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Eine Reservearmee für Industrie- und Transportwesen
ОглавлениеWährend es in der Geschichtswissenschaft zu Recht umstritten ist, ob die Anwendung des Begriffs »totaler Krieg« auf die Konflikte des 19. Jahrhunderts sinnvoll ist, so dürfte weitgehende Übereinstimmung darüber herrschen, dass der Erste, insbesondere aber der Zweite Weltkrieg »totale Kriege« waren, vor allem wenn dieser Begriff, wie von dem amerikanischen Historiker Roger Chickering und seinem deutschen Kollegen Stig Förster vorgeschlagen, als »Idealtyp« (ideal type) benutzt wird: a »phenomenon (that) can never be fully realized«. Für beide zeichnet sich dieser Idealtyp durch vier Indikatoren aus:
»1.Total war aims: unconditional surrender, subjugation of the enemy state or nation, the principle of destruction.
2.Total methods: disregard for international law and common moral principles, reckless use of the military means against the enemy.
3.Total mobilization: the employment of all resources of state, society, and economy for the single purpose of warfare.
4.Total control: centralized organization and purposeful guidance of all aspects of public and private life within the context of warfare.«3
Vor allem das Zusammenwirken dieser vier Faktoren unterschied für Chickering und Förster den Ersten und Zweiten Weltkrieg von früheren Konflikten. Allerdings wurde die mit diesem Idealtyp implizierte »Totalität« selbst in der Praxis beider Weltkriege nie erreicht. Zentraler Bestandteil aller vier Indikatoren des »totalen Krieges« ist die Erosion der Grenzen zwischen Heimatfront und Kriegsfront. Die Zivilbevölkerung wird zu einer entscheidenden Ressource der Kriegführung und damit auch – wie bereits erwähnt – zu einem zentralen Zielobjekt der Kriegführung.
Der Erste Weltkrieg war nicht nur ein globaler Krieg, sondern zugleich der erste hochindustrialisierte Massenkrieg. 38 Nationen waren mit ca. 60–70 Millionen Soldaten in diesen Krieg involviert, der mit fast 10 Millionen toten, 20 Millionen verwundeten und 8 Millionen kriegsgefangenen Soldaten endete. Hinzu kamen ca. 7 bis 8 Millionen zivile Opfer. Diese verlustreiche Form der Massenkriegführung war nur möglich, weil die meisten kriegsbeteiligten Nationen für ihre Armeen mithilfe der allgemeinen Wehrpflicht mobilisierten. In Deutschland wurden bis Kriegsende ca. 13,2 Millionen Männer eingezogen, mehr als ein Drittel der männlichen Gesamtbevölkerung. In Frankreich lag der Mobilisierungsgrad noch höher. Hier wurden ca. 8,1 Millionen Männer Soldaten. Nur die Länder des britischen Commonwealth begannen den Krieg mit Freiwilligenheeren. Doch im Verlauf des Krieges übertraf der Bedarf bei Weitem die Zahl der freiwilligen Meldungen, weshalb Großbritannien im Januar 1916 mit dem Conscription Service Act die allgemeine Wehrpflicht einführte. Bis zum Ende des Krieges wurden allein fast 5,7 Millionen britische Männer und 1,3 Millionen Männer aus den übrigen Staaten des Commonwealth zum Militärdienst eingezogen.
Die Mobilisierung für den Krieg erfolgte in der Propaganda aller kriegsbeteiligten Nationen mit dem alten Argument des »Verteidigungskrieges«. Die Männer wurden als »Verteidiger der bedrohten Nation« dargestellt, deren Aufgabe es war, Frauen und Kinder in der »Heimat« zu beschützen. Die vielen Männer, die aus den verschiedenen bereits angedeuteten Gründen nicht in den Krieg zogen, wurden als »unmännlich« wahrgenommen und in den Medien entsprechend verunglimpft. In Großbritannien überreichten Frauen im Rahmen der »White Feather Campaign« Männern im wehrfähigen Alter, die in der »Heimat« zurückblieben, beispielsweise seit Kriegsbeginn eine weiße Feder als Symbol ihrer »Feigheit« und »Unmännlichkeit«.
Die Forderung des Schutzes von Frauen, Familien und »Heimat« durch die eingezogenen Männer war in der Realität des Krieges schwerlich zu realisieren. Zu den ersten Regionen, in denen die Zivilbevölkerung die Wucht des Krieges zu spüren bekam, gehörten an der Westfront Elsass-Lothringen, Belgien und der Nordosten Frankreichs. Allein hier vertrieb der deutsche Einmarsch ca. 3 Millionen Menschen und machte mittelfristig weitere 500 000 zu Heimatlosen, die in die unbesetzten französischen Territorien fliehen mussten. An die 6500 belgische und französische Zivilisten wurden im Zuge des deutschen Einmarsches bei gewaltvollen Übergriffen getötet. Diese German Atrocities (deutsche Gräueltaten) wurden von der britischen und französischen Propaganda wiederum intensiv für die Kriegsmobilisierung genutzt. Später setzte sich die direkte Gewalt gegen Zivilist*innen vor allem während der Kriegshandlungen und der Okkupation im Osten Europas und auf dem Balkan fort sowie im Territorium des Osmanischen Reiches, das an der Seite Deutschlands kämpfte. Bei Massakern und Todesmärschen starben 1915 / 16 im Kontext des Armenischen Genozids geschätzte 1,5 Millionen Menschen.
Ansonsten waren Zivilist*innen in der ersten Kriegsphase vor allem durch die erzwungene Trennung von ihren eingezogenen männlichen Angehörigen sowie oft auch Erwerbslosigkeit vom Krieg betroffen. Im Zuge der Umstellung von der Friedens- auf die Kriegswirtschaft wurden vor allem Frauen in den alten »Frauengewerben« wie der Textil- und Bekleidungsindustrie kurzfristig erwerbslos. Doch schon bald setzte aufgrund der schnell wachsenden Verluste und der hohen Rekrutierungsquoten die Mobilisierung der Zivilbevölkerung für die Kriegswirtschaft ein. Aufgrund der verbreiteten Vorstellung einer schnellen Kriegsentscheidung war nicht nur die Führung des Deutschen Reiches, sondern waren auch die Regierungen der anderen kriegsbeteiligten Staaten dafür allerdings nur unzureichend vorbereitet. Die Umstellung auf eine länger anhaltende Kriegswirtschaft erwies sich überall als erhebliches Problem.
Auch das bestehende System der öffentlichen Sozialfürsorge wurde schon aufgrund der Dimensionen des industrialisierten Massenkrieges in allen kriegsbeteiligten Staaten mit völlig neuen Herausforderungen konfrontiert, die alles Bekannte bei Weitem übertrafen. Zu den ersten sozialpolitischen Maßnahmen gehörte der Versuch, die soziale Situation der »Kriegerfrauen und Kriegerfamilien« durch eine finanzielle Unterstützung abzusichern. Hiermit sollte primär der Kampfeswillen der Soldaten gefördert werden, indem ihnen das Gefühl gegeben wurde, dass die Familienangehörigen daheim gut versorgt wären. Im Deutschen Reich war die Familienunterstützung »der in den Dienst eingetretenen Mannschaften« bereits 1888 durch ein entsprechendes Gesetz geregelt worden. Als »unterstützungsberechtigt« galten alle Kinder unter 15 Jahren sowie bisher versorgte Verwandte ersten Grades des Eingezogenen und seiner Frau. Bis Ende 1917 wurden knapp 15 Millionen Familien von den Kommunen unterstützt. Damit war knapp ein Drittel aller Haushalte auf die Familienunterstützung angewiesen. Die geleisteten Zahlungen waren allerdings alles andere als ausreichend; ihre Höhe hing von der Bedürftigkeit und der Kinderzahl ab. Auch Frankreich bezahlte Angehörigen von Soldaten nur im Fall der Bedürftigkeit eine Familienunterstützung; hier waren lediglich Kinder unter 13 Jahren automatisch anspruchsberechtigt. Anders war die Situation in Großbritannien. Die Regierung gewährte eine vergleichsweise großzügige »Separation Allowance«, da sie diese als wichtiges Mittel der Freiwilligenwerbung betrachtete.
Zudem wurden in fast allen kriegsbeteiligten Staaten mit Kriegsbeginn die Mieten eingefroren, die im Budget von Mittel- und Unterschichtsfamilien ein erheblicher Ausgabeposten waren. Erst später setzte die staatliche Rationierung von Lebensmitteln und Brennmaterial ein, mit der die schnell wachsende Knappheit zu regulieren versucht wurde. Fast alle Kriegsmächte hatten aufgrund ihrer mangelhaften Kriegsvorbereitung erhebliche Versorgungsprobleme, nachdem der Krieg länger als geplant anhielt. In Deutschland, Italien, Österreich-Ungarn und Russland war die Versorgungslage allerdings aufgrund der Wirtschaftsblockade besonders schwierig. Hier erreichte der Mangel ab 1915 immer extremere Ausmaße. Betroffen waren vor allem Familien der städtischen Unter- und Mittelschichten. Stundenlanges Schlangestehen nach rationierten Lebensmitteln, »Hamsterfahrten« auf das Land, illegale Tauschaktionen, der Einkauf auf dem Schwarzmarkt, kurz die Bewältigung der alltäglichen Not, waren vor allem eine Aufgabe der Frauen. Das Überleben der Familie beruhte in zunehmendem Maße auf zeitaufwendiger weiblicher Subsistenzarbeit im Haushalt. Die Notlage war in vielen kontinentaleuropäischen Städten ab 1916 so groß, dass es zunehmend zu spontanen Hungerprotesten und Lebensmittelunruhen kam, die vor allem von Frauen und Jugendlichen getragen wurden. Bis zum Ende des Krieges starben Hunderttausende von Zivilist*innen infolge von Hunger und Krankheit. Die Zahl der Toten wurde durch die globale Epidemie der Spanischen Grippe, die den durch den Krieg ohnehin geschwächten Menschen 1918 bis 1920 zusetzte, in die Höhe von vielen Millionen getrieben.
Die unzureichende praktische Kriegsvorbereitung der staatlichen Administration und des Militärs konnte auch durch die nach Kriegsbeginn allerorts schnell einsetzende private freiwillige Kriegsfürsorge nicht ausgeglichen werden, die überwiegend von Frauen getragen wurde. Die große Mehrheit der bürgerlichen wie der sozialistischen Frauenorganisationen, die vor dem Ersten Weltkrieg in vielen Ländern Europas erheblich an Einfluss gewonnen hatten, unterstützte den Krieg ihrer Nation und die Rhetorik des Verteidigungskrieges. Die Kriegspropaganda forderte überall, dass nun alle politischen und sozialen Differenzen überwunden werden und alle Kräfte der Nation zusammenarbeiten müssten. In diesem Sinne unterstützten nicht nur Arbeiterparteien und Gewerkschaften die Kriegführung »ihrer Nation«, sondern schlossen sich auch die unterschiedlichsten Frauenorganisationen auf der nationalen und der lokalen Ebene zur »weiblichen Kriegshilfe« an der Heimatfront zusammen und kooperierten dabei eng mit den jeweiligen staatlichen Stellen.
Zwei Beispiele sind die größte britische und deutsche Frauenorganisation, die »National Union of Women’s Suffrage Societies« mit ca. 100 000 Mitgliedern und der »Bund Deutscher Frauenvereine« (BDF) mit ca. 500 000 Mitgliedern. Der BDF gründete bereits im Juli 1914 den »Nationalen Frauendienst« (NFD) mit dem Ziel, Frauen für die »vaterländische Arbeit an der Heimatfront« zu mobilisieren. Zunächst konzentrierte der NFD seine Tätigkeit auf die Mitwirkung bei der Organisation der Kriegskrankenpflege, die Mitarbeit bei der Lebensmittelversorgung und -verteilung, die Fürsorge für die Soldatenfamilien und die Unterstützung der kriegsbedingt Erwerbslosen. Nach und nach engagierte er sich zudem verstärkt auch in der Kinder- und Jugendfürsorge, dem Wöchnerinnen- und Säuglingsschutz sowie der Obdachlosenfürsorge. Ein weiteres Tätigkeitsfeld war die Aufklärung über die Bedeutung der Hausarbeit für die Kriegswirtschaft. Mit Sparappellen, Kriegsrezepten und Kriegskochkursen sollten vor allem Soldatenfrauen aus der Arbeiterschaft dazu erzogen werden, mit den wenigen rationierten Lebensmitteln und Brennstoffen besser auszukommen.
Ganz ähnlich waren die Aktivitäten der Frauenbewegung in anderen Kriegsnationen. Als im Kriegsverlauf die Mobilisierung breiter Frauenkreise für die Arbeit in der Kriegswirtschaft immer wichtiger wurde, übernahmen sie häufig auch die Organisation der weiblichen Arbeitsvermittlung und die notwendig werdende begleitende Sozialfürsorge, zu der die Organisation von Kinderbetreuung und Mittagstischen gehörte. Ein erheblicher Teil dieser Arbeit wurde zwar ehrenamtlich geleistet, doch schon bald zeigte sich in den meisten Ländern, dass das nicht reichte. Es setzte eine Professionalisierung der weiblichen Kriegsfürsorge ein, in deren Zuge sich bezahlte Positionen in der öffentlichen Gesundheits- und Sozialfürsorge, der Wohnungspflege oder der Gewerbeaufsicht für entsprechend qualifizierte Frauen aus der Mittel- und Oberschicht öffneten.
Um den wachsenden Arbeitskräftebedarf der Kriegswirtschaft zu decken, wurden Frauen im Verlauf des Krieges zu einer immer wichtigeren Reservearmee. Sie ersetzten in mehr und mehr Zweigen der Industrie, des Handels, des Transportwesens und der Verwaltung die eingezogenen Männer. Auf den ersten Blick stieg der Anteil der erwerbstätigen Frauen während des Krieges dramatisch an: In Deutschland von 21 Prozent im Jahr 1913 auf 36 Prozent im Jahr 1918, in Frankreich von 32 Prozent im Jahr 1914 auf 41 Prozent im Jahr 1918, in Großbritannien im gleichen Zeitraum von 24 Prozent auf 38 Prozent und in Russland von 32 Prozent auf 42 Prozent. Der reale Zuwachs der erwerbstätigen Frauen war aber weit weniger dramatisch, als diese Prozentzahlen nahelegen. Er hielt sich in allen kriegsbeteiligten Ländern im Rahmen des allgemeinen Trends einer Zunahme der ganztägigen, außerhäuslichen Frauenerwerbsarbeit in Industrie, Handel und Verwaltung, der bereits vor der Jahrhundertwende eingesetzt hatte. Der Zuwachs erschien stärker, weil vor allem junge und unverheiratete Frauen von der Landwirtschaft und den häuslichen Diensten, wo ihre Arbeit statistisch häufig nur unzureichend erfasst wurde, in die Industrie wechselten und verheiratete Frauen statt gewerblicher Heimarbeit sowie Teilzeit- und Saisonarbeit in der Industrie, die ebenfalls statistisch nur unzureichend gezählt wurden, nun ganztägige Fabrikarbeit aufnahmen. Vor allem die kriegswichtigen Industrien und das Transportwesen boten Frauen aus der Arbeiterschaft geregeltere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne. Für junge Frauen aus der Mittelschicht beschleunigte der Krieg den Trend ihrer Beschäftigung in Handel und Verwaltung.
1916 / 17 war aufgrund der hohen Zahl gefallener Soldaten der Arbeitskräftebedarf bereits so groß, dass alle Regierungen verschiedene Mittel und Wege erörterten, mehr Arbeitskräfte, vor allem Frauen, in die Kriegswirtschaft zu integrieren. In Großbritannien folgte der allgemeinen Wehrpflicht im August 1916 die Einführung eines »National Register«, das Alter, Geschlecht und Beruf aller Frauen und Männer zwischen 16 und 65 erfasste. Aber eine Arbeitspflicht für Frauen wurde trotzdem nicht eingeführt, da die Regierung massiven öffentlichen Widerstand befürchtete. In Deutschland trat im Dezember 1916 das »Gesetz über den Vaterländischen Hilfsdienst« in Kraft, das »alle männlichen Deutschen vom vollendeten 17. bis zum vollendeten 60. Lebensjahr, soweit sie nicht bereits zum Kriegsdienst eingezogen« waren, als »hilfsdienstpflichtig« einstufte. Frauen wurden zwar auch hier explizit ausgenommen, doch sie sollten als Freiwillige verstärkt für die Kriegsindustrie geworben werden. Aufgrund vielfältiger Probleme blieb der Erfolg der Werbung von Arbeiterinnen für die Kriegsindustrie nicht nur in Deutschland weit hinter den Erwartungen zurück. Daran änderte auch die immer intensivere Zusammenarbeit von staatlichen und militärischen Verwaltungen mit den Organisationen der »weiblichen Kriegshilfe« wenig.
Eine Ursache war, dass selbst bei einer Produktionsumstellung weiterhin ausgebildete männliche Fachkräfte in der Industrie benötigt wurden. In der Folge mussten alle kriegsbeteiligten Staaten umfangreiche Freistellungen von gesuchten männlichen Facharbeitern vornehmen. Zudem setzten sie zunehmend männliche Kriegsgefangene ein. Allein im Deutschen Reich arbeiteten 1917 bereits 390 000 Kriegsgefangene in den kriegswichtigen Industrien. Ein weiterer wichtiger Faktor war die immer schlechter werdende Versorgungslage an der Heimatfront. Sie trug nicht dazu bei, dass vor allem verheiratete Arbeiterfrauen bereitwillig auf die immer dringender werdenden Werbeaufrufe der offiziellen Kriegspropaganda reagierten, die sie für die Arbeit in der Kriegsindustrie zu werben versuchten. Sie mussten ihre ganze Arbeitskraft vor allem in Deutschland und Österreich-Ungarn zunehmend darauf konzentrieren, durch ihre Subsistenzarbeit das Überleben der Familie zu sichern. Erhebliche zusätzliche Schwierigkeiten bereitete der häufige Arbeitsplatzwechsel der weiblichen Kräfte, der vor allem für junge und ledige Arbeiterinnen die übliche und einzig erfolgversprechende Strategie war, Arbeitsbedingungen und Entlohnung zu verbessern. Dieses Verhalten und ihre während des Krieges wachsende Bereitschaft zu spontanen Streiks, die sich in vielen Ländern zeigte, wurden von der bürgerlichen Öffentlichkeit als »Unzuverlässigkeit«, »fehlende Opferbereitschaft« und »mangelnder Patriotismus« gewertet.
Dieser Vorwurf wurde den Frauen, die in der Kriegskrankenpflege halfen, nicht gemacht. Im Gegenteil, ihre Tätigkeit wurde als Ausdruck höchsten weiblichen Kriegspatriotismus gepriesen. Der Erste Weltkrieg war der erste Konflikt, in dem professionell ausgebildete Krankenschwestern und freiwillige Krankenpflegerinnen, die überwiegend aus der Mittel- und Oberschicht stammten, in großer Zahl im Einsatz waren. Eine der bekanntesten Organisationen der freiwilligen Kriegskrankenpflege war das »Voluntary Aid Detachment« (VAD), das 1909 vom Britischen Roten Kreuz geschaffen worden war. Der VAD organisierte während des Krieges die Arbeit von insgesamt 66 000 Schwestern und Pflegerinnen: 32 000 arbeiteten als professionelle Krankenschwestern, 23 000 als freiwillige VAD-Krankenpflegerinnen und 11 000 als VAD General Service Auxiliaries, die vor allem als Küchenhilfen, Reinigungspersonal und Krankenwagenfahrerinnen eingesetzt wurden. In Frankreich hatte das Militär ebenfalls 1909 mit der Ausbildung von Kriegskrankenschwestern begonnen. 23 000 wurden zu Beginn des Krieges für den service de santé militaire unter Aufsicht des Roten Kreuzes mobilisiert. Erst 1916 wurde weiblichen Freiwilligen die Möglichkeit eröffnet, als angelernte Krankenpflegerinnen tätig zu werden. Insgesamt waren 63 000 Krankenschwestern und Pflegerinnen im Rahmen des service de santé militaire in 1480 Hospitälern und Sanitätseinheiten im Einsatz. Auch in Deutschland wurde die Kriegskrankenpflege vom Roten Kreuz (DRK) organisiert. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges bestand die Gesamtorganisation des DRK aus 6297 Vereinen mit mehr als einer Million Mitgliedern. 3000 davon waren Frauenvereine, denen allein 800 000 Mitglieder angehörten, die die Arbeit des Roten Kreuzes an der Heimatfront unterstützten und dabei mit dem NFD eng zusammenarbeiteten. Eine zentrale Aufgabe war zunächst die Spendensammlung für die Kriegskrankenpflege. Hinzu kamen im Verlauf des Krieges die Verwundetenpflege in der Heimat sowie die Fürsorge für die im Felde stehenden Soldaten und ihrer Angehörigen. In der Krankenpflege selbst, die allgemein vom DRK organisiert wurde, waren während des Krieges insgesamt 92 000 Frauen als Krankenschwestern und Schwesternhelferinnen tätig, die damit 40 Prozent des Sanitätspersonals des deutschen Militärs stellten. Von den 28 000 professionell ausgebildeten Kriegskrankenschwestern waren 19 800 DRK-Schwestern und 8200 Diakonissinnen. Die Bedingungen, unter denen Krankenschwestern und Pflegerinnen in der Regel arbeiteten, waren extrem hart. Von dieser Realität erfuhr die Öffentlichkeit während und nach dem Ersten Weltkrieg allerdings wenig. Es war vielmehr das Bild des adrett in weiß gekleideten rettenden Engels der Soldaten, das in der nationalen Erinnerung fortlebte.