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3.1 Der Bereich der Konfluenz. Die Fähigkeit des Being-with ohne die Wahrnehmung von Grenzen

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Zum Zeitpunkt der Geburt6 entsteht Kontakt auf konfluente Art und Weise: Mutter und Kind erkennen einander intuitiv. Das Kind nimmt die Umwelt als Teil seiner selbst wahr (Stern 1990) und die Mutter ist sich ihrer Liebe zu ihrem Kind voll bewusst. Weil Konfluenz eine Kontaktmodalität ist, stellt sie die Fähigkeit dar, die Umwelt so wahrzunehmen, als gäbe es keine Grenzen, keine Abgrenzung zwischen der Umwelt und dem Organismus. Diese Fähigkeit bildet die Grundlage für Empathie und ist eine natürliche Qualität, die man in den Neurowissenschaften heute als verkörperte Empathie (»embodied empathy«) bezeichnet (siehe Gallese et al. 2006). Die Fähigkeit zur Konfluenz entspringt unserer fundamentalen Zugehörigkeit zur Umwelt (Philippson 2001). Stern et al. (2000) beschreiben die Kompetenz des Kindes, die Intentionen der Erwachsenen intuitiv zu erkennen und sie zum Abschluss zu bringen. Seine Beobachtungen, die er im Kontext seiner Kritik an Mahlers Theorie des primären Autismus (1968) formuliert, verdeutlichen die kindliche Fähigkeit (tatsächlich das genaue Gegenteil von Autismus), den/die signifikante(n) Andere(n) intersubjektiv zu erspüren. Parallel dazu und unbeabsichtigt bestätigen sie darüber hinaus den ästhetischen Standpunkt der Gestalttherapie: Die natürliche, volle Anwesenheit des Kindes mit all seinen Sinnen an der Kontaktgrenze sichert ihm die intuitive Erfassung durch den/die Andere(n), selbst wenn es an der Grenze einen Mangel der Wahrnehmung der Abgrenzung gibt.


Abb. 2: Gestalttherapeutische Karte der polyphonen Entwicklung der Bereiche

Das gestalttherapeutische Konzept der Konfluenz liefert eine schlüssige Erklärung der Intuition zwischen Mutter und Kind (die sich möglicherweise bis ins Erwachsenenalter fortsetzt): Es handelt sich dabei um eine Sensibilität gegenüber den Vorgängen in der Umwelt oder um eine Sensibilität gegenüber »natürlichen Anhaltspunkten«, um einen phänomenologischen Begriff zu verwenden (siehe Blankenburg 1998). Dieser Bereich bleibt und kann im Lauf des Lebens (weiter-)entwickelt werden.

Das Risiko, das mit einer Desensibilisierung dieses Bereichs einhergeht, ist Wahnsinn: Wahrnehmung ohne Klarheit. Und ich würde sogar sagen: ohne Atem (aufgrund von Angst).

Gestalttherapie in der klinischen Praxis

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