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11.

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Obwohl es schon 0:21 Uhr war, riss der Strom der durchfahrenden Autos vor dem Fenster des McDonald’s Drive-in nicht ab. Der Manager, der leutselige Ken Wade, hatte sich als geradezu erstickend hilfsbereit herausgestellt. Er hatte Tim und Bear an einen Tisch gesetzt und versorgte sie nervös mit sämtlichen Details der Geschäftsführung. Tims Gereiztheit stieg, während Bear Ken bat, sie mit weiteren banalen Informationen zum Thema Fast-Food zu überschütten, von der Einführung des McRib – »Ja, der McRib, 1981 war das!« – bis hin zur Zusammensetzung eines korrekten McFlurry. Ken bot ihnen an, nach Belieben zu bestellen, ein Vorschlag, der geradezu lähmende Wirkung auf Bear hatte – er war hin- und hergerissen zwischen Professionalität und seinen fleischlichen Gelüsten.

Ken war nach drei Jahren bei Kentucky Fried Chicken ausgestiegen, wo er in der Qualitätskontrolle einen verantwortungsvollen Job innegehabt hatte, der sich im Wesentlichen auf die Abkürzung SUPER zurückführen ließ, wie Tim und Bear lernten.

»Sauber, unkompliziert, produktbezogen, entgegenkommend und ...« Ken lief rot an. »Entgegenkommend und ...« Er strich die vorderste Serviette im Serviettenspender glatt. »Produktbezogen, entgegenkommend und ...«

»Rekordverdächtig?«, schlug Bear vor.

»Nein.« Ken tupfte sich mit einem Taschentuch den Hals ab.

»Rekordverdächtig war es nicht.«

»Reinliche Toiletten?«

»Nein. Die gehören zwar auch dazu, ar nicht bei SUPER mit drin.«

Abermals musste Tim dem Magnetfeld zwischen Kens Stolz und Bears Faszination trotzen, um das Gespräch wieder auf das Thema Freddy Campbell zurückzusteuern.

»Er ist weder gestern noch heute zur Arbeit erschienen«, erklärte Ken. »Und wie Sie sehen, ist hier am Sonntagabend immer ordentlich was los.« Missbilligend rümpfte er die Nase. »Das ist immer die letzte Welle, die hier noch reinschwappt.«

»Vielleicht Riesenportionen?«

Tim rammte Bear einen Ellbogen in die McRippen, weil er endlich mit seiner Befragung weiterkommen wollte. »Es gibt also Probleme in diesem Arbeitsverhältnis?«

»McDonald’s ist im sozialen Bereich sehr engagiert«, dozierte Ken. Es klang, als würde er aus einer Werbebroschüre vorlesen. »Wir tun unser Bestes, um entlassenen Häftlingen bei ihrer Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu helfen, aber wir müssen unsererseits auch ein wenig Hilfe und Verantwortungsbewusstsein erwarten, wenn Sie verstehen, was ich meine?«

»Natürlich«, nickte Tim, um ihn zum Weitersprechen zu ermuntern.

»Ich habe mit Freddy unzählige Male über dieses Thema geredet. Die Kunden hielten ihn zum Teil für einen Obdachlosen. Ich meine, klar habe ich eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, aber ich muss auch ans Geschäft denken, wenn Sie verstehen, was ich meine.«

Tim verstand.

»Vor zwei Wochen war es genau dasselbe. Weder Samstag noch Sonntag ist er aufgetaucht. Am Freitagabend ist er um Viertel vor fünf gegangen, die letzte Viertelstunde seiner Schicht hat er schon seinen Kollegen überlassen. Hinterher behauptete er, er habe die Grippe bekommen, äre wirklich die kürzeste Grippe, von der ich jemals gehört habe.

Ich glaube, der hatte eher einen ordentlichen Kater, wenn Sie verstehen, was ich meine.«

Tim verstand wiederum, was Ken meinte.

»Außerdem ...« Langsam redete sich Ken richtig in Rage.

»... hat er mich nicht mal angerufen, so dass ich noch jemand anders für seine Schicht hätte organisieren können. Ich hab ihm gesagt, wenn das noch einmal vorkommt, dann ...«

»Vor zwei Wochen?«, unterbrach Tim. »Am Wochenende nachdem er seinen Gehaltsscheck erhalten hatte, ist er also auch nicht zur Arbeit erschienen. Am siebenundzwanzigsten Juli.«

»Richtig, ganz richtig.«

»Sie bezahlen also vierzehntägig.«

»Genau. Wenn das also noch mal vorkommen sollte ...« Es dauerte einen Moment, bevor der Groschen fiel, doch dann weiteten sich Kens Augen, und er fummelte empört an seiner Polyesterkrawatte herum. »Dieses Wochenende hat er auch wieder am Freitag seinen Gehaltsscheck bekommen. Da steckt ja ein richtiges Muster dahinter! Glauben Sie, er zieht dann los, um sich volllaufen zu lassen? Mit dem Gehaltsscheck in der Tasche?«

»Genau das glaube ich.« Tim schob Ken seine Visitenkarte zu. Der musterte sie, als wollte er ein Firmenlogo analysieren. »Wenn er das nächste Mal auftaucht, rufen Sie uns bitte an. Und zwar bevor Sie ihn feuern.«

Die Nachtluft war ungewöhnlich frisch für die Jahreszeit. Sie standen am Bordstein und starrten auf den Century Boulevard mit den Werbeschildern für Burrito-Imbissbuden, Banken, Tattoostudios, Kneipen, Tuning-Werkstätten, Nachtclubs, Klitschen, in denen man sich die Autofenster tönen lassen konnte, und alle möglichen anderen Unternehmen, die sich gerne in solchen Gewerbegebieten ansiedeln. Autos und Flughafenbusse verstopften die Straßen auch noch um diese Uhrzeit – übernächtigte Reisende oder verschlafene Partygänger, die sich beeilten, um es noch vor Schankschluss in eine der schäbigen Bars rund um den Flughafen zu schaffen. Bear mampfte einen Big Mac, den er selbst bezahlt hatte. Als er die Dollarnoten mit dem Zeigefinger über den abgenutzten Tresen geschoben hatte, hatte er Tim mit einem bösen Blick bedacht.

»Okay«, begann Tim. »Es ist Freitag. Du kriegst deinen Gehaltsscheck. Keine Überweisung, sondern einen Scheck. Du hast kein Auto. Und du trinkst gerne mal einen über den Durst. Dein Zuhause ist auch nicht gerade der Hit. Wohin gehst du?«

Bear schob sich das letzte Stückchen Brot-Frikadellen-Doppeldecker in den Mund und zeigte auf die Bushaltestelle ein Stückchen die Straße entlang. Plötzlich hörte er auf zu kauen und gab durch einen Mundvoll Big Mac einen unidentifizierbaren Laut von sich.

»Was?«

Bears Adamsapfel hüpfte einmal auf und ab, dann sagte er: »Freitag, vier Uhr vierundvierzig. Da ist Freddy gegangen.«

»Genau. Worauf willst du ...?«

Bear wies auf das Schild, das man über dem Wartehäuschen gerade noch erkennen konnte. FIRST UNION. Freddys Bank. »Er geht seinen Gehaltsscheck einlösen, bevor die Bank schließt. Er will sofort Bargeld auf die Hand, damit er in ...« Sein Finger beschrieb einen Bogen den Block hinunter, vorbei an einem Irish Pub bis zur blinkenden Neon-Silhouette einer Frau, die den Passanten zuwinkte: THE BACK NINE. 24 STUNDEN GEÖFFNET. »Der einzige Ort, an den sich ein Mann zu jeder Tages- und Nachtzeit zum Trinken zurückziehen und seine Kleidung mit dem Gestank von billigem Parfüm durchtränken kann. Auch wenn er aussieht wie ein Obdachloser.«

In solchen Momenten erinnerte sich Tim, warum er sich glücklich schätzen konnte, Bear mit seinen Junggesellenneigungen zum Partner zu haben. Sie hatten den Parkplatz fast schon verlassen, als sie hörten, wie jemand nach ihnen rief. Sie drehten sich um und entdeckten Ken, der ihnen hinterherlief, dass die Bänder an seiner McDonald’s-Schürze nur so flatterten.

»Reibungslosigkeit!«, schrie er triumphierend. »Das R steht für Reibungslosigkeit.«

»Na dann«, meinte Tim, und reckte einen Daumen in die Höhe.

Bear schüttelte dem Manager die Hand. »Vielen Dank, Mr. Wade.« Dann blickte er überrascht auf seine Handfläche, in der er Ken Wades Visitenkarte entdeckte.

Ken war immer noch ganz außer Atem, aber er brachte ein Lächeln für Bear zustande. »War nett, Sie kennenzulernen, Deputy Jowalski. Und nur damit Sie’s wissen, in der Gastronomie warten jede Menge Chancen auf Leute wie Sie, falls Sie sich jemals dafür interessieren sollten.«

»Hey, das ist doch ’ne tolle Idee, oder?«, sagte Tim. »Am Hamburgergrill: George Jowalski.«

»Bist du bald mal fertig?«

»Die Uniform würde dir sicher auch großartig stehen.«

»Du kannst es nicht lassen, oder?«

»Außerdem könntest du die Fähigkeiten aus deinem vorherigen Job zum Einsatz bringen ...«

Bear, der seine Riesenpranken bereits auf die gepolsterte Tür des Back Nine gelegt hatte, warf Tim einen müden Blick zu und wartete auf die Pointe. »Na los, spuck’s aus, damit wir’s endlich hinter uns haben.«

»... indem du Hamburglar zur Strecke bringst.«

Bear seufzte müde und stieß die Tür zum Striptease-Club auf. Der Türsteher erhob sich mit aggressiver Miene von seinem Barhocker, aber Tim würgte jeden Protest sofort ab, indem er ihm seine Dienstmarke unter die Nase hielt. Messing, Spiegel und Eiswürfel spiegelten sich gegenseitig, unendliche reflektierte Korridore, in denen man sich verlaufen konnte. Um die üblichen Vierertische saß die übliche Kundschaft. Drei College-Studenten vergnügten sich ausgelassener, als es der Situation angemessen schien – sie hatten die Ellbogen auf den Laufsteg gestützt, der von der Bühne ins Publikum führte. Rauhes Gelächter, verkehrt herum aufgesetzte Baseballkappen. Ein Gangstertyp mit dunkler Sonnenbrille, der sich die Haare seitlich über die Glatze gekämmt hatte und entfernte Ähnlichkeit mit Al Pacino aufwies, ließ seine fleischige Hand am Oberschenkel einer Tänzerin emporgleiten, die in der Pause Getränke servierte. Eine junge Dame, die unter dem Namen Pinch auftrat, wickelte ihre schlangengleichen Beine um die Messingstange und wirbelte herum, dass ihr magentarotes Haar durch die zerknitterten Dollarnoten wischte, die auf der Bühne lagen. Ein Flur, der von violetten, perlenbestickten Wandlampen aus dem Billigversandhauskatalog beleuchtet wurde, führte zu den Toiletten und die optimistisch als »Privatlounges« bezeichneten Séparées.

Tim und Bear gingen um die hufeisenförmige Bühne herum. Trotz Pinchs eifriger Bemühungen hatte das Auftreten der Deputys die Stimmung merklich abkühlen lassen – sie waren keine normalen Polizisten, die man bestach, damit rund um die Uhr der Alkohol fließen und damit das Fleisch sich näher als die staatlich genehmigten fünfzehn Zentimeter vor den Gästen schlängeln konnte. Die beiden ignorierten die nervösen Blicke des Geschäftsführers und des Barkeepers und warfen einen Blick in die Privaträume. Manche waren mit Sofas bestückt, während andere große aquariumartige Fenster mit Metalljalousien aufwiesen. In der Herrentoilette fand sich ein Pissoir, umgeben von bröckelndem Putz, und eine Kabine ohne Tür.

»Na ja«, sagte Bear beim Rausgehen, »war immerhin einen Versuch wert.«

Tim legte die Hand auf die Tür der Damentoilette und öffnete sie lautlos. Hier achtete man etwas mehr auf Sauberkeit, wahrscheinlich wurde dieses WC auch von den Tänzerinnen benutzt. Auf dem Waschbecken stand sogar eine Dose Luftverbesserungsspray. Zwei Kabinen, eine Tür war zu. Tim ging in die Hocke und legte den Kopf schräg, um besser unter dem Türschlitz hindurchsehen zu können.

Irgendjemand saß dort drinnen, und hatte seine Jeans nicht nur heruntergelassen, sondern war auch mit einem Fuß aus dem Hosenbein gestiegen. Gefängnisgewohnheiten sterben langsam.

Tim stand wieder auf, schloss ganz leise die Tür und nickte Bear zu. Mit verschränkten Armen warteten sie auf dem schmalen Flur. Bear drückte sich höflich gegen die Wand, als die Tänzerinnen des Hauses duftend vorbeihuschten. Die Toilettenspülung klang wie ein Raketenstart, und dann öffnete sich quietschend die Tür. Heraus kam ein Mann mit zerrissenem Pullover, dessen Ärmel ihm bis weit über die Hände herabhingen. Er trug Walkman-Kopfhörer um den Hals, die aber in kein Gerät eingesteckt waren – ein pures Mode-Statement. Die Dreadlocks fielen ihm wie Räucherstäbchen auf die Schultern. Ein umnebeltes Auge rollte nach links.

»Freddy Campbell?«

»Scheiße.« Das eine Wort reichte, um Tim und Bear eine Wolke Gin ins Gesicht zu pusten. »Was hab ich denn jetzt schon wieder angestellt?«

Bear legte Freddy einen Arm um die Taille und steuerte ihn zur nächsten Privatlounge, während er seine Hand unauffällig ein Stück über Campbells Körper wandern ließ, um ihn nach versteckten Waffen abzutasten. Er hielt ihn gut fest und schob ihn auf den mittleren Sessel in einer Reihe von fünf Kinositzen, die vor einem Fenster standen. Ein unglaublich großes Mädchen mit ostasiatischen Gesichtszügen, die abgesehen von ihren Plateauschuhen völlig unbekleidet war, legte beide Hände auf die Scheibe und beugte sich vor. Aus der Wand neben dem Fenster ragte ein Schlitz für die Dollarnoten wie der Hals einer hungrigen Gans.

Freddy biss sich auf die Lippe, musterte das Mädchen und nickte mit dem Kopf, als hörte er einen Rhythmus, obwohl es im Zimmer totenstill war. »Hey, das ist doch mal was hier.«

Auch Bear ließ sich einen Moment von den Brüsten ablenken, die nur zwei Meter von seinem Kopf entfernt hin und her schwangen. Doch dann konzentrierte er sich wieder auf Freddy. »Kennen Sie Walker Jameson?« Er gab Tim ein Zeichen, damit der die Fotos herausholte. Freddy musterte die Bilder eingehend. »Oder auch Boss Hahn?«

»Okay. Okay.« Freddy schien sich redlich zu bemühen, sich einen Weg durch seine benebelten Gedanken zu bahnen. »Wer sind Sie überhaupt?«

Bear verlagerte sein Gewicht auf die Fensterscheibe, so dass der Marshal-Stern an seinem Gürtel sichtbar wurde.

Freddy nickte noch ein bisschen weiter, als überlegte er, was er für Alternativen hatte. »Diesen Typen hier kenn ich nicht«, meinte er schließlich und tippte mit einem dreckigen Fingernagel auf das Foto, »aber von Boss Hahn hab ich zumindest schon mal gehört. Das ist doch so ’n großes Tier in der Arischen Bruderschaft, oder?«

»Er ist vor kurzem umgelegt worden.« Bear ließ sich in den Sessel neben Freddy plumpsen. »Wir haben uns gestern Abend mal kurz mit Tommy LaRue unterhalten. Ich glaube, das haben Sie auch, stimmt’s? So gegen halb sechs. Wir würden gerne wissen, was Sie ihm erzählt haben.«

»Ich werd hier nicht anfangen zu plaudern. Nicht über Tommy. Wir waren echte Kumpels, Mann. Durch dick und dünn.«

»Wir interessieren uns nicht für LaRue«, erklärte Tim. »Nicht im Geringsten. Wir sind hinter jemand anders her, und über LaRue werden wir uns dabei genauso wenig den Kopf zerbrechen wie über Sie.«

Die Metalljalousie rasselte herunter und sie standen zu dritt im Dunkeln. Bear fummelte in seiner Tasche und schob eine zerknitterte Dollarnote in den Schlitz. Licht. Brüste.

Er sah Tim an und zuckte mit den Achseln. »Bisschen Atmosphäre.«

»Und angenommen, ich will überhaupt nicht mit Ihnen reden?«, fragte Freddy liebenswürdig.

»Dann müssten wir höchstwahrscheinlich den ganzen Kram in Ihrer Bude mal genauer unter die Lupe nehmen. Die Unregelmäßigkeiten bei Ihrem Konto bei der First Union. Wie Sie es sich leisten konnten, mit Bernadette nach Brasilien zu fliegen. Wer Sie dort gesehen hat und was Sie mit nach Hause gebracht haben.«

In Freddys Augen spiegelte sich die Überraschung, als er gewisse Eigennamen hörte. »Das wollen wir natürlich nicht«, stimmte er zu. Die Frau hörte auf, in ihrem Glaskasten herumzutanzen und verschränkte die Arme, beleidigt über die plötzlich ausbleibende Aufmerksamkeit. Freddy zupfte betrübt am Saum seines Sweatshirts herum. »Sie haben mit Bernadette geredet, oder?«

»Toughe Lady haben Sie da zu Hause«, bemerkte Bear.

Freddy schüttelte den Kopf. »Allerdings.«

»Was haben Sie Tommy LaRue erzählt?«, bohrte Tim nach. »Beantworten Sie uns diese Frage, dann sind wir einfach nie hier gewesen. Und wir werden LaRue keinen Ärger machen. Und Ihnen auch nicht.«

Freddy blickte zu Tim auf und blinzelte im schwachen Licht. »Hey, sind Sie nicht der Typ, der die ganzen Leute umgelegt hat?«

»’ne Menge Typen bringen in dieser Stadt ’ne Menge Leute um.«

»Okay. Einverstanden. Aber wenn Sie mich in die Pfanne hauen, geh ich an die Öffentlichkeit und sorg dafür, dass Sie Probleme kriegen.« Freddy zwinkerte gutmütig. »Also, was das Ganze zu bedeuten hatte, weiß ich nicht. Ich habe die Nachricht nur weitergegeben. Tommy kann aus dem Knast nur bestimmte Telefonnummern anrufen, und eine davon ist meine. Ich bin seine Anlaufstelle, verstehen Sie? Gestern wurde mir mitgeteilt, ich soll zu einer bestimmten Zeit zu einer Telefonzelle gehen, dann kommt da ein Anruf rein. Ich geh also da hin. Und jemand ruft an. Mummelt was in den Hörer. Drei Worte. Als Tommy mich heute zu unserer üblichen Zeit anrief, hab ich ihm die Botschaft ausgerichtet. Dann hat er aufgehängt. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen. Ich hab nur die Botschaft weitergegeben.«

»Und die lautete wie?«, fragte Bear ungeduldig.

»›Die linke Seite.‹«

Wie auf Stichwort rasselte die Metalljalousie wieder herunter, und Dunkelheit umfing sie. Wie aus einem Munde wiederholten Tim und Bear: »›Die linke Seite.‹«

»Was zum Teufel soll das denn bedeuten?«, wollte Bear wissen.

»Wenn ich das wissen dürfte, dann würden sie’s mir wohl kaum codiert mitteilen, oder?« Freddy hob die Hände zu einer theatralischen Unschuldsgeste. »Wie gesagt, solange ich nicht zu viel weiß, weiß ich auch nie zu viel.«

»Irgendwie kommt’s mir so vor, als wüsste ich auch nicht besonders viel.«

Nachdem sie auch die nächsten Fragen nicht weitergebracht hatten, verließen Tim und Bear schweigend den Striptease-Club. Schließlich meinte Bear: »Vielleicht war die linke Seite der Treffpunkt für Jameson und seinen Fluchthelfer. Die linke Seite der Straße. Des Flusses. Irgendwas.«

»Ich glaube, da steckt mehr dahinter. Walker hat sehr emotional auf die Botschaft reagiert. Er war richtig erregt. Es muss die Antwort auf irgendetwas gewesen sein.«

»Vielleicht war es das Signal zum Ausbruch? Das Laken? Hing das nicht auf der linken Seite?«

»Ich glaube ja immer noch, dass das Ganze was mit Boss Hahn zu tun haben muss.«

»Walker hat auf Hahns linke Seite eingestochen. Ich bezweifle aber, dass so eine Anweisung ihn im Speisesaal derart aufgewühlt hätte. Lass uns noch mal die Akten durchsehen, und Guerrera kann für uns eine Stichwortsuche bei den Ariern durchführen, im Gefängnis, der Black Guerilla Family, in allem, was wir so haben.« Bear wuchtete sich hinters Lenkrad und machte die Tür ein wenig zu schwungvoll zu. Die Uhr auf dem Armaturenbrett zeigte 2:03 Uhr. Sie ging zehn Minuten nach.

Eine lange Nacht, und alles, was sie herausgefunden hatten, waren drei Worte. Drei Worte, die alles Mögliche bedeuten konnten, aber Walker Jameson auf jeden Fall veranlasst hatten, Boss Hahn zu töten und aus dem Gefängnis auszubrechen.

Und die ihn höchstwahrscheinlich noch zu einigem mehr veranlassen würden.

Der Ausbrecher

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