Читать книгу Die besten 10 Liebesromane November 2021: Romanpaket - Glenn Stirling - Страница 9
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„Ganz ruhig weiter atmen, Frau Brinkhorst. Ja, so ist es gut.“ Die ruhige sonore Stimme von Dr. Thorben Wiebold verfehlte auch in diesem Fall ihre Wirkung nicht.
Jule Brinkhorst atmete ruhig weiter, doch ihre Augen ruhten mit einem ängstlichen Blick auf den älteren Mann, der in seinem Leben schon unzählige Patienten behandelt hatte.
Direkt nach der Ankunft in der Klinik hatte man Jule in Empfang genommen und erste Routineuntersuchungen vorgenommen. Dann traf auch Sören Wiebold ein, er berichtete dem Internisten Dr. Arthur Jablonski, was geschehen war. Die beiden Männer schätzten sich, und so hatte der Internist keine Hemmungen, den anderen zu bremsen.
„Sören, du siehst aus, als wenn du ein persönliches Interesse an der Patientin hättest. Das ist nicht gut. Du solltest Diagnose und Behandlung einem von uns überlassen.“
Sören Wiebold stutzte und runzelte die Stirn. „Wie kommst du auf ein persönliches Interesse? Du lieber Himmel, ich habe die Frau vor gut einer Stunde zum ersten Mal gesehen. Wir sind spontan um die Wette gefahren, das war alles.“
Jablonski sagte kein Wort, er hoffte darauf, dass Wiebold die Bedeutung der Worte und seine eigene Aufregung begriff, so dass er die Vernunft wieder einschaltete.
Ja, wirklich. Sören hielt inne, schaute den Kollegen an und grinste dann verlegen. „Habe ich mich sehr danebenbenommen?“
Arthur lachte leise auf. „Du kommst in deiner Freizeit wie ein Verrückter angerannt und willst dich um eine Patientin kümmern, die du gerade selbst aus dem Wasser gefischt hast. Das lässt zumindest die Interpretation offen, dass da mehr ist als eine flüchtige Bekanntschaft. Es hat dich also entweder schlagartig erwischt, oder du traust uns nicht zu, eine ordentliche Diagnose zu erstellen. Da ich jedoch unsere Fähigkeiten kenne, gehe ich ganz dreist von Ersterem aus.“
Sören lachte auf. „Okay, du leidest nicht an mangelnden Selbstbewusstsein – aber das wohl zu Recht. In Ordnung, ja, ich bin bezaubert von dieser jungen Frau, und du verstehst sicher, dass mir schon etwas daran liegt, sie in den besten Händen zu wissen.“
„Du musst dich nicht entschuldigen, Sören. Bitte doch einfach deinen Vater um die Behandlung. Nach allem, was ich an Hand der Krankenkassenkarte gesehen habe, hat sie ohnehin Anspruch auf Chefarztbehandlung und Privatzimmer. Du hast einen Goldfische aus der Nordsee gezogen.“
Sören Wiebold schüttelte lachend den Kopf und beschloss, dem Rat des Kollegen zu folgen.
Dr. Thorben Wiebold schaute über die Brillengläser hinweg auf seinen Sohn. Eine solche Bitte für eine keinesfalls todkranke Patientin war ungewöhnlich. Sören würde sicher gute Gründe haben, ihn darauf anzusprechen. Also waren die beiden in die Notaufnahme gegangen.
Arthur Jablonski zeigte ein breites Grinsen und erklärte, was er bis jetzt angeordnet hatte. Thorben Wieland wandte sich sofort Jule zu und machte seine eigenen Untersuchungen. Arthur ging an Sören vorbei und raunte über die Schulter: „Ich kann dich fast beneiden.“
Der ältere Arzt blickte nach dem ersten Abhorchen auf das noch sehr übersichtliche Krankenblatt. „Schwester Nicole bringt Sie jetzt zum Röntgen, zum EKG und EEG. Wir werden schon herausfinden, weshalb Sie fast ein nasses Grab in der Nordsee gefunden haben, junge Frau.“
„Und Dr. Wiebold ...“, begann sie.
„Sören? Ist mein Sohn, er wird sich schon um Sie kümmern, so weit das nötig ist. Erst einmal sind Sie bei uns gut aufgehoben.“
Es war nicht Schwester Nicole, die Jule Brinkhorst nach oben zum Röntgen fuhr. Schwester Laura Stettner, seit fast drei Jahren hier in der Klinik tätig, übernahm den Transport. Sie gehörte zu denen, die hoffnungslos in den attraktiven Arzt verschossen waren, machte sich aber keine ernsthaften Hoffnungen, dafür war sie zu realistisch. Doch wenn sie ihn schon nicht haben konnte, wollte sie wenigstens ein Auge auf die Frauen werfen, die sich ernsthaft für Dr. Wiebold interessierten – oder andersherum. Jede Frau würde bei Laura durch eine spezielle Kontrolle gehen müssen. Das galt auch, und ganz besonders sogar, für Jule Brinkhorst.
Vom ersten Augenblick an, tatsächlich vom ersten Blick an, hatte die hübsche Schwester Laura eine fatale Abneigung gegen die Patientin verspürt. Es gab keinen bestimmten Grund dafür; weder war Jule unfreundlich gewesen, noch gab es etwas in ihrem Umfeld, was dieses Gefühl hervorrufen konnte.
Es war einfach so etwas wie eine atmosphärische Störung.
Etwas Chemisches.
Eine Abneigung, die schwer zu begründen, aber trotzdem sehr manifest war.
Kurz nach dem Unfall hatte jemand aus der Surfschule von Jan Peters die Tasche mit den persönlichen Habseligkeiten von Jule Brinkhorst in die Klinik gebracht. Da sie ihren Kite bei Jan gemietet hatte, war es leicht festzustellen, wohin ihre Habseligkeiten in diesem Fall gebracht werden mussten. Es waren nur ein unbestimmtes Gefühl, das Laura durchfuhr, als sie die Daten auf der Krankenkassenkarte las; aus Erfahrung wusste sie, was die einzelnen Codes bedeuteten. Privatpatientin mit Anrecht auf Chefarzt! So eine war das also; eine reiche verwöhnte Frau, gewöhnt an jeden Luxus und – sehr persönliche Betreuung durch den Oberarzt, der hier irgendwann Chefarzt sein würde.
Es war ausgerechnet Schwester Roswitha, der gute Geist der Klinik, die die knapp vierundzwanzigjährige Krankenschwester aus den Gedanken riss.
„Wir das heute noch was, Schwester Laura?“, fragte sie scharf, als sie feststellte, dass die junge Schwester mit dem Krankenbett und der Patienten vor dem Aufzug stand und bereits zweimal die geöffnete Tür ignoriert hatte.
„Ich – o ja, natürlich, Schwester Roswitha.“ Hastig schob die das Bett in den wartenden Aufzug und fuhr mit Jule auf die Station.
Roswitha hatte die Unterlagen persönlich abgeholt und die Anweisung für die Spezialbehandlung der Patientin. Eigentlich mochte auch Roswitha Patienten mit einem derartigen Status nicht besonders. Viele von ihnen benahmen sich überheblich und hielten eine Krankenstation für ein Hotel mit 24-Stunden-Service und medizinischer Betreuung. Sie verweigerten jegliche Mitarbeit, hetzten die Mitarbeiter durch die Gegend und waren der festen Überzeugung, dass die Krankheit von Ärzten und Mitarbeiterin geschaffen worden war, um sie aus ihren bequemen Leben zu isolieren und zu quälen. Nun gut, nicht alle waren so, aber gerade hier auf Sylt mit mehr oder weniger prominenten Personen hatte man schon sehr schlechte Erfahrungen gemacht.
Bei Jule Brinkhorst befürchtete Roswitha derartige Ausfälle jedoch nicht, die junge Frau machte einen netten Eindruck und wirkte im Augenblick sehr dankbar für jede Handreichung. Dass sie eine Sonderbehandlung erwartete und auch bekam, war nur recht und billig, denn die monatlichen Beiträge an die Krankenkasse waren auch dementsprechend teuer.
Schwester Roswitha schaute auf das Krankenblatt, wo Dr. Wiebold die Diagnose und die angeordneten Maßnahmen wie auch den Medikationsplan notiert hatte.
Natürlich war die Geschichte von der unglaublichen Rettung sofort zum Thema im „Buschfunk“ geworden. Sören Wiebold rettete der schönen jungen Frau nach einem Wettrennen mit dem Kite das Leben. Offenbar eine Liebesgeschichte aus dem echten Leben, denn es blieb ja nicht bei den Tatsachen; wie bei der Stillen Post dichtete jeder etwas hinzu. Vermutlich hatte auch Schwester Laura bereits alle möglichen „Details“ mitgekriegt und war in Eifersucht entflammt.
Die Oberschwester wusste recht gut über die hoffnungslose Liebe von Laura zu Dr. Sören Bescheid. Solange die Arbeit davon nicht beeinträchtigt und kein öffentlicher Skandal heraufbeschworen wurde, sollte das eine Privatangelegenheit sein und bleiben. Bisher gab es an der Arbeit und Kompetenz der jungen Schwestern nichts zu kritisieren.
Jule lag total erschöpft im Bett und bekam kaum mit, dass Laura sie in ein hübsches Einzelzimmer brachte. Die Schwester überzeugte sich davon, dass es der Patientin im Augenblick an nichts fehlte. Sie erklärte kurz die Funktionen der Fernbedienung für das TV Gerät, aber Jule war nicht mehr aufnahmefähig.
„Drücken Sie einfach hier den großen Knopf“, sagte die und schob den Nachtschrank direkt ans Bett. „Falls Ihnen etwas fehlt, oder wenn es Ihnen nicht gut geht ... es ist immer jemand in der Nähe.“
„Danke“, hauchte Jule und schloss die Augen. Sie war noch immer völlig erschöpft, spürte ihr Herz rasen und dachte mit Entsetzen an die letzten Sekunden auf dem Board, an die sie sich noch erinnern konnte. Vom eigenen Herzen aus war ein entsetzlicher Schmerz durch den ganzen Körper gezuckt, die Beine hatten begonnen zu zittern, Übelkeit hatte sie förmlich überschwemmt, und dann war das Wasser immer näher gekommen. Sie hatte noch versucht, sich an irgendetwas festzuhalten, aber außer der Steuerleine war nichts dagewesen. Danach waren ihre Sinne geschwunden.
Als sie die Augen wieder aufschlug, sah sie das besorgte freundliche Gesicht von Sören über sich. Er hatte sie aus dem Wasser geholt, ihr das Leben gerettet, und sich dann auch weiter um sie gekümmert.
Jule Brinkhorst dämmerte in einen heilsamen Schlaf hinüber, aber selbst jetzt lächelte sie bei dem Gedanken daran, wie besorgt und zärtlich Dr. Wiebold sich um sie gekümmert hatte, besser hätte sie es nicht planen können. Ob er wohl morgen kam, um nach ihr zu sehen? Ihre Gedanken verwirrten sich, und noch ehe Laura von außen die Tür geschlossen hatte, war Jule eingeschlafen.