Читать книгу Der Ausbrecher - Gregg Hurwitz - Страница 12
7.
ОглавлениеDie Krähe kam auf ihrem weichen Schlafplatz jäh ins Taumeln, und in ihrem zuckenden schwarzen Marmorauge malte sich der Schrecken. Als sich der Grund unter ihren Füßen ausbeulte, kreischte das verstörte Tier auf, woraufhin der gesamte Schwarm aufflog und mit viel Geflatter und Gekrächze davonstob. Die dunkle Welle schwappte über die Städtische Mülldeponie San Pedro und schlug den Weg Richtung Süden ein. Dort verschwand der Schwarm in der nächtlichen Finsternis, während aus dem einen oder anderen Schnabel immer noch Unmutsbekundungen tönten.
Die verkohlte Matratze beulte sich noch einmal aus, und dann glitt ein Arm aus dem Einschnitt. Kleine Flöckchen aschebeschmutzter Füllung rieselten heraus. Ein Plastiktrichter, von dem das Cola-Etikett so gut wie abgeschabt war, ragte aus dem gestreiften Inlett heraus wie ein Schnorchel. Eine geschwärzte Hand kam zum Vorschein und betastete den unebenen Boden, als wollte ein groteskes Lebewesen ohne Augen die Lage sondieren. Als Nächstes kämpfte sich ein Kopf hervor, dessen rote, wunde Wangen stellenweise durch den Ruß schimmerten.
Walker strampelte sich ganz aus der Matratze heraus und sackte zusammen. Während er auf dem Rücken liegen blieb, rang er zwischen seinen krampfartigen Hustenanfällen nach Luft. Mit seinem immer noch feuchten Kragen wischte er sich den Dreck von den geschwollenen Lidern und schlug die Augen auf. Der mondlose Himmel schien sich fast unendlich über ihm auszudehnen.
Abgesehen von seiner von der Hitze geröteten Haut und ein paar ordentlichen Kratzern auf den Armen war er erstaunlich unversehrt. Die Füllung der Matratze, die er so zurechtgeschoben hatte, dass sie Platz für seinen Körper bot, und dann mit Wasser aus dem Zellenwaschbecken getränkt hatte, hatte ihn gut vor den Flammen geschützt. Er hatte die Matratze übers Geländer geworfen und war dann schnell nach unten gelaufen, um sich durch den seitlichen Schlitz hineinzuzwängen, während von allen Seiten schon der brennende Abfall herunterregnete. Sobald er in der Matratze war, hatte er den Kopf zur Seite gedreht und die Lippen um den Hals der abgeschnittenen Cola-Flasche geschlossen – sein Atemkanal. Als der Rauch erstickend dicht wurde, kurz bevor er spürte, wie ihn die rettende Schaufel des Baggers hochhob, hatte er den provisorischen Schnorchel mit einem Finger verschlossen und durch ein nasses Stück Stoff das bisschen Luft im Matratzeninneren eingeatmet. Die fünf Hemden hatten seinen Oberkörper gut gegen die Hitze isoliert. Obwohl er vom letzten Aufstand wusste, dass die meisten Feuer klein und isoliert waren und schnell von selbst verloschen, hatte er irgendwann doch Angst bekommen, als die Hitze unaufhaltsam durch die nasse Füllung drang, er hatte sich hin und her gewunden, bis sie schließlich nachließ.
Walker setzte sich auf und musterte seine Umgebung. Er hatte verdammtes Glück gehabt – seine Matratze war fast ganz oben auf dem Müllhaufen abgeladen worden. Freilich war er hier immer noch gut drei Meter unter der normalen Bodenhöhe, denn die Deponie war in den Boden gegraben worden. Er stellte die verdreckten Überreste eines Tisches auf den Kopf und stieg darauf, um von dort die Müllwand hochzuklettern. Die bröckelnde Mauer gab zwar überall nach, wo er hineingriff, aber schließlich konnte er sich glücklich über den oberen Rand hieven.
Eine dicke Schicht Möwenscheiße überzog den Boden. Über dem Gestank von verfaultem Fisch und Ruß war ein entfernter Hauch von Meerwasser wahrzunehmen.
Walker zog seine obersten zwei Hemden aus und warf sie weg. Da das dritte Hemd immer noch mit Asche verschmiert und das unterste schweißdurchtränkt war, zog er das vierte zuoberst an. Seine Hose war dreckig, aber das musste nun eben so gehen. Sie war zu weit und hing ihm tief auf der Hüfte – Häftlingen konnte man keine Gürtel anvertrauen –, doch die Knast-Couture hatte es ja mittlerweile auf die Straßen geschafft, so dass er unter den Assis und Gangstern hier draußen nicht groß auffallen würde. Er zog die Plastiktüte unter seinem Hosenbund hervor und nahm das letzte tropfende Stück Stoff heraus, mit dem er sich Gesicht, Hände und Unterarme abwischte.
Nachdem er einmal den Rücken durchgestreckt hatte, dass es knackste, trottete er auf den Strom von Scheinwerfern im Westen zu, und dabei sah er genauso aus wie jeder andere Durchschnittsbürger.