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IV. Kirchlicher Dienst als Ort der Kirche
ОглавлениеAngesichts der gesellschaftlichen Veränderungen aber auch der zunehmend verschärften wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wie Anbieterwettbewerb, Kostendruck durch die Einführung neuer Vergütungssysteme, die Umstellung vom Kostendeckungsprinzip auf Leistungsentgelte, die zunehmende Ausgliederung bestimmter Einrichtungen (Outsourcing)24 muss der kirchliche Dienst verändert werden, bzw. modernisiert werden, um auch künftig in leistungsstarken und zukunftssicheren Einrichtungen zur Umsetzung zu kommen. Die kirchliche Trägerschaft, in deren Einrichtungen die kirchlichen Dienste stattfinden, muss neu aufgestellt werden. Für die kirchlichen Träger kommt es darauf an, den politischen und gesellschaftlichen Verlust so aufzufangen, dass das Ende der finanziellen Möglichkeiten des Staates nicht zugleich das Ende der kirchlichen Trägerschaft bedeutet. Die Konzentration der Kräfte in große Trägergesellschaften führt zu einem Verlust der Trägervielfalt. Was, so ist zu fragen, wird aus der gemeinschaftsorientierten und ortsverbundenen Eigenart der Dienste kirchlicher Träger, wenn eine wachsende Zahl kleinerer Träger aufgibt und letztlich nur einige wenige Sozialkonzerne existieren?25 Was wird aus der Trägervielfalt als Ausdruck persönlichen Engagements kleiner Gruppen und Gemeinschaften? Für den kirchlichen Dienst und die kirchliche Trägerschaft darf nicht das enttäuschte Vertrauen in die finanziellen Möglichkeiten des Staates durch ein optimistisches und einseitiges Vertrauen in die Möglichkeiten des Marktes und die Arbeitsweisen moderner Wirtschaftsunternehmen ersetzt werden. Die notwendigen ökonomischen Überlegungen und Ausrichtungen müssen auf „kirchengemäße“ Weise geschehen, weil ansonsten die eigentliche Leistung, der eigentliche Sinn, der sich in den Bereichen pastoraler Begleitung, Verkündigung, Bildung, Diakonie, Kult, Kultur und in menschenfreundlichem, sinnvermittelndem Klima äußert, verlorengeht. Zum Schaden für die Menschen, die diesen Dienst brauchen oder ausüben.
Norbert Feldhoff formuliert es so:
„Als Mitarbeiter und Träger kirchlicher Einrichtungen stehen wir vor der Erwartung, dass es in unseren Dienstgemeinschaften irgendwie anders, humaner - christlicher eben - zugehen soll, als in rein privatwirtschaftlichen Organisationen oder staatlichen Betrieben.“26
Das ist auch der Grund, warum gerade in Zeiten der pluriformen, flüchtigen Moderne viele Menschen dem Angebot und Diensten in kirchlicher Trägerschaft vertrauen. Viele entscheiden sich für ein kirchliches Krankenhaus, für eine katholische Schule oder einen kirchlichen Kindergarten, wenn sie die Auswahl haben. Dazu trägt sicher der hohe Stellenwert einer ganzheitlichen Betrachtungsweise in kirchlichen Einrichtungen bei.
In diesem Zusammenhang stellt das Thema Personal und Führungskräfte eine wichtige Herausforderung dar. Je mehr, wie bei den postmodernen Lebensformen beschrieben, ein bindungsloses Freiheitsverständnis idealisiert wird, desto weniger Raum bleibt für die Entfaltung der Fähigkeit, sich in den Dienst des Nächsten zu stellen, für ihn dauerhaft nicht nur professionell, sondern auch menschlich da zu sein und in diesem Tun Freiheit zu erfahren. Von dieser Alternative zum modernen Freiheitsideal, von der Unverbindlichkeit, Unbeständigkeit, ungebundener und ungehinderter Selbstentfaltung, lebt aber gerade der kirchliche Dienst.
Kirchliche Trägerschaft, kirchliche Dienstgemeinschaft braucht Personen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die offen sind für dieses in der Ära der Flüchtigkeit, Unverbindlichkeit, Schnelllebigkeit, der Sehnsüchte und Ängste unverzichtbare Lebensideal.
Dringend erforderlich ist daher in heutigen Zeiten die Personalarbeit. Personalarbeit ist dabei Bildungsarbeit, ist Befähigung zur Kultur des gemeinsamen Lebens. Sie ist das Herzstück kirchlicher Trägerschaft. Norbert Feldhoff verweist in diesem Zusammenhang auf das biblische Zitat Mk 6,34: „Bei euch muss es anders sein“ und plädiert für ein partnerschaftliches Miteinander in der Dienstgemeinschaft.27
Dies bedeutet, dass der kirchliche Dienst nicht auf Organisation reduziert werden darf. Er lebt von Menschen, die Kirche leben und die sich in ihrem Dienst, seien es Dienstnehmer oder Dienstgeber, an den jeweiligen Gründungspersönlichkeiten der Einrichtung oder an andere Vorbilder aus der Geschichte und im letzten an Jesus Christus in ihrer eigenen Dienstgemeinschaft orientieren.
Die Frage nach dem Personal führt letztlich zum Selbstverständnis und zur Identität des kirchlichen Dienstes in der heutigen Zeit, in einer neuen Ära. Nun wurde in der Vergangenheit die rechtliche und zeitliche Organisation aus guten Gründen derjenigen von Wirtschaft und öffentlichen Dienst angepasst. Nicht zuletzt machte die Übernahme der Tarife des öffentlichen Dienstes für die meisten Mitarbeitenden im kirchlichen Dienst das Arbeitsverhältnis gegen Bezahlung zum maßgeblichen Leitbild auch im kirchlichen Dienst. Dabei wird mittlerweile auch in der Wirtschaft inzwischen in weiten Teilen erkannt, dass die Pflege und der Erhalt der geistigen Werte, der Vorstellungen, Ideale und Identitäten, die das Unternehmen tragen, nicht weniger wichtig sind, als die ausschließlich pragmatische Gestaltung der Strukturen.
In dem viel beachteten Buch von Thomas J. Peters und Robert H. Waterman jr. über den Erfolg amerikanischer Unternehmen, das 1982 unter dem Titel „Insearch of Excellence“28 erschienen ist, steht:
„Ich glaube, der wirkliche Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg lässt sich sehr häufig darauf zurückführen, wie gut das Unternehmen es versteht, die großen Energie- und Talentreserven seiner Mitarbeiter zu nutzen. (…) Bei jedem erfolgreichen Unternehmen, das über viele Jahre Bestand hat, wird man wahrscheinlich feststellen, dass es seine Widerstandskraft nicht der Organisationsform oder einer gekonnten Verwaltung verdankt, sondern der Kraft der Überzeugung und dem Maß, in dem sich die Menschen im Unternehmen diese Überzeugungen zu eigen machen.(…) Ich bin fest überzeugt, dass jedes Unternehmen, um zu überleben und erfolgreich zu sein, einen solchen Bestand an Grundüberzeugungen braucht, von denen es sich bei allen Entscheidungen und Maßnahmen leiten lässt. Sodann glaube ich, dass der wichtigste Einzelfaktor für den Unternehmenserfolg das getreuliche Festhalten an diesen Überzeugungen ist.“29
Bezüglich der Grundüberzeugung bringt Norbert Feldhoff in seinen Vorträgen und Artikeln zum kirchlichen Dienst die katholische Soziallehre ins Spiel30, die von Solidarität, Subsidiarität, Personalität, aber auch von Partizipation und Mitbestimmung spricht. Der Mensch muss bei allem Geld, Maschinen, Strukturen etc. wiederentdeckt werden.
„Für alle unsere Dienste und Einrichtungen in Pastoral, Bildung und Caritas müssen die Menschen, für die wir da sind, im Mittelpunkt stehen. Genauso wichtig ist allerdings, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die diese Dienste leisten, im Mittelpunkt der Sorge und Verantwortung der verantwortlichen Träger und Leitungen stehen müssen.“31
In allen diesen Bereichen der Finanzen, der Mitarbeitenden und dem Selbstverständnis und der Identität kirchlicher Träger und Dienste stehen wir zurzeit in einem Wandel des Bestehenden. Der arbeitsrechtliche Dritte Weg wird zunehmend in Frage gestellt. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche wird durch die aktuellen Urteile des Europäischen Gerichtshofes und des Bundesarbeitsgerichts neu zu bestimmen sein. Die Loyalitätsanforderungen werden der Realität angepasst. Die Glaubwürdigkeit der Kirche und kirchlicher Arbeitgeber wird auch unter dem Aspekt Umgang mit Sexualität und den Missbrauchsfällen (spiritueller, sexueller, pädophiler etc.) auf den Prüfstand gestellt. Die arbeitsrechtliche Grundordnung des kirchlichen Dienstes seit 2015 muss an vielen Stellen noch umgesetzt werden.
Doch für diesen Wandel der Ära gilt das, was Paulus im Römerbrief zum Wandel sagte:
„Gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern wandelt euch und erneuert euch durch ein neues Denken, damit ihr prüfen und erkennen könnt, was der Wille Gottes ist: was ihm gefällt, was gut und vollkommen ist.“ (Röm 12,2)
Feldhoff sagt:
Es geht vor allem „um die Kultur in unseren Einrichtungen und Diensten. Es schadet der Glaubwürdigkeit der Kirche, wenn wir nach außen für ‚Dienstgemeinschaft‘ eintreten, in unseren Unternehmen aber kaum etwas von Gemeinschaft des Dienstes zu spüren ist.“32