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1.1. Wer war Hartmann von Aue? Biographischer Autor und literarische Autorbilder
ОглавлениеAuch wenn die poststrukturalistische Kritik den Autor als Interpretationskategorie wirkmächtig in Frage gestellt hat, bleibt das wissenschaftliche Verständnis literarischer Texte auf den AutorAutorschaft als Produktionsinstanz bezogen. Das Wissen um die biographische Existenz des Autors hilft, Texte gesellschaftlich sowie wissensgeschichtlich zu kontextualisieren, nicht zuletzt mit dem Ziel, Interpretationen zu plausibilisieren (Jannidis 1999:25). Dies müsste auch und gerade für die mittelalterliche Literaturpraxis gelten, doch entziehen sich deren Akteure aufgrund der desaströsen Quellensituation zumeist einem wissenschaftlichen Zugriff: „Wir kennen im Mittelalter in der Regel nicht den Autor, der den Text hervorgebracht hat, sondern nur den Text, der den Autor hervorbringt“ (Wenzel 1998:5). Dies lässt sich beispielhaft an Hartmann von Aue zeigen. Unser gesamtes Wissen über ihn stammt aus literarischen Texten. Andere Quellen (Tauf- oder Sterberegister, Urkunden o.ä.), die Aufschluss über sein Leben geben könnten, gibt es nicht. Bei einer biographischen Rekonstruktion, die sich auf die Lektüre literarischer Texte des Mittelalters stützt, begegnen deshalb einige unhintergehbare methodische Probleme. Anders als in modernen Textausgaben existieren in mittelalterlichen Handschriften keine Titelblätter mit Angaben zum Verfasser. Wenn ein Autor seinen Text mit seinem Namen in Verbindung bringen wollte, musste er sich selbst nennen: Prologe und Epiloge sind bevorzugte Stellen solcher Selbstnennungen. Da diese in der Überlieferung nicht selten weggelassen wurden, war es für den Verfasser jedoch sicherer, seinen Namen an verschiedenen Stellen seines Werkes einzuflechten. Wer biographische Informationen aus solchen SelbstnennungenAutorsignatur Selbstnennunggenerieren möchte, steht schließlich vor dem methodischen Problem, dass Dichter über die Lizenz verfügen, Unwahres über sich zu erzählen (Kablitz 2008). Es gilt folglich, die biographische Autorexistenz nicht mit der literarischen Szenerie der Autorbilder und -stilisierungen zu verwechseln (Peters 1991:31). Nichtsdestotrotz hat die germanistische Forschung zahlreiche biographische Informationen aus solchen Selbstnennungen abgeleitet: Im Licht der Quellenkritik sind sie oft genug nicht haltbar (z.B. Bumke 2006:1–4, Wolf 2007:31–35). Was kann vor diesem Hintergrund denn überhaupt als gesichertes oder doch zumindest wahrscheinliches biographisches Wissen über Hartmann von Aue gelten?