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4.1.6 Und was ist mit der Liebe?
ОглавлениеDie Liebe stellte lange ein Stiefkind in der psychoanalytischen Theoriebildung sowie in den paartherapeutischen Modellen dar. Dagegen stellen Willi (2002) und Riehl-Emde (2003), gestützt durch empirische Untersuchungen fest, dass die Liebe als das zentrale Agens in Paarbeziehungen anzusehen ist. Das Vorhandensein von Liebe in Partnerschaften löst vielleicht keine konkreten Konflikte, stellt aber eine gute Grundlage dar, um sich umeinander zu bemühen, den anderen verstehen zu wollen und die Motivation für ein gemeinsames Leben aufrecht zu erhalten. Willi (2002) und Riehl-Emde (2003) ermöglichen mit ihren Ausarbeitungen zur Liebe einen gut begründeten psychodynamischen Ansatz und rehabilitieren die Liebe in der Paartherapie als »Ressource«. Dies stellt unseres Erachtens keinen Widerspruch zu z. B. dem Kollusionsmodell dar, sondern eine Ergänzung. Versteht man den Begriff Liebe so, dass sich zwei Menschen einander in dem Bemühen um Anerkennung von Ähnlichkeit und Unterschiedlichkeit zugleich befinden (Cohen 2008), so klingt dies keineswegs romantisch-verklärend oder gar die Realität verleugnend (wie die Liebe klassisch-psychoanalytisch verstanden und damit in Misskredit gebracht wurde), sondern eher mentalisierend und miteinander verbunden. Dabei wird die Liebe zwar auch als Rückzugsmöglichkeit mit Ruhe- und Schutzfunktion verstanden (Bruchhaus-Steinert 2017, S. 174), der Bedarf an aktiver Gestaltung und (Weiter-)Entwicklung aber nicht außer Acht gelassen. So gilt: »Die Sandburgen der romantischen Liebe müssen aufgrund ihrer Veränderlichkeit immer wieder neu aufgebaut werden« (Mitchell 2004, S. 209) und man beherzige den humorvollen Rat, mit dem Ehepartner dauerhaft immer ein bisschen unverheiratet zu bleiben (Riehl-Emde 2006a).