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a) Die Urteile „Egenberger“ und „IR/JQ“

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In der Rechtssache „Egenberger“ ging es darum, ob die Besetzung der Stelle eines/einer Referenten/in bei der Diakonie, bei der es um konzeptionelle Aufgaben im Zusammenhang mit der Rassismusbekämpfung gehen sollte, von der Zugehörigkeit der Stelleninhaberin oder des Stelleninhabers zu einer christlichen Kirche abhängig gemacht werden konnte, oder ob hierin eine rechtswidrige Ungleichbehandlung wegen der Religion lag.

Der Gerichtshof der Europäischen Union erkannte zwar an, dass eine Kirche sich in einem solchen Fall darauf berufen kann, die Religion sei nach der Art der betreffenden Tätigkeit oder den vorgesehenen Umständen ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Kirche. Ein solches Vorbringen muss aber, so der Gerichtshof, Gegenstand einer wirksamen Kontrolle durch staatliche Gerichte sein. Es müsse sichergestellt sein, dass die genannten Kriterien im konkreten Fall erfüllt seien. Bei den genannten Anforderungen handele es sich um solche, die notwendig und angesichts des Ethos der betreffenden Kirche aufgrund der Art der in Rede stehenden beruflichen Tätigkeit oder der Umstände ihrer Ausübung objektiv geboten sein. Sachfremden Erwägungen ohne Bezug zu diesem Ethos oder dem Recht der Kirche dürften hiervon nicht mit umfasst sein. Die Anforderung einer bestimmten Religionszugehörigkeit müsse mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang stehen.42

Diese Vorgaben hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 25. Oktober 201843 umgesetzt und darauf erkannt, eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion sei nur zulässig, wenn die Religion nach der Art der Tätigkeit und den Umständen ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Religionsgemeinschaft darstellt. Der Blick des erkennenden Senats auf die von der konkreten Klägerin zu erfüllenden beruflichen Anforderungen führte ihn dazu, von einer unrechtmäßigen Differenzierung wegen der Religion auszugehen. Es habe keine wahrscheinliche und erhebliche Gefahr bestanden, dass das Ethos der beklagten kirchlichen Einrichtung durch die Aufgabenwahrnehmung seitens einer konfessionslosen Person beeinträchtigt würde. Dies entnahm das Gericht im Schwerpunkt dem Umstand, dass der jeweilige Stelleninhaber oder die jeweilige Stelleninhaberin in einen internen Meinungsbildungsprozess bei der beklagten Einrichtung eingebunden sein sollte und deshalb in Fragen, die deren Ethos betrafen, nicht unabhängig handeln konnte.44

Das Besondere und für das deutsche Recht grundlegend Neue ist der Umstand, dass es nicht mehr die im ganz Wesentlichen nach Maßgabe ihres Selbstverständnisses handelnden Kirchen und ihre Einrichtungen sind, die vorrangig und weitgehend unkontrolliert festlegen, wo sie die Religionszugehörigkeit eines Mitarbeiters als conditio sine qua non ansehen und so die darin liegende Ungleichbehandlung wegen der Religion ohne weiteres rechtfertigen.45 Nach der unionsrechtlichen Rechtsprechung und deren Umsetzung durch die nationale Fachgerichtsbarkeit muss sich dieses Selbstverständnis vielmehr einer gerichtlichen Überprüfung daraufhin unterziehen, ob es im konkreten Einzelfall objektiv und verhältnismäßig die einander gegenüberstehenden Interessen berücksichtigt.

Diese aus dem Unionsrecht herrührende, auf jedes einzelne Arbeitsverhältnis bezogene Notwendigkeit der Kontrolle durch staatliche Gerichte daraufhin, ob denn kirchliche Vorgaben objektiv angemessen sind oder nicht, ist auch ein wesentlicher Gesichtspunkt der Chefarzt-Entscheidung „IR/JQ“.46 Ein katholischer Chefarzt eines in kirchlicher Trägerschaft stehenden Krankenhauses hatte nach der Scheidung seiner auch kirchlich geschlossenen Ehe wieder geheiratet und war deshalb vom Krankenhausträger gekündigt worden. Es stand zwar außer Frage, dass der gekündigte Chefarzt durch das Eingehen einer nach kanonischem Recht ungültigen Ehe in erheblichem Umfang gegen das kirchliche Ethos verstoßen hatte. Fraglich war indes, ob mit diesem Verstoß eine die Kündigung gegenüber einem leitenden Mitarbeiter rechtfertigende Verletzung seiner Loyalitätspflichten verbunden war. Dies war insbesondere deshalb fraglich, weil der Krankenhausträger bei leitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die nicht katholisch waren, das betreffende Verhalten hingenommen hatte.

Der Gerichtshof betonte auch hier, dass es einer wirksamen Kontrolle durch staatliche Gerichte bedarf, damit angenommen werden kann, dass ein kirchlicher Krankenhausträger je nach Konfessionszugehörigkeit unterschiedliche Anforderungen an das loyale und aufrichtige Verhalten im Sinne des kirchlichen Ethos stellen kann. Eine derartige Ungleichbehandlung setze voraus, dass die Religion im Hinblick auf die Art der betreffenden beruflichen Tätigkeiten oder die Umstände ihrer Ausübung eine berufliche Anforderung sei, die angesichts des Ethos der in Rede stehenden Kirche wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt ist und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Der Gerichtshof hatte im Einzelfall hieran erkennbar Zweifel,47 überließ die abschließende Bewertung aber dem nationalen Gericht. In einem außerordentlich sorgfältig begründeten Urteil vom 20. Februar 2019 hat das Bundesarbeitsgericht diese Bewertung dahin vorgenommen, dass die Religion für die betreffende Chefarzttätigkeit keine berufliche Anforderung in dem vorgezeichneten Umfang ist, und die augesprochene fristlose Kündigung endgültig kassiert.48

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