Читать книгу Die besten 10 Liebesromane November 2021: Romanpaket - Glenn Stirling - Страница 14
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Es wurde Nachmittag am folgenden Tag, ehe Schwester Laura dazu kam, an das aufgeschobene Gespräch mit Jule Brinkhaus zu denken. Sie nahm die Krankenkassenkarte und die Anmeldeunterlagen, entschied sich dann aber spontan anders. Sie rief zunächst selbst bei der Krankenkasse an und bekam einen überaus freundlichen Mitarbeiter zu sprechen, dem sie die ganze Geschichte erzählte, um dann noch einmal nachzufragen.
„Es tut mir leid, Frau Stettner, aber unter dem Namen Jule Brinkhorst haben wir kein Mitglied.“
„Aber ich habe doch eine korrekte Karte hier vor mir, die sieht wirklich nicht gefälscht aus“, beharrte Laura seufzend.
„Ach, das muss gar nichts bedeuten, mittlerweile kann man gefälschte Karten aller Art dutzendweise auf dem Schwarzmarkt oder im Internet kaufen, mit Foto und allem. Erst wenn die Abrechnungen zu uns kommen, fällt es auf, und dann ist es oft schon zu spät. – Sagen Sie, Ihr Oberarzt hat tatsächlich die Frau aus dem Wasser gerettet? Der ist ja ein richtiger Held.“
Unwillkürlich lachte Laura auf. „Das Wort würde er sich verbitten. Er ist Arzt aus Berufung, und Lebensrettung sein tägliches Brot, wenn auch nicht immer so spektakulär. – Schauen Sie doch bitte noch einmal nach, aber dieses Mal nur nach der Nummer, nicht nach dem Namen“, schlug sie beharrlich vor.
„Na gut, weil Sie es sind und so freundlich bitten. Also, ich höre ...“
Laura gab die Nummer durch und hörte gleich darauf einen scharfen Pfiff durch das Telefon.
„Die Nummer gibt es tatsächlich, aber die gehört zu einer Maria Antonia Simon, und die Dame ist zweiundachtzig Jahre alt. Trifft das auf Ihre Patientin zu?“
„Nein, ganz sicher nicht.“
„Frau Stettner, ich kann Ihnen nur raten, die Polizei zu rufen und Anzeige zu erstatten. Ich kann das nicht tun, weil ich offiziell von gar nichts weiß und uns kein Schaden entstanden ist.“ Seine Stimme war ernst geworden, nicht nur Krankenkassen litten darunter, dass gefälschte Mitgliedskarten aller Art in Umlauf und die finanziellen Schäden doch immens waren. Sein Rat war unter diesen Umständen realistisch.
„Danke erst einmal für den klugen Rat. Darüber werde ich mit meiner Vorgesetzten reden. Auf jeden Fall danke ich Ihnen herzlich für Ihre Auskünfte.“ Sie legte auf und wirkte plötzlich geistesabwesend.
Während des Gesprächs war sie ans Fenster getreten, das nach vorne auf den Haupteingang zeigte. Mehrere Leute gingen ein und aus, Besucher, Patienten, Lieferanten, Mitarbeiter. Nur wenige blieben vorne stehen, wenn es nicht gerade stürmte und alle einen geschützten Platz suchten. Nur die notorischen Raucher standen dort und frönten ihrer Sucht, auch wenn die meisten vom medizinischen Personal das gar nicht gerne sehen. Doch ausgerechnet der Chefarzt hatte darauf bestanden, dass ein Glasdach über der Raucherecke angebracht wurde.
„Wir wollen unsere Patienten nicht noch kränker nach Hause schicken, als sie hergekommen sind. Und wer die Finger noch nicht von den Zigaretten lassen kann, muss nicht unbedingt auch noch in schlechtem Wetter stehen. Aber es ist unsere Aufgabe, den Leuten das Rauchen auszureden und ihnen bei der Therapie zu helfen.“
Damit war die Entscheidung gefallen, das Thema war beendet, der Chef hatte ein Machtwort gesprochen. Wenn man bedachte, dass der Chef nie geraucht hatte, so hatte er doch erstaunlich viel Verständnis für die Bedürfnisse der Raucher.
Nun aber stand dort unten der Mann, den Laura am Tag zuvor schon an der Pforte bemerkt hatte, als er sich nach jemandem erkundigte. Wollte er jetzt womöglich warten, bis die Angebetete oder der Superheld – wer auch immer der gesuchte Prominente war – herauskam? Viel Aufwand, um ein Autogramm oder ein Selfie zu ergattern.
Aber nein, irgendwie sah dieser Mann nicht aus, als würde er jemanden so verehren, dass er sich durch endloses Warten zum Narren machte. Dieser Mann hatte nach Lauras Ansicht einen guten Grund, um jeden, der ein und aus ging, aufmerksam zu mustern. Na ja, egal, sollte er ruhig da stehen, sie hatte andere Sorgen.
Laura zerbrach sich den Kopf, ob sie jetzt zuerst mit Jule Brinkhorst, Schwester Roswitha oder Doktor Wiebold sprechen sollte. Mit den Senior natürlich, denn Sören war in diesem Fall persönlich involviert.
Es bestand noch immer die Möglichkeit, dass es sich um einen Irrtum oder ein Missverständnis handelte, daher war sicher das erste Gespräch mit Jule Brinkhorst vorzuziehen. Oder – Laura lächelte plötzlich, als sich ihre Gedanken in eine völlig verrückte Richtung entwickelten – vielleicht war Jule Brinkhorst eine Zeugin für die Polizei, und man hatte sie unter neuer Identität hierher gebracht? Dann wäre den Beamten allerdings ein dicker Fehler unterlaufen.
Laura lachte über sich selbst. So etwas gab es nur im Film. Sie beschloss, mit Schwester Roswitha zu sprechen, bevor sie irgendetwas unternahm. Die Oberschwester besaß auch die Autorität, mit der Patientin im Zweifelsfall mit sehr deutlichen Worten zu reden. Die alte erfahrene Fachkraft würde sicher einen Rat wissen, es gab wohl kaum etwas, das sie noch nicht erlebt hatte.
In diesem Augenblick kam der Pfleger Fynn angelaufen.
„Laura, wir müssen heute allein fertig werden. Schwester Roswitha wurde in den OP gerufen, sie muss für eine der Schwestern einspringen, die sich beim Sport verletzt hat.“
Laura seufzte. Das war nicht das erste Mal, das Roswitha einspringen musste, sie hatte viele Jahre als OP-Schwester gearbeitet, bis ihr die Arbeit zu stressig geworden war. Dr. Wiebold rief sie jedoch auch heute noch, wenn Not am Mann war. Das hieß aber auch, dass Laura heute wohl kaum noch mit der Oberschwester reden konnte. Nun gut, die Sache hatte sicher noch bis zum nächsten Tag Zeit, Jule Brinkhorst würde sicherlich nicht in der Nacht einfach davonlaufen.
Laura ging mit Fynn gemeinsam an die Arbeit, und als das Ende ihrer Schicht nahte, war sie rechtschaffen erschöpft.