Читать книгу Das Leuchten in mir - Grégoire Delacourt - Страница 38
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ОглавлениеIch bin leicht, bereitwillig mit ihm gegangen und schwer, reglos dageblieben, den Kopf voll vom Klang seiner Stimme. Gänsehaut, mein Gänschen, wie mich meine Freundin Sophie ein paar Tage zuvor verspottet hatte.
Ich bin dageblieben. Habe den Laden nicht mehr aufgemacht.
Ich bin dageblieben, allein, in dieser merkwürdigen, nebligen Zeit der Restaurants nach dem Hochbetrieb des Mittagessens und vor der Gemächlichkeit des Nachmittagstees. Die Kellner säuberten die Tische. Einer fegte. Dann versammelten sie sich an der Holztheke. Sie zählten ihre Trinkgelder. Machten kleine Haufen mit den Münzen, den paar Scheinen. Teilten die Beute und sahen ihre Hände an, wie man seine Lebenslinie anschaut. Draußen rauchten sie. Und lachten.
Ich bin dageblieben. Allein.
Mit seiner Stimme.
Die Wärme, die sein Körper verströmt hatte, steckte noch in der Sitzbank. Ein schwacher Duft von Lakritze und Tabak war noch da, als er weg war. Ich sah noch den Tanz seiner anmutigen Finger, die den Tisch und die Kaffeetasse aus dickem Steingut berührt hatten, die eines Tages meinen Hals, meinen Nacken berühren, meinen Rücken, meine Brüste streifen würden, aber nur ganz kurz.
Ich blieb allein mit unseren ersten Worten, ebenso banal wie spektakulär, auch mit allen anderen, den Worten, die zwischen den Worten versteckt waren, die schon unseren Hunger, unsere Schamlosigkeit und einige wohltuende Unklarheiten offenbarten.
Ich sehe mich wieder, allein, an jenem Tag.
Ich sehe mich, wie ich ihn beim Aufstehen beobachte, wie er seinen langen Körper entfaltet – eine andere Frau saß dort, die ihn ebenfalls ansah, ich fühlte mich stolz, auserwählt, bevorzugt. Ich höre wieder, wie mein Herz rast.
Ich erinnere mich an meine feuchten Hände, an den Schweiß auf meinem Bauch, ich wünschte mir, dass er wiederkommt, dass er auf mich zurast wie ein wütender Stier, mich an sich drückt und mich küsst, dass seine Zunge in meinen Mund eintaucht und sich bis zu meinem Herzen wühlt, aber ich war auch froh, dass er nicht zurückkam, dass das Warten sich hinzog, sich in die Länge zog, dass er mich zurückließ, mich beinahe verließ, noch allein, noch eine Zeit lang auf diesem sehr schmalen Deich, der noch standhielt, diesem Deich, der den Frieden von der Emanzipation trennte.
Ich tanzte am Rande des Abgrunds.
Es war nicht die Angst vor dem Sturz, die ihr Flügel wachsen ließ, es war der Sturz. Der Sturz, der Blanquette plötzlich die Kraft verliehen hatte, die Hörnerstöße zu verdoppeln, während ein Stern nach dem anderen erlosch. Mein Sturz, der wohl vom ersten an Tag geschrieben stand, vor Olivier, vor den Kindern. Vielleicht hatte mich ihre Liebe diesen Mann begehren lassen, mich hierher geführt. Ich schämte mich und zugleich verzehrte ich mich.
»Ist etwas nicht in Ordnung, Madame?«, fragte mich plötzlich eine Kellnerin. »Möchten Sie einen kleinen Muntermacher? Wir haben eine tolle Guyot-Birne, bio.«
»Danke.«
Ich war schwach vor Verlangen.