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2 Verwandtschaft und Abgrenzung zu anderen Verfahren

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Mit anderen Verfahren der Familien- und Paartherapie verbindet die psychodynamische Familien- und Paartherapie zunächst die »System-Sichtweise«. Das Handeln von Personen steht immer in einem bedeutungsgebenden interpersonellen Kontext und ist insofern interdependent, wobei sich diese Kontexte durchaus sprunghaft verändern können, z. B. durch äußere Einbrüche oder lebenszyklische Veränderungen. Psychische Symptome werden als Lösungsversuch für Konflikte, in diesem Fall interpersonelle Konflikte, angesehen. Um diese Lösungsversuche wiederum organisieren sich Interaktionen, die als »Problemsystem« bezeichnet werden können. Die wesentliche Matrix ist dabei das System der Kommunikation, wobei sich diese nicht auf die verbale Kommunikation beschränkt. Nonverbale, analoge Formen der Kommunikation, Atmosphärisches, spielen eine erhebliche Rolle.

Im Unterschied zu anderen Verfahren sind folgende Aspekte wichtig:

• Intrapsychische Prozesse werden im Unterschied zur systemischen Therapie als bedeutsam angesehen. Die Erkenntnisse der psychoanalytischen Persönlichkeitstheorien sowie der Bindungs-, Mentalisierungs- und Affektforschung werden berücksichtigt.

• Ebenso werden die Erkenntnisse der psychoanalytischen Entwicklungspsychologie, insbesondere der neueren Säuglings- und Kleinkindforschung sowie der Forschungen zu lebenszyklischen Veränderungen berücksichtigt.

• Besonderes Gewicht wird auf die mehrgenerational tradierten familiären Prozesse gelegt.

• Historischen und sozialen Einflüssen wird auf der Ebene der Familie und auf der Ebene ökonomischer und gesellschaftspolitischer Veränderungen sowie den damit einhergehenden Traumatisierungen, Verlusten und deren Verarbeitung eine große Bedeutung beigemessen. Insofern ist psychodynamisch orientierte Familien- und Paartherapie am »Faktischen« orientiert.

• Dementsprechend werden die Ansichten des radikalen Konstruktivismus aus der systemischen Therapie nicht geteilt. »Wirklichkeiten« sind nicht beliebig konstruierbar. Ebenso sind der Veränderbarkeit von Personen und Beziehungskonstellationen durch frühere Entwicklungen und die äußeren Rahmenbedingungen (z. B. Ökonomie) Grenzen gesetzt. Die Anerkennung von Begrenzungen und die damit einhergehende Trauerarbeit spielen in manchen Fällen eine besondere Rolle.

• Unbewussten Prozessen, die auch mehrgenerational ablaufen, wird eine große Bedeutung beigemessen. Ebenso werden die psychoanalytischen Konzepte der interpersonellen Abwehr, der unbewussten Kommunikation, des Szenischen Verstehens sowie Einschätzungen der strukturellen Möglichkeiten der Beteiligten berücksichtigt.

• Übertragungs-Gegenübertragungsprozesse und die sich hieraus ergebende Beziehungsgestaltung werden analysiert und die Interventionen bzw. die Therapieplanung insgesamt auch hierauf abgestellt. In der Gegenübertragungsanalyse werden die persönlichen Einflüsse des Therapeuten und seiner Familien- und Lebensgeschichte besonders berücksichtigt.

• Die Indikationsstellung erfolgt adaptiv-prozessorientiert. In der Regel wird vom Gesamt-Beziehungssystem ausgehend mit bedeutsamen Subsystemen (z. B. Elternpaar, Geschwister, Vater-Sohn, Mutter-Tochter) gearbeitet. Familien- und Paargespräche können in diesem Rahmen durchaus mit Einzelbehandlungen kombiniert werden.

• Auch die Interventionstechnik wird adaptiv angepasst und prozessorientiert gestaltet, wobei durchaus systemische und strukturelle Behandlungstechniken einfließen.

Psychodynamische Paar- und Familientherapie

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