Читать книгу Der Ausbrecher - Gregg Hurwitz - Страница 15
10.
ОглавлениеDie rostigen horizontalen Lamellen stöhnten widerwillig, als die Metalltür aufglitt. Walkers langer Schatten fiel in den breiten, garagenartigen Raum. Wer ein paar Kisten oder Möbel einlagern wollte, fand hier jede Menge Platz. Unter falschem Namen hatte er bei der Lagerfirma der Gebrüder Parsons ein Abteil gemietet und alles bar im Voraus bezahlt, so dass sein Werkzeug und seine persönlichen Gegenstände gut untergebracht waren, bevor er seine fünfjährige Haftstrafe antrat. Die unterteilte Lagerhalle aus Beton stand auf einem ansonsten wertlosen Grundstück südlich von Antelope Valley. Nach dem, was er hinter sich hatte, war der Stacheldraht hier der reinste Witz gewesen. Kein Nachtwächter, keine Überwachungskameras, nichts. Die Geschäftspolitik der Parsons gründete offensichtlich auf bewusster Achtlosigkeit.
In den Ecken von Walkers Abteil türmten sich Kisten und Kartons im Dämmerlicht. Dazwischen hatte er ein paar seiner liebsten Sammlerstücke versteckt, in kleineren Schachteln oder in Wachstuch eingeschlagen. Lauter Gegenstände, die er im Laufe der Jahre auf Ausstellungen erworben oder, geschützt durch diplomatische Immunität, in versiegelten Paletten nach Hause geschmuggelt hatte. Eine antike Muskete. Steinschloss-Duellpistolen. Eine rostfreie zweiläufige Pistole Kaliber zehn mit einem Kolben aus Teakholz, die er aus dem Kommandoturm eines gesunkenen U-Boots gerettet hatte. Elektrische Kabel ringelten sich unter seinen Füßen und liefen zu Mehrfachsteckdosen. In der Mitte war ein Stück Zementboden frei geblieben, hier hatte er rechts und links hohe Werkbänke aufgestellt.
Sein Arbeitsplatz.
Er zog den Reißverschluss an der Außentasche seines Matchsacks auf und holte eine Taschenlampe heraus. Genau da, wo er sie zurückgelassen hatte. Er legte zwei neue Batterien ein, drehte einmal am Kopfstück, und ein Lichtstrahl fiel auf die hintere Wand des Lagerabteils. Er nahm das Kombinations- schloss und schloss mit einem kräftigen Ruck die Tür.
Walker hatte einen Toyota beschlagnahmt – ein älteres Modell, das man leichter kurzschließen konnte –, der netterweise an einer Tankstelle gestanden hatte, nur einen Katzensprung von der Mülldeponie von San Pedro entfernt. Nachdem er mit gleichmäßigen hundert Stundenkilometern die 405 hochgefahren war, hatte er den Camry auf einem Langzeitparkplatz in der Nähe des Flughafens von L. A. abgestellt. Danach hatte er auf dem Parkstreifen einer Straße einen neueren roten Honda Accord geknackt, einen von Tausenden in der Stadt. Eines der Rückfenster war einen Spaltbreit offen gewesen, so dass er die Tür entriegeln konnte. Er hatte den Kofferraum geöffnet und das Reifenwechselset hervorgeholt. Unter dem Druck des Wagenhebers hatte das Zündschloss nachgegeben, im Anschluss hatte Walker einen flachen Schraubenzieher in den Schlitz gerammt und umgedreht. Sobald der Motor angesprungen war, hatte sich Walker vergewissert, dass das Montiereisen die Zündung gut genug täuschte, um ihm volle Bewegungsfreiheit mit dem Lenkrad zu gewähren, und war Richtung Norden zu den Autohändlern gefahren, dorthin, wo der Oxnard Boulevard in Van Nuys mündet. Während der Verkäufer im Licht der einzigen noch funktionstüchtigen Deckenlampe eifrig versuchte, einer entnervten Mutter einen Mini-Van zu verkaufen, hatte Walker zwei Händlerkennzeichen vom hintersten Auto auf dem Ausstellungsgelände entfernt. Nachdem er die alten Kennzeichen in einem Gully versenkt und die hübschen neuen angeschraubt hatte, war er weiter Richtung Norden zur Bundesstraße 5 und von dort auf die 14 gefahren.
Mit Hilfe der Taschenlampe suchte er sich nun in seinem dunklen Lagerabteil seinen Weg durch die Kartons mit den Militärbüchern und setzte sich auf den mit Kuhfell bezogenen Drehstuhl, der vor der U-förmigen Werkbank stand. Er zündete eine Sturmlaterne und den kleinen Gaskocher daneben an. Im helleren Licht wurde ein Wachstuchbündel sichtbar, das mitten auf der Werkbank lag. Walker ließ die Hand in die steife Plane gleiten und ertastete die perfekte Passform seiner Waffe, noch bevor er sie herausgezogen hatte.
Eine Ruger Redhawk. Rostfreier Stahl. Doubleaction-Abzug. Ganz klassisch mit sechs Kugeln, kompakter und holsterfreundlicher als ihre neue Konkurrentin, die Super Redhawk. Der Lauf maß vier Zoll und wurde nach hinten dickwandiger. Diese Redhawk war für robusteste Einsätze geeignet. Keine Waffe für Waffenliebhaber. Eine Waffe für jemanden, der Respekt vor Waffen hat.
Obwohl Walkers Schutzbrille in einer Schublade gelegen hatte, war sie mit einer leichten Staubschicht überzogen, die er wegpustete, bevor er sie aufsetzte. Er nahm seine Halskette ab, ließ den Anhänger von der schwarzen Kordel gleiten und in den Keramikschmelztiegel fallen, den er anschließend auf den Gaskocher stellte. Er drehte die Flamme herunter, bis sie nur noch bläulich zischte. Obwohl das Titan nicht legiert werden musste, fügte er Zinn und Blei hinzu, um ihm mehr Gewicht zu verleihen. Dann wartete er die zwanzig Minuten ab, die das Metall brauchte, bis es sich verflüssigt hatte und in Form gegossen werden konnte. Talg, Bienenwachs, Schmiermittel – mit neu erwachtem Instinkt fand er all die kleinen Tiegel. Er arbeitete schnell und akkurat, wie ein erfahrener Geber am Kartentisch. Schließlich fielen sechs genau gleiche Kugeln aus der geöffneten Gussform heraus.
Die ganze Prozedur wiederholte er zweimal, dann reihte er die Kugeln auf der Werkbank auf. Er schoss selten und mit hoher Präzision, deshalb ging er davon aus, dass eine mit Titankugeln geladene Redhawk seinen Zwecken genügen dürfte. Doch es konnte nie schaden, wenn man ein paar Speedloader auf Vorrat zur Hand hatte. Er feilte die Kanten ab, die die Gussform an den Kugeln hinterlassen hatte, und schmierte die Rillen. Dabei stellte er sich die ganze Zeit vor, wie die Kugeln aus dem geschmolzenen Kreuz das weiche Gewebe eines Herzens zerfetzten.
Oder auch mehrere.
Er verwendete ungefähr eine halbe Stunde und dieselbe Sorgfalt darauf, die Patronen vorzubereiten. Er korrigierte die Größe nach, kantete ab und fräste zurecht. Das natürliche Körperfett seiner Hand konnte die winzigen Zündkapseln deaktivieren, darum benutzte er eine Pinzette und ein an seiner Halterung frei schwenkbares Vergrößerungsglas, um sie einzusetzen. Als Nächstes musste er Pulver einfüllen – das war der Teil der Arbeit, der ihm am besten gefiel. Ganz vorsichtig eine akkurat abgemessene Menge Pulver in einen Behälter schütten. Die kleine Waage. Der winzige Aluminiumtrichter.
Man musste sich gut auf dieses Handwerk verstehen, und ein wenig Kunst gehörte auch dazu. Beruhigend und befriedigend. Die reine Konzentration, frei von Gedanken und Gefühlen.
Walker stand in der Mitte des Lagerabteils und zog sich aus. Als die Tür zurückrollte, schlug ihm beißende Kälte entgegen. Nachdem er den Wasserhahn an der Ecke des Gebäudes mit seiner Zange bearbeitet hatte, kam ein gleichmäßiger, starker Wasserstrahl heraus. Walker warf sich das eiskalte Wasser ins Gesicht, ins Haar und unter die Arme. Dann ging er zurück in sein Abteil und zog sich die unverdächtigsten Kleidungsstücke an, die er finden konnte. Ein khakigrünes T-Shirt, braune Cargohose, weiße Socken, schwarze Springerstiefel.
Nachdem er die sechs geweihten Kugeln in seine geduldig wartende Redhawk geladen hatte, schloss er sein Abteil wieder ab und verschwand in die Nacht.