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9.

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Fifth Avenue Ecke Wall Street. Um diesen Kern scharten sich ein paar Blocks, die stoisch an ihrem Elend festhielten, und sich mit Zähnen und Klauen einer baulichen Aufwertung von Los Angeles’ Stadtzentrum widersetzten. Zwei Obdachlose, die aussahen wie in Lumpen gekleidete Bären, rauften sich neben einem umgekippten Einkaufswagen. So gut, wie sie gepolstert waren, so schlecht war ihr Koordinationsvermögen, und Alkohol oder Erschöpfung verlangsamten ihre Schläge zu Zeitlupentempo. Als Tim und Bear näher kamen, stolperten sie davon, ihre fliehenden Schatten reichten an der Häuserwand mehrere Stockwerke hoch. Ein Laden war immer noch beleuchtet, und Tim stellte sich die uralte Frage: Wer kauft sich bitte nachts um halb zwölf Uhr ein Mini-Motorrad?

Aus mehreren offenen Fenstern hörte man Leute schreien, dass irgendjemand endlich die Klappe halten solle. Dabei waren sie aber selbst so laut, dass Tim den eigentlichen Verursacher der Unruhe nicht heraushören konnte. Als das Geschrei verstummte, konnte man die Lärmquelle endlich ausmachen – in einem geparkten Cadillac las eine Frau ihrem Ehemann die Leviten.

Zum Glück für Tim und Bear hatte Guerrera seine Frustration über den Innendienst zu einer eifrigen Durchsuchung der Datenbank sublimieren können. Dabei hatte er nicht nur eine Adresse zu der Telefonnummer herausfinden können, die La-Rue gewählt hatte, er hatte auch noch weitere Details zu dieser Wohnung zutage gefördert. So war die Gasrechnung vor drei Monaten mit einem Scheck der First Union Bank gezahlt worden. Der Kontoinhaber war Freddy Campbell, derselbe Freddy Campbell, der ein paar Jahre Tommy LaRues Zellengenosse in Victorville gewesen war, bevor dieser nach TI verlegt wurde. Der Mieter der Wohnung war die dreimal geschiedene Bernadette Monroe, die Guerrera als Freddys Freundin identifizierte – jedenfalls waren die beiden letztes Jahr zusammen nach Rio gefahren. Freddy besaß keinen Führerschein, kein gemeldetes Fahrzeug und keine Kreditkarten bekannterer Gesellschaften, die auf seinen Namen lauteten.

Tim und Bear stiegen über eine klebrige Treppe zur Wohnung zweihundertvierzehn hinauf, klingelten und postierten sich links und rechts von der Tür, die Hände auf den Waffen.

»Das wollte ich dir aber auch geraten haben, verdammt noch mal«, hörten sie, und dann ging die Tür auf und gab den Blick auf eine stattliche Frau frei. Ihr Morgenmantel reichte gerade eben, um ihre Fleischmassen und das rüschenverzierte Nachthemd zu bedecken. »Wer zum Teufel sind Sie denn?«

Bear und Tim spähten an ihr vorbei in die Einzimmerwohnung.

»Wir sind von den U. S. Marshals. Dürften wir bitte reinkommen?«, fragte Bear.

»Verdammt, von mir aus können Sie die komplette Nationalgarde hier durchmarschieren lassen, geht mir doch am Arsch vorbei. Vielleicht finden die ja den Versager, der sich Herr des Hauses schimpft.«

Bear zwängte sich an ihr vorbei und sicherte die Wohnung. Sie spielte die übertrieben Überraschte, stolperte rückwärts und rief mit geweiteten Augen: »Sie haben doch wohl nicht ... Sie haben doch wohl nicht...!«

»Tut mir furchtbar leid«, sagte Bear über die Schulter nach hinten. »Ich habe.«

Er verschwand im Badezimmer und Tim hörte, wie er den Duschvorhang beiseitezog. Tim warf einen Blick in die Toilette – leer – und sah unters Bett. Auf dem Boden, der von vergangenen Wasserschäden wellig aufgeworfen war, standen überall Schachteln herum, deren aufgeklappte Deckel den Blick auf diverse Waren freigaben – Pediküre-Sets, Babyöl, gefälschte Designer-Taschen, Puppen, Tüten voller Ballons mit chinesischen Schriftzeichen, Kaffeetassen mit Firmenlogos. Am Fenster stand eine Frisierkommode, auf der sich die Kosmetika nur so türmten. Papiere, Post und halb heruntergebrannte Kerzen bedeckten ein Holztischchen.

Bear kam wieder auf den Flur und wischte sich mit dem Unterarm die Stirn ab. »Wir suchen nach Freddy Campbell. Wissen Sie, ob ...«

»Trauen Sie sich bloß nicht, mich anzuquatschen – Sie haben mich gerade von meiner eigenen Haustür weggeschubst.«

Bear versuchte eine Entschuldigung vorzubringen, aber sie ließ ihn auflaufen.

»Hören Sie«, mischte sich Tim ein, »wohnt hier ein Freddy Campbell?«

Bernadette wirbelte herum. Auf einmal war sie ganz ruhig und hielt den Kopf mit königlicher Würde. »Nicht mehr.« Der Satz kam mit dem ganzen Aplomb der echten Filmdiva.

»Erwarten Sie ...«

»Verdammt noch mal, nein. Und dieser kleine Wichser sollte sich lieber keine Hoffnungen machen, dass ich seinen jämmerlichen Arsch noch einmal über diese Schwelle lasse, wenn er wieder mit leeren Händen hier ankommt. Und stattdessen nach billigem Fusel und Parfüm stinkt. O nein, das würde ich ihm weiß Gott nicht empfehlen.«

Tim hielt Walkers Foto hoch, das man für seine Polizeiakte gemacht hatte. »Kennen Sie diesen Mann? Walker Jameson?«

Ihrer Miene war anzusehen, dass sie ihn nicht kannte. »Ist das Ihr Bruder, oder was?«

Tim schüttelte den Kopf und schob das Foto wieder in seine hintere Hosentasche. »Hat Freddy jemals einen Mann namens Boss Hahn erwähnt?«

»Hören Sie doch auf mit Ihrem Blödsinn. Außer im Fernsehen gibt es weit und breit keinen Typen, der Boss heißt.«

»Wissen Sie, wo wir Freddy finden könnten?«

Aber sie scheuchte sie schon wieder zurück zur Tür und schob Bear förmlich über die Schwelle. »Unverschämtheit, hier einfach so reinzuplatzen und mich zu einem so ungünstigen Zeitpunkt zu überfallen.«

Das Telefon klingelte, und sie hob einen Finger, bevor sie in die Wohnung zurücklief, um hektisch nach dem schnurlosen Apparat zu suchen. »Ich bin noch nicht fertig mit Ihnen.«

Während Bernadette auf der Suche nach dem Telefon das Bett durchwühlte, blätterte Tim verstohlen die obersten Briefe durch, die auf dem Tisch lagen. Ein paar Rechnungen, Werbesendungen.

Bernadette stemmte unterdessen eine Faust in die Hüfte und rief in die Sprechmuschel: »Hör ich mich irgendwie so an, als hätte ich Interesse an einer Rückfinanzierung?«

Das Telefon segelte wieder aufs Bett, und Bernadette drehte sich mit einer dramatischen Pirouette zu ihnen um. Hastig warf Tim die Post wieder auf den Tisch und ließ die Arme herunterhängen. Der Papierstapel glitt ein paar Zentimeter zur Seite, und plötzlich kam die Ecke eines zerrissenen Gehaltsschecks zum Vorschein.

27. Juli. 375 $. Freddy Campbell.

Bernadette kam auf sie zu und streckte einen Finger mit einer langen, braun lackierten Kralle aus. »Raus hier, aber marsch. Und wenn Sie zurückkommen wollen, bringen Sie ordentliche Papiere mit.«

Tim konnte gerade noch die Adresse unter Ronald McDonalds grinsendem Gesicht erspähen, bevor Bernadette ihn durch die Tür auf den Flur schob.

Der Ausbrecher

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