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1.1 Die Mikroebene sozial konstruierter Identitäten: doing gender
ОглавлениеMenschen konstituieren sich in ihrer Identität über Differenzierungskategorien; Identitäten werden also auf der Grundlage von Differenz konstruiert und nicht jenseits von ihr: „Identitäten können nur wirksam werden, weil sie mit Hilfe von Differenzierungen Andere ausschließen. Einfach gesagt: Wir wissen, wer wir sind, wenn wir wissen, von wem wir uns abgrenzen.“226 Identitätskategorien haben von daher auch immer einen normativen und ausschließenden Charakter. (Spät-)Moderne Identitäten sind aufgrund fortschreitender Individualisierungsprozesse durch eine Vielfalt von Differenzkategorien (mit-)bestimmt, die in verschiedenen Kontexten relevant oder auch irrelevant gesetzt werden und dabei in ihrer jeweiligen Verbundenheit miteinander unterschiedliche Wechselwirkungen entfalten. Fixe Zuordnungen verlieren an Stabilität, Widersprüche und Brüche lassen sich beobachten. Mit Gabriele Winker und Nina Degele lässt sich zusammenfassend festhalten,
„dass es bei Identitätskonstruktionen entlang verschiedenartiger Differenzkategorien erstens um die Verminderung von Unsicherheiten in der eigenen sozialen Positionierung durch Ab- und Ausgrenzung von Anderen, und zweitens um die Erhöhung von Sicherheit durch Zusammenschlüsse und eine verstärkte Sorge um sich selbst geht – womit Individuen nicht nur selbst nach Absicherung (zu) streben (versuchen), sondern auch ein umfassendes und vielfältiges Differenzierungssystem aufrechterhalten.“227
Naturalisierungen und Hierarchisierungen und die damit verbundenen Machteffekte spielen somit eine wichtige Rolle, z. B. prominent bei der Kategorie Geschlecht. Geschlecht begegnet auf dieser Ebene – neben Ethnie, Nation, Religion, Beruf usw. – als eine der fundamentalsten Kategorien, an der Menschen ihre Identität festmachen. Dementsprechend beschreibt das Konzept von doing gender Geschlecht als „Ergebnis sozialen Handelns, eine interaktive Leistung der beteiligten AkteurInnen, ein routiniertes Tun, das ProtagonistInnen wie auch RezipientInnen täglich aufs Neue erbringen müssen.“228