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2.1.1 Das Reizthema Zuwanderung

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Zuwanderung ist in der gesamten OECD-Welt ein Reizthema für die gesellschaftlichen Öffentlichkeiten. Die Angst betrifft hier das Verhältnis von Eigenem und Fremdem (Bielefeld 1998) im Blick auf soziale Wohlfahrt, politische Mitsprache und kulturelle Eigenheiten. Den Zuwandernden unterstellt man unangemessene Beanspruchung sozialer Rechte, verborgene politische Illoyalität und die unverblümte kulturelle Landnahme. Am Ende, so das vielfach bekräftigte Angstbild, kann man sich in seinem eigenen Land nicht mehr zu Hause fühlen.

In einer Erhebung von 2017 wurden fünf etwa gleich große Gruppen mit spezifischen Haltungen zum Reizthema Zuwanderung identifiziert: liberale Kosmopoliten, die für offene Grenzen und niedrige Hürden für die Einwandernden plädieren, humanitäre Skeptiker, die sich für offene Grenzen aussprechen, aber die Folgen unkontrollierter Einwanderung mit Sorge betrachten, ökonomische Pragmatisten, die Einwanderung befürworten, solange sie nützt, moderate Gegner von Einwanderung, die für die sofortige Rückführung von Straftätern und Trittbettfahrern unter den Einwandernden eintreten, und absolute Gegner, die jeder Form von Einwanderung widersprechen (The Economist 2018, 5). Zwanzig Prozent sind klar dafür und zwanzig strikt dagegen, dass mehr Menschen nach Deutschland einwandern – und die Mehrheit von sechzig Prozent ringt mit sich über ein moderates Dafür oder ein moderates Dagegen.

Bei dieser Mehrheit betrifft das Angstproblem die Unterscheidung zwischen Emigranten und Siedlern (Collier 2014, 99ff.). Man begrüßt unter Umständen Emigranten, die ihr persönliches Glück in der Ankunftsgesellschaft suchen und dafür viel auf sich nehmen und sich am Ende zu guten Nachbarn entwickeln und ihre Herkunft aus einem anderen Land als Teil ihrer persönliche Zuwanderungsgeschichte begreifen. Man reagiert aber mit Ablehnung auf Einwanderer, die ihre Lebensart in der Einwanderergemeinde pflegen und den Eindruck erwecken, als kämen sie als Siedler ins Land, die sich als Außenseiter, mit Norbert Elias gesprochen (Elias u. Scotson 1993), gegen die Etablierten stellen. Je zahlenmäßig größer eine Einwanderergruppe ist, um so langsamer verläuft die Absorption durch die Ankunftsgesellschaft, weil die Einwandernden dann mehr mit Ihresgleichen als mit den Einheimischen zu tun haben. Aber die Angst der Etablierten, im eigenen Land nicht mehr zu Hause zu sein, wächst, je mehr sie den Eindruck gewinnen, dass bei den Einwandernden das Emigrationsverständnis vom Siedlerverständnis überlagert wird.

Die proklamierte Angst ist hier die Folge einer vermuteten Verschiebung in der Machtbalance zwischen Etablierten und Außenseitern, die die Einheimischen dazu veranlasst, die normale Absorption von Einwandernden im Lauf der Zeit infrage zu stellen. Man meint, sich verteidigen zu müssen, obwohl man zweifellos in der Mehrheit ist, und besorgt sich in Kategorien der Kultur ums Eigene gegen das Fremde.

Angst und Gesellschaft

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