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1.8 Heilkunde als Mittel der Angstbewältigung
ОглавлениеDie Angst vor dem Verlust der Gesundheit, vor schmerzhaften, langwierigen und häufig letal endenden Leiden oder furchteinflößenden Begleiterscheinungen komplexer Krankheitsbilder (wie beispielsweise im Falle von Anfallsleiden wie Epilepsie oder dergl.) ist eine Grundangst, die der Menschheit seit Urzeiten implizit ist. Der Umgang mit solchen Ängsten fand entweder auf mythologischer Ebene statt, indem man die Verantwortlichkeit für das Vorhandensein von Krankheit und Leid Göttern, mehr aber noch negativen und auf Krankheit spezialisierten Dämonen zuwies, oder im Bereich der rational-naturwissenschaftlichen Heilkunde, die sich, basierend auf einer traditionellen Quellenbasis (das Corpus Hippocraticum und die Schriften Galens), an rationalen Erfahrungswerten, Fallbeispielen und gelegentlich auch individuellen Experimenten orientierte.
Die aus Antike und Mittelalter überlieferten Quellen verbinden diverse Ängste stets mit konkreten Krankheitssituationen: entweder als Begleiterscheinungen komplexer physischer oder psychischer Leiden, wie beispielsweise als Symptom von Gehirnentzündung, Atemwegserkrankungen, Anfallsleiden oder Infektionskrankheiten wie Tollwut und Malaria, häufig gekoppelt mit Fiebersymptomatik, oder aber als konkrete Reaktion einzelner Patienten auf (Fehl-)Medikationen (Vergiftungserscheinungen, Überdosierung) und therapeutischen Maßnahmen (Angst vor Operationen). Die Quellen schildern solche Angstsymptomatiken zumeist sehr detailliert und zeigen deutlich, dass der antike und insbesondere der byzantinische Arzt stets bemüht war, im individuellen Patientengespräch das Irrationale der Angstempfindung durch die rational-logische Interpretation der jeweiligen Symptomatik, häufig sogar durch eine entsprechende Prognostik des mutmaßlichen Krankheitsverlaufes abzumildern: Angstbewältigung also durch rationale Erklärung der Angstfaktoren. Doch auch im Bereich der professionellen Heilkunde sind die Grenzen fließend und die reichhaltige Quellendiversität von der Antike bis in die Neuzeit zeigt ganz unterschiedliche Fokussierungen, die sich in einer Vielfalt an Kombinationen zwischen den erklärten Antipoden einer kompromisslos rationalen Medizinauffassung und einer iatromagisch orientierten Volksheilkunde bewegen.