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Die Bank of England, ein Instrument des Krieges
ОглавлениеIm britischen Fall wurde die Bank of England, die am Ende des 17. Jahrhunderts als Kriegsinstrument gegründet worden war, in Friedenszeiten zu einer Säule von Großbritanniens imperialen und industriellen Macht. Die Bank entwickelte sich zu einem Regulationswerkzeug für die Staatsverschuldung und zu einem Mittel, um jene Kredite anzuziehen und zu kontrollieren, die für die Entstehung des Militär-Industrie-Komplexes des britischen Weltreiches notwendig waren. Der Consol und sein ewiger Zins erlaubten Großbritannien, in seinen militärischen und imperialen Abenteuern Summen auszugeben, die deutlich über seinen wirklichen Ressourcen lagen, was eine umso interessantere Möglichkeit darstellte, als die Kosten für solche Unternehmungen im 18. und 19. Jahrhundert unaufhörlich stiegen. Paul Kennedy macht dies in Aufstieg und Fall der großen Mächte deutlich: »Die Kosten eines Krieges im 16. Jahrhundert beliefen sich auf einige Millionen Pfund; im späten 17. Jahrhundert waren sie auf einige zehn Millionen Pfund angewachsen; und am Ende der Napoleonischen Kriege stiegen die Ausgaben der Hauptparteien gelegentlich auf hundert Millionen Pfund im Jahr.«2
Die Staaten, die um die Wende zum 19. Jahrhundert an den immens kostspieligen Kriegen der Französischen Revolution und des französischen Kaiserreiches beteiligt waren, finanzierten diese auf verschiedene Weisen. Die Franzosen bemühten sich im Wesentlichen, auf die traditionellen Methoden des Auspressens eroberter Gebiete durch die siegreichen Armeen zurückzugreifen; so konnten sich einige von Napoleons Feldzügen nicht nur selbst finanziell tragen, sondern auch einen beträchtlichen Teil der laufenden Ausgaben der französischen Regierung durch Tribute der eroberten Länder decken. Für Frankreich war diese Möglichkeit, Erträge aus seinen Eroberungen zu ziehen, entscheidend. Üblicherweise bestand seine Steuerpolitik darin, zur Deckung der Militärausgaben eher die Schulden als die Steuern zu erhöhen. Dieses System hing von der Kreditwürdigkeit und dem Vertrauen ab, die die kreditnehmende Regierung genoss. Weder die Monarchie des Ancien Régime noch die Revolutionsregierungen, die ihr nachfolgten, waren in der Lage, zu den günstigen Zinssätzen zu leihen, derer sich die britische Regierung mit ihren Consols erfreute. Obwohl beide Länder Ende der 1780er Jahre dasselbe Schuldenniveau aufwiesen, zahlte Frankreich fast doppelt so hohe Zinsen wie Großbritannien. Nach der Revolution trugen die Regierungen durch Konfiszierung, Entzug von Kapitalmitteln und inflationistische Geldmanipulation dazu bei, die finanzpolitische Glaubwürdigkeit Frankreichs zu verspielen. Es kam zu einer starken Kapitalflucht nach Großbritannien. Traditionelle Geldgeber wie die Niederlande riskierten nur ungern ihr Geld für französische Regierungen. Außerdem verhinderten die fehlende Transparenz und Verantwortlichkeit, die das napoleonische Finanzsystem im Gegensatz zum parlamentarischen System Großbritanniens charakterisierten, dass Napoleons Regierung das Vertrauen aufbauen konnte, das sie benötigte. Infolgedessen verzichtete Napoleon darauf, sich auf Darlehen zu stützen, und nutzte stattdessen die Steuer als Mittel für fast alle Ausgaben, die nicht bereits durch Ersatzleistungen, Beschlagnahmungen und Ausbeutung der besiegten Länder gedeckt waren.
Die Gegner Frankreichs, ob sie sich im Aufstieg oder Niedergang befanden, finanzierten ihre Kriege auf verschiedene Weise, bevorzugt aber indem sie auf die Macht des britischen Schatzamts setzten. Die Engländer zahlten große Summen an fast alle Mitglieder der Koalition, während sie selbst sich auf Kolonialeinsätze, Seeblockaden und Küstenangriffe spezialisierten, wodurch perfekt illustriert wird, was Basil Liddell Hart später die »britische Kunst der Kriegführung«3 nannte. Großbritannien gewährte auch umfangreiche Kredite, doch der größte Teil der Finanzierung seiner Verbündeten fand in Form von Direktsubventionen mit einer Gesamtsumme von über 57 Millionen Pfund statt. Das Land nutzte mehrere Methoden zur Finanzierung seiner kostenintensiven Kriegsunternehmung und eines beträchtlichen Teils der Kriegsaufwendungen seiner Verbündeten. Zwischen 1793 und 1798 stützte sich die Regierung massiv auf Kredite, mit denen sie 90 Prozent ihrer Kriegsausgaben decken konnte, die allerdings auch die Staatsschulden verdoppelten. Schließlich wurde 1799 eine Einkommenssteuer eingeführt, um den Rückgriff auf geliehenes Geld einzuschränken. Letzten Endes spülte die Einkommenssteuer weniger Geld in die britische Staatskasse als andere Steuerformen, die zu der Zeit in Gebrauch waren. Und Steuern insgesamt trugen in Kriegszeiten weniger zu den finanziellen Aufwendungen Großbritanniens bei als die kurzfristigen Kredite, die von der Bonität und finanziellen Glaubwürdigkeit des Landes abhingen.
Während der Revolutionskriege und der Kriege des Kaiserreichs hatten die Verbündeten Großbritanniens von der Macht des britischen Kredits profitiert. Doch im nächsten Koalitionskrieg wurden die britischen Subventionen, die die Koalitionen des 18. und frühen 19. Jahrhunderts bestimmt hatten, durch Direktkredite und Garantien ersetzt, die in den Kriegen gegen Frankreich nur gelegentlich Verwendung gefunden hatten. Frankreich, dessen Zweites Kaiserreich im Krimkrieg zum Hauptverbündeten Großbritanniens geworden war, wünschte keine finanzielle Hilfe von seinem Partner, von dem es auch sonst nichts benötigte. Die weniger mächtigen Staaten, die an der Koalition gegen Russland beteiligt waren, zeigten sich weniger zurückhaltend. Das Königreich Piemont-Sardinien beispielsweise erhielt ein direktes Darlehen von 2 Millionen Pfund zu einem Zinssatz von 3 Prozent, das 1902 vollständig abbezahlt war. Das Osmanische Reich, das als stärker risikobehaftet angesehen wurde, musste sich mit 4 Prozent Zinsen auf ein Darlehen von 5 Millionen Pfund begnügen, das unter gemeinsamer englisch-französischer Garantie vergeben wurde; dennoch mussten nach dem Russisch-Türkischen Krieg von 1878 4 Millionen Pfund, die von dem Kapital noch zurückzuzahlen waren, abgeschrieben werden, da das ungeheure Sumpfloch der osmanischen Schulden die relativ läppischen Summen, die zur Finanzierung des Krimkrieges verliehen worden waren, verschlungen hatte.
Auch wenn Großbritannien im Krimkrieg die Methoden wechselte, mit denen es seine Verbündeten finanziell unterstützte, so blieben doch die Mittel, um diese Darlehen abzusichern – eine Mischung aus Anleihen und Steuern –, im Grunde dieselben. William Gladstone, britischer Schatzkanzler während der ersten Hälfte des Krieges, wagte, die Kriegskosten durch Steuern statt durch Erhöhung der langfristigen Schulden zu begleichen. »Die Kosten eines Krieges«, erklärte er vor dem Parlament, »sind der moralische Hemmschuh, welchen der Allmächtige, wie es ihm gefiel, dem Ehrgeiz und Eroberungsdurst, die so vielen Nationen innewohnen, auferlegt hat […]. Die Notwendigkeit, diese Kosten Jahr um Jahr auf sich zu nehmen, bildet einen vorteilhaften und heilsamen Hemmschuh, der sie spüren lässt, worauf sie sich einlassen.«4 Doch trotz der kernigen Reden Gladstones zugunsten der Steuer griff er nichtsdestoweniger von sich aus auf die Emission kurzfristiger Schuldtitel zurück, von denen ein Teil niemals beglichen wurde. Sein Nachfolger, Sir George Cornewall Lewis, hatte nicht dieselben Skrupel, was wachsende Staatsschulden anbelangte, insbesondere nicht im Krieg. Für Lewis nahmen die Risiken einer wachsenden Staatsverschuldung ab, je reicher das Land wurde. Außerdem bedeuteten Steuern ihrerseits eine Gefahr, da sie das notwendige Wachstum des nationalen Reichtums hemmten. Und so erklärte Lewis vor dem Parlament: »Die Steuern, die die Unternehmen lähmen und die Industrie behindern oder der normalen Verteilung des Kapitals im Wege stehen, sind schädlicher für die Gesellschaft als die Kredite, die die Regierung aufnimmt.«5 Also erhöhte Lewis die Schulden Großbritanniens, ob sie nun gedeckt waren oder nicht, beträchtlich, sodass schließlich fast zwei Drittel der britischen Ausgaben für den Krimkrieg durch Anleihen statt durch Steuern finanziert waren.
Der Finanzaufwand für den relativ kurzen Krimkrieg verblasst im Vergleich zu den Kriegen Anfang des 19. Jahrhunderts. Für Großbritannien schlug er mit kaum mehr als sechs Monaten der Kosten, im Vergleich zu jenen, die am Ende der Napoleonischen Kriege anfielen, zu Buche. Nichtsdestotrotz verdoppelten sich während dieses Krieges praktisch die Kosten pro Soldat, was an militärindustriellen Innovationen wie dem Miniégewehr und den Schlachtschiffen der britischen Marine lag. Dies kündigte bereits die Herausforderungen an, die von der Modernisierung der Militärtechnologie in der allgemeinen Entwicklung hin zu einer totalen Mechanisierung des Krieges an die Staatsfinanzen gestellt wurden. Der Amerikanische Bürgerkrieg, ein anderer, mehr oder weniger damit vergleichbarer großer Konflikt des 19. Jahrhunderts, kündigte seinerseits die Finanzierungsprobleme der Kriege des 20. Jahrhunderts an. Wie der Erste Weltkrieg begann er mit der Gewissheit, dass er nicht länger als ein paar Monate dauern würde, vor allem angesichts der ökonomischen Ungleichheit zwischen beiden Lagern. Die kaum industrialisierte Baumwollökonomie der Konföderation könne, so glaubte man, unmöglich mit der diversifizierten Wirtschaft der Unionsstaaten konkurrieren, die über zwei Drittel des nationalen Reichtums, des Einkommens und der amerikanischen Bevölkerung verfügten. Dennoch wurde der Konflikt langwierig und teuer: Die Ausgaben der Nord- und Südstaaten zusammengenommen lagen bei 6,7 Milliarden Dollar in vier Jahren Krieg, darunter die laufenden Ausgaben der Regierungen, die materiellen Schäden und der aufgrund des Verlusts von Menschenleben entgangene wirtschaftliche Zuwachs.
Letztlich gab die Konföderation fast eine Milliarde Dollar für den Konflikt aus, wovon nur 40 Prozent durch Anleihen oder Steuern finanziert werden konnten; die restlichen 60 Prozent wurden durch extensives Drucken von Papiergeld gedeckt, was zu einer verheerenden Inflation mit einem Preisanstieg von 92 Prozent zwischen 1861 und 1865 führte. Anfänglich wurden Kriegsanleihen sowohl zu Hause als auch im Ausland ausgegeben, doch als sich das Kriegsglück der Konföderierten wendete, versiegten diese Investitionen aus der Öffentlichkeit; außerdem gingen mit den militärischen Rückschlägen auch die Steuerzahlungen zurück. Der Union hingegen, die Siege verzeichnete und mit einer stärker industrialisierten Wirtschaft ausgestattet war, standen fast 2,3 Milliarden Dollar für den Krieg zur Verfügung; ihre Ausgaben ließen sich leichter finanzieren, ohne wie im Süden auf eine inflationistische Geldpolitik zurückzugreifen, selbst wenn auch hier nicht abgesicherte Geldscheine emittiert wurden: Man nannte sie greenbacks (mit »grüner Rückseite« oder »grün im Rücken«), weil Hartgeld aus Silber oder Gold fehlte, um ihren Wert zu stützen. Der Norden konnte auch auf seine Steuereinnahmen insbesondere aus Zöllen und auf Gelder aus Anleiheemissionen zählen, mit denen er ungefähr 60 Prozent seiner Gesamtausgaben decken konnte. Je mehr das Ende des Krieges in Sicht kam, desto mehr wuchs die Fähigkeit der Union, sich insbesondere auf den ausländischen Märkten Geld zu leihen. Die Kreditmacht, der sich die Unionsstaaten auf ihrem Territorium wie im Ausland erfreuten, trug entscheidend zu ihrem Sieg bei.