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1.5 Pan als Verursacher der Panik
ОглавлениеDas Einwirken von Phobos und Deimos kann entweder zu Erstarren und kompletter Handlungsunfähigkeit, oder aber – wie im Falle des Ägypters Sinuhe – zu unkontrollierter reflexartiger Flucht führen, zumeist als ‚Panikreaktion‘ bezeichnet. Auch hinter dieser Terminologie verbirgt sich eine Gottheit, nämlich der Hirtengott Pan, der als Naturgottheit sowohl heilende Kräfte (Pausanias berichtet von Pestheilungen durch Pan im attischen Gebiet) besaß, wie auch eine erschreckende Unberechenbarkeit. Erstmalig begegnet der Begriff der Panik als einer von Pan hervorgerufenen kopflosen Furcht im 4. Jh. v. Chr.; die Begriffe dafür variieren im Griechischen vielfältig, so z.B. πανικὸς φόβος, πανικὸς θόρυβος, πανικὸν δεῖμα, πανικὸς οἶστρος, πανικὴ ταραχή, πανικόν, bedeuten aber sämtlich nahezu dasselbe, nämlich Panik, panische Furcht, panischer Schrecken oder panisches Entsetzen. Später dann (um 180 n. Chr.) berichtet Pausanias von Pans göttlichem Beistand während der Schlacht von Marathon, indem er das persische Heer in der Nähe seines Heiligtums bei Marathon in Panik versetzt habe: „Auch ein zur Hauptsache sumpfiger See ist in Marathon. In diesen gerieten die Barbaren auf ihrer Flucht aus Unkenntnis der Wege, und die Hauptverluste sollen sie hier gehabt haben.“ (Paus. 1, 32, 7, zit. nach Pausanias 1979, 91; eine weitere Stelle bezieht sich auf die Panik der Galater bei ihrem Angriff auf Delphi: Paus. 10, 23, 7, zit. nach Holzhausen 2006).
Die bekannteste Version der Sage über die Entstehung des ‚panischen Schreckens‘ (panikon deima, griech. πανικόν δεῖμα), die insbesondere während der römischen Kaiserzeit große Verbreitung fand (Plutarch, Artemidor, Polyainios und Appian), geht auf den bukolischen Dichter Theokrit (3. Jh. v. Chr.) zurück, der in einem Schäferidyll davor warnt, um die Mittagszeit Geräusche oder Musik zu machen, weil zu dieser Zeit Pan, ermüdet von der Jagd, Siesta halte und, aus dem Schlaf aufgeschreckt, durch seinen Zornesschrei die Herden in sinnlose Massenflucht jage (eine vergleichbare Aktion berichtet auch die tschechische Sage von dem Mittagsdämon Poledniček). Der griechische Text beschreibt recht plastisch das heftige Temperament des Gottes, das sich, wenn gereizt, in ‚galligem‘ Wutschnauben äußert (Theokr. Idyll. 1, 15; zitiert nach Hopkinson 2015, 20f.). Der panische Schrecken befällt jedoch nicht nur Menschen- oder Tieransammlungen, sondern kann als ‚Panolepsie‘ auch Einzelpersonen treffen (in der griechischen Tragödie v.a. bei Euripides beschrieben) – so wie den Ägypter Sinuhe, dessen Reaktion wohl als eine solche ‚Panolepsie‘ zu erklären wäre.