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1.1.2. Datierung und Herkunft
ОглавлениеDie Entstehung mittelalterlicher Literatur kann in aller Regel nicht genau datiert werden. Anders als moderne Textausgaben gibt es in mittelalterlichen Codices keine Titelei, der das Erscheinungsdatum zu entnehmen wäre. Zudem haben wir weitestgehend keine Autographe, d.h. vom Autor selbst verfasste Texte. Mittelalterliche Literatur liegt nahezu immer in Abschriften vor, die lange Zeit nach der Entstehung der Dichtung angefertigt wurden. Das gilt auch für Hartmanns Texte. Die überlieferten handschriftlichen Zeugnisse seines Werks datieren vom frühen 13. Jahrhundert bis ins frühe 16. Jahrhundert (→ Kap. 2.). ÜberlieferungFerner gibt es in den Texten Hartmanns keine einzige zeitgeschichtliche Anspielung, die einen sicheren Anhaltspunkt für eine Datierung bietet. Dennoch können wir die Schaffenszeit Hartmanns ungefähr auf die Jahre 1180–1200/05 eingrenzen. Dazu bedienen wir uns der Erwähnung Hartmanns sowie seiner Romane ‚Erec(k)‘ und ‚Iwein‘ im ‚Parzival‘ Wolframs von EschenbachWolfram von Eschenbach‚Parzival‘. Aus dieser Erwähnung resultiert, dass Hartmann seine Romane vor der Entstehung des ‚Parzival‘ verfasst haben muss. Den ‚Parzival‘ aber können wir ungefähr datieren, weil sich darin eine Anspielung auf ein historisches Ereignis findet. Wolfram vergleicht nämlich die im Roman geschilderte Zerstörung einer Landschaft durch ein Belagerungsheer mit der Verwüstung der Erfurter Weingärten in der historischen Realität:
Erffurter wîngarte giht
von treten noch der selben nôt:
maneg orses vuoz die slâge bôt. (WoPz 379,18–20)
Die Erfurter Weingärten befinden sich durch Tritte immer noch in der gleichen Not: Viele Hufschläge verwüsteten sie.
Damit spielt Wolfram wahrscheinlich auf die Zerstörungen im Erfurter Umland an, die während der Belagerung der Stadt im Zuge des Thronstreits zwischen Philipp von SchwabenPhilipp von Schwaben und Otto IV.Otto IV. von Braunschweig im Jahr 1203 entstanden sind. Da in der Formulierung Wolframs die Weingärten immer noch zerstört sind, setzt man die Entstehung dieser Textstelle des ‚Parzival‘ um 1205 an. Damit wäre für Hartmanns Dichtung ein terminus ante quem gewonnen.
Noch unsicherer sind die Indizien für den Beginn von Hartmanns Autorschaft. Autorschaft Die Prätexte der beiden Artusromane Hartmanns, Chrétiens de TroyesChrétien de Troyes‚Yvain‘Chrétien de Troyes‚Erec et Enide‘ ‚Erec et Enide‘ und ‚Yvain‘, lassen sich ebenfalls nicht genau datieren. Man nimmt als Entstehungszeiten die Jahre um 1165 bzw. um 1175 an. „Die verwertbaren Anhaltspunkte sichern nur einen Datierungsrahmen. Hartmanns literarische Aktivität gehört in die letzten beiden Jahrzehnte des 12. Jahrhunderts; ob sie das vorletzte Jahrzehnt ganz oder nur zum Ende hin ausfüllte und auch noch in das erste Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts reichte, ist nicht sicher auszumachen“ (Cormeau/Störmer ³2007:31).
Eine relative ChronologieChronologie, also eine Reihenfolge der Dichtungen Hartmanns, ist nicht wirklich zu erweisen, auch wenn man sich in der Forschung konsensual auf die Reihung der Erzähltexte in der Abfolge ‚Erec(k)‘ – ‚Gregorius‘ – ‚Armer Heinrich‘ – ‚Iwein‘ verständigt hat. Diese Anordnung gründet auf den Vergleich von Reimtechnik, Wortwahl und Versrhythmus. Man geht dabei stillschweigend von der problematischen Prämisse aus, dass ein Autor sich mit fortschreitender Zeit stilistisch stetig verbessert. Gesichert scheint in der Reihung nur, dass der ‚Erec[k]‘ vor dem ‚Iwein‘ entstanden ist, da hier auf die Handlung des Erec[k]romans Bezug genommen wird, dessen Kenntnis bei den Rezipienten also erwartet werden kann. Die ‚Klage‘ wird zuweilen als Erstlings- oder neben dem ‚Erec(k)‘ als Frühwerk Hartmanns angesehen, doch bietet die als Beleg für diese Einordnung herangezogene Selbstbezeichnung Hartmanns als jungelinc (HaKl 7) keine hinreichende Sicherheit (zur Problematik der biographischen Auswertung der Selbstaussagen: → Kap. 1.1.3.). In den Liedern gibt es nicht einen einzigen Anhaltspunkt, der eine Datierung zuließe.
Noch größere Schwierigkeiten als die zeitliche Einordnung bereitet die Frage nach der Herkunft Hartmanns. Wir können ihn familiär gar nicht, regional nur sehr bedingt verorten. Beides hängt damit zusammen, dass es im 12. Jahrhundert noch keine Nachnamen gibt. ‚Von Aue‘ ist eine Herkunftsbezeichnung. Es handelt sich bei unserem Autor folglich um Hartmann aus Aue. Allerdings wissen wir nicht, aus welchem ‚Aue‘ Hartmann stammt. In der Forschung gilt der Südwesten Deutschlands, das alte Herzogtum Schwaben, als wahrscheinliches Herkunftsgebiet, weil seine Reimsprache geringe Spuren eines alemannischen Dialekts aufweist und Heinrich von dem TürlinHeinrich von dem Türlin‚Die Krone‘, ein Dichter aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, in seinem Artusroman ‚Die Krone‘ behauptet, dass Hartmann von der Swaben lande stammt (HeKr 2353). In Schwaben existieren freilich viele Orte mit Namen Aue, sodass eine genauere Zuordnung Spekulation bleiben muss.