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4. Theologische Erkenntnis im Spannungsfeld von Inklusion und Exklusion

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Praktische Theologie hat sich Rechenschaft darüber zu geben, welche Dichotomie von innen und außen (z. B. Kirche und Welt, die Gemeinde und die Armen, religiös und säkular) sie jeweils verwendet und wie sie die Beziehung zwischen beiden Bereichen konstruiert. Welche Phänomene passen in das Wahrnehmungsraster des Praktischen Theologen / der Praktischen Theologin und welche fallen hindurch? Welche Personen und Gruppen kommen als Erkenntnis- und Forschungssubjekte in Betracht und welche werden ausgeschlossen? Inwiefern fördert oder behindert ein Forschungsprojekt diese verschiedenen Subjekte in ihrem eigenen Verständnis der Situation und in ihren Handlungsmöglichkeiten?216

Eine Praktische Theologie, die auf das Leben aller Menschen entsprechend ihrer Würde vor Gott ausgerichtet ist, hat sich vorrangig an denjenigen auszurichten, deren Würde und Lebensmöglichkeiten am meisten unterdrückt sind. Eine Praxis, welche die Partnerschaft mit den Ärmsten zur Grundlage politischen und bürgerschaftlichen Handelns macht, kann gleichzeitig als konsequente Umsetzung der Ideale der Moderne verstanden werden: Mündigkeit, Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Menschenrechte und Demokratie.217 Sie bedeutet allerdings einen Bruch mit einer exklusiven Konzeption dieser Ideale. Im Unterschied zu Ansätzen, die zwar den Kreis der mündigen Bürger in einem permanenten Kampf um Anerkennung (Axel Honneth) nach und nach ausweiten, aber bei der Konstituierung der neuen politischen Subjekte (Dritter Stand, Arbeiterklasse, Frauen218, ehemals kolonisierte Völker) einen „menschlichen Abfall“ in Kauf nehmen (die Passivbürger bei Emanuel Joseph Sieyès, das Lumpenproletariat bei Karl Marx), macht diese Praxis den Ärmsten zum Garanten der Universalität dieser Ideale und betrachtet seinen Beitrag als unerlässlich, um diese zu konkretisieren. „Wo immer Menschen dazu verurteilt sind, im Elend zu leben, werden die Menschenrechte verletzt. Sich mit vereinten Kräften für ihre Achtung einzusetzen ist heilige Pflicht“219, diese von Wresinski formulierte Devise weist über die Dichotomie von Inklusion und Exklusion hinaus. Sie sucht Einigung nicht durch Abgrenzung nach außen, sondern durch das Eingehen einer politischen Beziehung mit denjenigen Menschen, denen unter den herrschenden Bedingungen ein Leben in Würde nach anerkannten Normen verwehrt ist. Christliche und kirchliche Praxis hat sich an diesem Anspruch zu messen.

Wenn die Erfahrungen, Fragen und Erkenntnisse von Menschen, die unter den Bedingungen der Spätmoderne vom Zugang zu den Grundrechten ausgeschlossen sind, nicht in die praktisch-theologische Reflexion einfließen können, dann beraubt sich die Theologie einer zentralen Erkenntnisquelle. Sie läuft damit Gefahr, sich „über das Wesen Gottes selbst“ zu täuschen.220 Die Nutzung dieser Quelle in Lehre und Forschung darf nicht vom Zufall oder vom guten Willen Einzelner abhängig sein, sondern muss in den verschiedenen Räumen theologischer Reflexion institutionell verankert werden. Zusammen mit Gruppen und Organisationen, bei denen arme, sozial ausgeschlossene Personen sich beteiligen und äußern, können Räume geschaffen werden, um Fragen im Zusammenhang mit Sinn, mit religiöser Praxis und mit Zugehörigkeit gemeinsam zu formulieren und zu vertiefen.

Ein langfristiger Ansatz ist eine unabdingbare Voraussetzung für eine Partnerschaft mit den Ärmsten. Es ist sinnvoll, wenn Praktische Theologen und Theologinnen zeitweilig oder dauerhaft ihren institutionellen Rahmen verlassen, um in der Begegnung, im Zusammenleben und im gemeinsamen Handeln mit armen und ausgeschlossenen Personen und Bevölkerungen ihren Beruf neu zu lernen.

Praktische Theologie in der Spätmoderne

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