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Unten lädt ein Abschleppdienst den verlassenen Ford Taurus des Angreifers auf einen dieselrasselnden Pritschenlastwagen. Die beiden anderen Polizisten schauen gelangweilt zu.

„Meine“ beiden Beamten kümmern sich nicht weiter darum. Anderson öffnet mir die rechte hintere Tür, während Clayton ihre Dienstnummern, den Standort, das Ende des laufenden Einsatzes und den Beginn der Pause durchfunkt und, als alle sitzen, behutsam wendet und an dem dieselstinkenden Abschleppfahrzeug vorbeisteuert.

Hinten in dem Streifenwagen, vor mir links die Sicherheitsglasscheibe hinter dem Fahrersitz, rechts daneben das stabile schwarze Metallgitter hinter dem Beifahrer, im Blick die beiden uniformierten Hinterköpfe, dazu der weiße Metallsteg außen quer über den Scheiben der beiden verriegelten hinteren Türen – ich gebe zu, die Fahrt durch die mir bisher nur als Fußgänger bekannten Straßen hat etwas Beklemmendes.

Der Wagen gleitet wiegend die steilen Straßen hinauf und hinab. Die beiden Beamten fragen mich Belangsloses, wohl mehr zu meiner Ablenkung. Nach dem Grund meines Aufenthalts in der Stadt oder welche Ecken der Stadt ich besonders mag. Über die Ereignisse um die Florence-Treppe verlieren sie kein Wort.

Vielleicht war die Einladung doch ernstgemeint, mehr als unverbindliche Höflichkeit. Die Frau will mit mir allein reden. Ohne die Polizei. Wozu? Die Sache ist so gut wie ausgestanden. Im Handumdrehen herrscht wieder Alltag, die Aufregung wird schnell vergessen. Meine abschließende Aussage bei der Polizei ist reine Formsache. Ich habe das Richtige getan, würde es jederzeit wieder tun. Janey, ein goldiges, kleines Mädchen, Chinesen-Kätzchen. Keiner hat ernstlich Schaden genommen. Die verbogene Nase muss sich der Angreifer selbst zuschreiben. Ende der Geschichte. Was gibt es da noch zu besprechen?

*

Statt in Richtung der Polizeistation in der Vallejo-Straße fahren wir südlich, rauschen alsbald die Bush-Straße hinab. Vom bilderbuchreifen „Tor zum Himmlischen Frieden“ aus erstreckt sich der Teil der Grant-Avenue, der das bunte, touristische China-Town ausmacht. An der Kreuzung davor stoppt Clayton jäh neben einem Starbucks-Laden. Mit geübter Nachlässigkeit parkt er halbschräg auf dem Zebrastreifen. Die Touristen, die an der Kreuzung auf das grüne Ampellicht warten, einige mit aufnahmebereiten Kameras, betrachten es wohl als einen Teil ihrer Urlaubserlebnisse. Ein Streifenwagen zieht stets neugierige Blicke auf sich.

Links neben dem Starbucks-Eingang hockt in einer vor Dreck bräunlich schimmernden Militärjacke und zerschlissenen Jeans ein älterer Schwarzer mit ungewaschenem, schütterem Haar. Den Leuten, die hineingehen oder herauskommen, hält er in Kniehöhe einen verbeulten Pappbecher hin und fragt heiser: „Bisschen Kleingeld übrig?“ Unabhängig davon, ob er etwas bekommt oder nicht, folgt: „Danke, guten Tag und Gott segne dich.“

Clayton gibt uns einen Wink und tritt vor den Bettler.

„Hör zu, Mann, wenn wir wieder aus der Tür rauskommen, bist Du verschwunden, okay?“

Der schaut ergeben nach oben und erhebt sich sogleich umständlich. „Verstanden, Cowboy. Bin schon dabei, weiterzuziehen.“

Darauf Officer Clayton:

„Fein. Du weißt doch, es ist immer nett, deine freundlichen Nachbarn von der Polizei verständnisvoll zu behandeln.“

Bereits halb in der Tür ergänzt Anderson grinsend: „Denk dran, anschließend kurven wir durch die Seitenstraßen. Für dich ist immer ein Plätzchen frei auf unserem Rücksitz.“

In dem dämmrigen, schmalen Laden mit dem satten Kaffeeduft deutet Clayton auf die lange Theke voll Gebäck, Obst und Sandwichs.

„Was willst Du haben, Berkamp?“

„Ein Schinken-Käse-Sandwich und einen großen, schwarzen Tee.“

„Was meinst Du, Anderson, reicht unser Bewirtungskonto dafür?“

„Keine Ahnung. Aber für unseren hilfsbereiten Gast kauen wir gern drei Tage trocken Brot.“

Der zottelhaarige Jamaika-sonnige Verkäufer hinter dem Tresen übergeht die beiden vor uns stehenden jungen Frauen.

„Officers, was darf es heute sein für Sie?“

Die zwei Frauen sehen uns schweigend an, verziehen keine Miene.

In weniger als einer Minute stehen unsere Bestellungen auf dem Glastresen. Die abschließende Handbewegung des jungen Mannes mit der dunkelgrünen Schürze ist eindeutig.

„Immer gut, Sie bei uns zu sehen, Officers. Kommen Sie bald wieder und seien Sie achtsam.“

Damit wendet er sich den beiden jungen Frauen zu.

„Ganz sicher. Du auch. Danke,“ antwortet Anderson und reicht uns die Snacks und Getränke. Vor der Tür schaut sich Clayton zufrieden um.

„Du siehst, Berkamp, wir tun ganz praktisch etwas für unsere Geschäftsleute. Und die wissen das zu schätzen.“

Wir bleiben nahe der Tür inmitten einiger Touristen stehen, essen und trinken. Meine Herkunft, ein am Straßenrand parkender Mercedes ML 320 und gleich dahinter ein BMW X 5 bieten den beiden Beamten Gelegenheit, die große Beliebtheit deutscher Edel-SUV in Kalifornien und ihre technischen Unterschiede ausgiebig zu erörtern.

Auf ihre Frage nach meiner Familie erwähne ich Corinna, meine feste Freundin. Sie arbeitet als Hauptkommissarin bei der Frankfurter Kriminalpolizei. Hier entspricht das dem Rang des Chief Inspector.

Erst denke ich, das zu sagen war ein Fehler. Beide Polizisten mustern mich mit neu erwachtem Interesse. Bis Clayton mir seinen Kaffeebecher wie zum Anstoßen entgegenstreckt und breit grinsend feststellt:

„Wenigstens mit Stallgeruch. Willkommen in unserem Alltagsirrsinn.“

Zusätzliche fünf Fuß Wertschätzung bei dem Beamten, denke ich, als wir einsteigen und zur „Central Police Station North Beach“ fahren.

Die Chinesische Mauer

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