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2.4 Lernen als Aufbau von Wissen
ОглавлениеMenschliches Lernen geht aber weit über Konditionierung hinaus. Beim schulischen Lernen steht der Erwerb von Wissen im Mittelpunkt, welches über Symbolsysteme wie Sprache, Schrift und mathematische Zeichen vermittelt wird. Zwar kann gewisser Schulstoff durch Konditionierung erworben werden, zum Beispiel das Einmaleins oder die Vokabeln einer Fremdsprache. Wer die Aufgabe »7 x 3 =« richtig mit »21« beantwortet, wird gelobt. Auch einen Grundwortschatz englischer Vokabeln kann man so erwerben.
Wenn aber im Kopf der Schülerinnen und Schüler lediglich von außen gesteuerte, in ihnen gleichsam automatisch ablaufende Prozesse (Assoziationen) aufgebaut werden, dann wird unflexibles und deshalb häufig unbrauchbares, sogenanntes träges Wissen erworben. Wenn das kleine Einmaleins durch Verstärkung der richtigen Antwort auswendig gelernt wurde, kommt zwar die Antwort auf »4 x 8 =« wie aus der Pistole geschossen, aber die Schülerinnen und Schüler wissen nicht, dass man die Zahl nur verdoppeln muss, wenn man »4 x 16 =« ausrechnen soll. Wenn man im GedächtnisAssoziationen wie »Stuhl – chair, Tisch – table oder Teppich – carpet« gespeichert hat, dann bedeutet das nicht automatisch, dass man diese Vokabeln auch nutzen kann, um sinnvolle englische Sätze zu bilden.
Die besondere geistige Kompetenz des Menschen besteht aber gerade darin, nicht nur in diesem Sinne rein assoziativ zu lernen. Wir bauen nicht einfach nur Verbindungen im Gedächtnis auf, die von außen gesteuert werden. Vielmehr ist der menschliche Geist in der Lage, Wissenselemente aktiv und ohne äußeren Anstoß so zu konstruieren und/oder umzustrukturieren, dass sie auch zur Bewältigung von Aufgaben herangezogen werden können, zu deren Lösung wir bisher keine Anleitung bekommen haben.
Gerade in der Schule geht es somit darum, Kinder und Jugendliche bei ihrer eigenen (Re-)Konstruktion von Wissen zu unterstützen, das in einem kulturellen Kontext entstanden und anspruchsvoll ist. Sie müssen die Schrift, die Mathematik oder naturwissenschaftliche Gesetzmäßigkeiten zwar nicht erfinden – das haben kluge Menschen vor ihnen getan –, aber sie müssen sie für sich konstruieren und in ihr eigenes Wissensnetzwerk einbauen. Da dieser Prozess sehr komplex ist, führen wir im folgenden Kapitel ein Modell ein, das den Wissensaufbau besser fassbar macht.