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3. Neue Lebensformen

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Wie leben die Menschen in dieser Flüchtigkeit, in der flüchtigen Moderne? Zygmunt Baumann beschreibt die Lebensweise in der vorhergehenden Ära der Moderne mit der Figur des Pilgers.6 Der Pilger ist auf der Suche nach der Wahrheit, auf dem Weg zu einem bestimmten Ziel. Für den Pilger sind Raum und Zeit noch feste verlässliche Konstanten.

In dem Wandel der Ära von der Moderne in die flüchtige Moderne ist das Leben als Pilgerreise aber nicht mehr gegeben. Die Zukunft ist nicht mehr kontrollierbar. Der Aggregatzustand der neuen Ära ist fluid. Muster, Ordnungen, Strukturen, Pläne verflüssigen sich und nehmen immer wieder neue Formen an.

In der flüchtigen Moderne wird die Lebensform des Pilgers abgelöst. Zygmunt Baumann ersetzt den Pilger durch neue Typen und Lebensstile. Der post-moderne Mensch in der postmodernen Gesellschaft agiert mehr und mehr als Flaneur, als Vagabund, als Tourist und als Spieler.7 Dabei wechseln diese Typen innerhalb eines Lebens. Es gibt kein entweder - oder, sondern jeder Typ vermittelt einen Teil der Geschichte.

Der Flaneur bewegt sich als Fremder unter Fremden und ist ihnen selbst ein Fremder. Begegnungen sind Episoden, es sind Ereignisse ohne Vorgeschichte und Konsequenzen. Der Flaneur nimmt flüchtige Bruchstücke auf und spinnt sie zur Geschichte zusammen. Er baut ein eigenes Drehbuch zusammen ohne Einfluss auf das Schicksal, die Geschichte etc. Unter Flanieren versteht man alltagssprachlich ein Herumspazieren. Der Ort des Flaneurs ist die Einkaufsstraße. Hier lässt sich bequem von einem Platz zum nächsten wandern.8

Der Vagabund kann und will niemals ein Einheimischer sein. Er gewöhnt sich nicht allzu sehr an einen Ort, weil andere unbekannte Orte winken und möglicherweise besser als der jetzige sind und ihn weitertreiben. Das fällt ihm auch nicht schwer, da es immer weniger beständige Orte gibt. Der Vagabund ist nicht Vagabund aufgrund widriger Umstände oder Unfähigkeit, sich niederzulassen, „sondern aufgrund der Knappheit an besiedelten Orten“.9

Der Tourist ist wie der Vagabund ständig auf Achse. Der Tourist ist allerdings im Vergleich zum Vagabunden freiwillig unterwegs. Ihn treibt die Lust an neuen Erfahrungen. Er will den Kitzel des Fremdartigen und Bizarren, den er aber abschütteln kann, wenn er genug hat. Im Gegensatz zum Vagabunden hat der Tourist ein Heim, in das er zurückkehren kann, was ihm dann aber wieder auf Dauer zu eng wird und es ihn wieder hinaustreibt. Der Tourist schwankt zwischen Heimweh und der Furcht vor der Heimatgebundenheit. Auf seinen Reisen wagt sich der Tourist zwar in fremde, aber abgesicherte und geregelte Gebiete. Baumann formuliert es so: Die Welt des Touristen ist „grenzenlos, freundlich, willig gegenüber den Wünschen und Launen des Touristen und immer zu Diensten“.10

Schließlich der Spieler. Im Spiel gibt es weder Unvermeidlichkeiten (das heißt Zwang) noch reinen Zufall, das Spiel ist nicht vorhersagbar aber durch Spielregeln auch nicht unabänderlich. Es geht um Spielzüge, darum seine Karten möglichst gut auszuspielen. Der Spieler ist auf die Einschätzung und Abwägung von Risiko und seiner Intuition angewiesen. Jedes Spiel muss ein Anfang und ein Ende haben. Das Ende darf wiederum das nächste Spiel nicht beeinflussen. Das oberste Ziel eines Spiels ist es, zu gewinnen. Daher gibt es im Spiel keinen „Raum für Mitleid, Erbarmen, Mitgefühl oder Zusammenarbeit“.11

Flaneure, Vagabunden, Touristen, Spieler - das sind die Lebensformen des Menschen in der postmodernen Welt. Es fehlt an Verbindlichkeit, Verantwortlichkeit, Langfristigkeit, Beständigkeit. Das Leben wird zum Spaziergang, zum Bummeln, zum Entdecken, ein Streben nach dem Sieg. Der Mensch wird zunehmend heimatlos. Die gemeinsame Grundtendenz dieser vier Typen ist die zunehmende Fragmentierung menschlicher Beziehungen. Beziehungen werden mehr und mehr oberflächlich und schnell widerrufbar. Orte lösen sich auf, Arbeitsplätze lösen sich auf oder verändern sich ständig. Unsicherheit wird zum Lebensmotiv. Was ist heute noch sicher?

Kirchlicher Dienst in säkularer Gesellschaft

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