für Dr. Thorben Wiebold, um Ruhe zu finden und abzuschalten. Das gesamte große Grundstück befand sich im Privatbesitz, und außer dem Eigentümer, der nur selten auf Sylt war, gab es nur wenige Menschen, die hierher kamen. Thorben und sein Sohn waren zwei davon.
Es war schon nach zweiundzwanzig Uhr, und Thorben machte mit seinem Hund, dem übermütigen Cockerspaniel Bodo, den letzten Spaziergang des Tages. Das war ein Ritual, von dem er nur dann abwich, wenn es einen Notfall in der Klinik gab. Das kann zwar immer wieder einmal vor, aber jeder wusste, dass Dr. Thorben diese langen Spaziergänge brauchte, um mit der harten Realität fertig zu werden. Um den überaus aktiven Hund zu necken warf er Steine oder Muscheln ins Wasser, denen Bodo schwanzwedelnd hinterherrannte, ohne sie jemals zu finden. Mit aufgestellten Ohren und gelegentlichem Bellen beschwerte sich Bodo darüber, dass er Gegenstände aus dem Wasser nicht apportieren konnte, aber er kam jedes Mal fröhlich aufgeregt zu seinem Menschen zurück, nur um im nächsten Augenblick erneut nach einem Stein zu suchen.
Der stetige Wind drückte Hose und Jacke gegen den schlanken Körper des Arztes, die leicht ausgestellten Rockschöße eines englischen Jacketts wirbelten bei jedem Windstoß mit. Thorben Wiebold hatte eine Vorliebe für den englischen Stil mit dem bequemen Schnitt von Tweed-Stoffen, zahllosen Taschen und kontrastierenden Flicken an den Ellenbogen. Zufrieden hielt er das Gesicht in den Wind und genoss den Geschmack von Salz auf der Zunge. Ab und zu warf er einen Blick auf den Zugang zur Bucht, wo er hoffte, seinen Sohn Sören zu sehen. Es kam oft vor, dass Vater und Sohn gemeinsam diesen Abendspaziergang machten, aber heute hatte Thorben extra darum gebeten, dass sein Sohn nach dem Dienst zu ihm kam.
Die Schicht war schon einige Zeit zu Ende, Thorben vermutete, dass Sören zunächst noch Jule Brinkhorst aufsuchte. Genau darüber wollte er mit ihm reden. Seiner Meinung nach ging das alles viel zu schnell. Sollte aus der Lebensrettung eine dauerhafte persönliche Verantwortung werden?
Nun endlich kam Sören im leichten Joggertrab angelaufen. Er war nicht mal außer Atem, als er seinen Vater erreichte und sich dann niederbeugte, um Bodo eine Portion Streicheleinheiten zu geben.
„Ist alles in Ordnung, oder gab es noch besondere Vorfälle?“, erkundigte sich der Klinikleiter.
„Nichts Auffälliges, nichts Besonderes, nein. Das ist schon fast unnormal. Wahrscheinlich kommt es in den nächsten Tagen dann knüppeldicke“, erwiderte Sören lächelnd. „Aber du wolltest noch mit mir sprechen, Vater. Ist irgendetwas passiert? Gibt es etwas Wichtiges? Oder können wir das auf morgen verschieben?“
„Ich nehme an, du möchtest noch eine Art Hausbesuch machen?“
„Ja, du hast recht, ich möchte noch zu Jule.“
„Genau darüber möchte ich mit dir reden.“
Sören runzelte die Stirn. „Stört es dich, dass ich sie sehr sympathisch finde? Magst du sie nicht? Was stimmt denn deiner Meinung nach nicht mit dir?“
„Ich finde Frau Brinkhorst durchaus sympathisch“, gab Thorben zu und begann langsam wieder an der Wasserlinie weiterzugehen.
„Da kommt doch noch ein aber?“
„Ja, du hast recht, mein Junge. Bei aller Sympathie erscheint mir die junge Dame doch etwas merkwürdig. Ihre Auskünfte und Antworten sind vage und ausweichend.“
„Wie meinst du das?“
„Nun, ihre Aussagen hörten sich für mich so an, als müsste sie erst überlegen oder wären rasch erfunden. Schon bei der Frage nach dem Hausarzt wurde ich stutzig, und die etwas lahme Auskunft hat mich auch nicht überzeugt, so dass ich im Ärzteverzeichnis nachgesehen habe. Ich konnte keinen Kollegen dieses Namens finden. Allerdings hatte sie in der Tat eine Influenza und muss demnach medizinisch versorgt worden sein.“
„Das alles muss aber doch nichts zu bedeuten haben“, erwiderte Sören leichthin. „Sie wird sich geirrt haben, du meine Güte. Ich finde nichts dabei, schließlich war sie gerade dem Tod von der Schippe gesprungen. Nein, Vater, ich finde das jetzt nicht ungewöhnlich oder merkwürdig. Worauf willst du eigentlich hinaus?“
„Ach, ich weiß es selbst nicht genau, das ist nur ein Gefühl“, gestand der Ältere. „Es macht mich nur stutzig, und ich möchte nicht, dass du enttäuscht wirst, nachdem schon ...“
„Nachdem Judith mich ins offene Messer laufen ließ“, vollendete Sören den Satz.
„So drastisch wollte ich das jetzt nicht ausdrücken. Ihr hattet unterschiedliche Ansichten, die immer wieder aufeinandergeprallt sind, obwohl ihr beide euch durchaus bemüht habt, Kompromisse zu finden. Aber Judith ist eine Frau mit sehr festen eigenen Ansichten. Du wünscht dir eine Familie und eine Frau, die für dich da ist. Judith will ihren Beruf ausleben, an Projekten in der ganzen Welt arbeiten und nicht wirklich sesshaft werden. Eine Familie ist für sie etwas Abstraktes. Sie braucht keinen Ruhepol, sie will nur eine Art Stützpunkt. Oh – ich zweifle nicht daran, dass sie viel für dich empfindet – empfunden hat – und ich fand sie immer sehr sympathisch ...“
„In der Tat, sehr sympathisch, wenn ich mich nicht irre“, warf Sören ein. „Du hast sie schon früher als Schwiegertochter ins Auge gefasst, und ich fürchte, du siehst es als persönliche Beleidigung, dass sie nicht bereit ist, ihre Vorstellungen den unseren anzupassen.“
„So weit würde ich nicht gehen, aber ja, ich bin enttäuscht. Doch ich habe die Probleme zwischen euch nie ignoriert. Ihr seid erwachsene Menschen und müsst eure eigenen Entscheidungen treffen. Das gilt nun auch für dich und Jule, ich will und werde mich nicht einmischen, du solltest nur darüber nachdenken, was ich gesagt habe. Ich will nicht, dass man dir wehtut, niemand sollte das tun.“
„Ich glaube, du siehst ein wenig zu schwarz, Vater. Ich bin sicher, Jule kann das alles aufklären“, meinte Sören beschwichtigend.
„Nun, wahrscheinlich hast du recht, und ich reagiere ein bisschen zu heftig. Lass uns nach Hause gehen, Anna wird sich schon wundern – ach nein, ich gehe nach Hause, und du machst einen sehr speziellen Hausbesuch.“
Thorben schmunzelte und winkte Sören zum Abschied zu. Der setzte sich wieder in Trab und lief auf die Klinik zu, wo Jule hoffentlich noch auf ihn wartete.