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2.1.2 Die Angst, nicht mithalten zu können

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Die emotionale Energie dieser in der Öffentlichkeit ausgetragenen Auseinandersetzungen erschließt sich aber nur dann, wenn man sie im Zusammenhang eines zweiten Angstthemas versteht, das für ein verbreitetes Unbehagen im Ganzen trotz zunehmender Zufriedenheit mit der persönlichen Situation sorgt (Schupp et al. 2013, 34–43): Das ist die Angst, nicht mithalten zu können und etwas Wichtiges zu verpassen. Man kann dieses Unbehagen so auf den Punkt bringen, dass wir heute einen Wechsel im gesellschaftlichen Integrationsmodus vom Aufstiegsversprechen zur Exklusionsdrohung erleben. Für die Generationen der Nachkriegszeit, die heute zwischen sechzig und achtzig und teilweise neunzig Jahre alt sind, hatte die Botschaft „Aufstieg durch Bildung“ einen motivierenden Klang. Wer sich anstrengte und trotz erlebter Niederlagen und Zurücksetzungen Durchhaltevermögen an den Tag legte, konnte es zu etwas bringen. Der Umstand, dass bei den meisten der Zufall eine viel wichtigere Rolle spielte als die Ziele und Absichten, war deshalb hinnehmbar, weil man trotz allem auf einer Position landete, die man im Nachhinein als erworben und verdient ansehen konnte.

Dieser Glaube existiert nicht mehr. Der Lebenslauf wird durch eine Folge von Gabelungspunkten erlebt, an denen sich jeweils entscheidet, wer weiter kommt und wer zurückbleibt. Das beginnt bei der frühkindlichen Förderung im Kindergarten, verläuft über die Wahl der weiterführenden Schule, betrifft die Netzwerke, die einem weiterhelfen, und den Ort, an dem man hängengeblieben ist, und findet bei der Partnerwahl eine entscheidende Festlegung. Natürlich kann man vieles revidieren und nichts ist für immer verloren. Aber es kommt auf einen selbst an, was man aus den Ressourcen der eigenen Herkunft und aus den Gelegenheiten, die sich einem bieten, macht. Das war natürlich schon immer so, aber heute stellen sich viele die Frage, ob der Wille reicht, die Geschicklichkeit passt und das Auftreten überzeugt. Die Sicherheit durch das Vertrauen in den Zufall ist der Angst gewichen, sich richtig entschieden oder etwas verpasst zu haben oder sich bei dem ganzen Bemühen der Optionswahrung und des Entscheidungsvorbehalts gar selbst zu verfehlen. So ist die Angst tatsächlich, wie es bei Kierkegaard heißt, „die Wirklichkeit der Freiheit als Möglichkeit vor der Möglichkeit“ geworden.

Angst und Gesellschaft

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